Alles genial, alles friedlich? Na ja. In einem Akt der Hybris verklären die Organisatoren einen Grossanlass, der ja eigentlich wirklich ein guter war.
An diesem Montag ist Basel-Stadt noch ein letztes Mal das, was der reiche, aber von Komplexen geplagte Kanton gerne immer wäre – und es nach dem eigenen Selbstverständnis auch ist: das Epizentrum der Schweiz.
Die Regierung zieht zusammen mit der SRG und weiteren Verantwortlichen – Projektleitern, der Tourismusdirektorin, Produzenten – eine Bilanz zum Eurovision Song Contest (ESC). Das Kurzfazit: Wir! Alle! Waren! Grandios!
Basels Regierungspräsident Conradin Cramer, der eigentlich ein wunderbares Alt-Baseldeutsch spricht, sagt im ESC-Slang: «Meine wildest Dreams sind true gekommen.» Die SRG-Generaldirektorin Susanne Wille bedankt sich beim «besten Partner überhaupt». Und da man schon einmal die oberste Hubraumklasse der Selbstbeweihräucherung erreicht, machen die Anwesenden munter weiter – und loben sich gegenseitig.
«Unglaublich.» – «Tränen in den Augen.» – «In der Welt geglänzt.» – «Durchwegs friedlich.» Hat Basel in der letzten Woche gerade die von Krisen geplagte Welt gerettet?
«Schande für Basel»
Der ESC war für Basel – und die Schweiz – tatsächlich ein Erfolg. Es wirkt jedoch nicht gerade sympathisch, wenn man diesen wortgewaltig noch grösser machen will, als er ohnehin war.
Und falsch ist das Fazit auch noch. Es war nicht alles grandios, nicht alles friedlich. Es gab Anti-Israel-Proteste. Ein Farbanschlag auf die israelische Teilnehmerin während ihres Finalauftritts konnte knapp verhindert werden, auf den Strassen beanspruchte eine aggressive Hundertschaft am Samstag die Polizei stark. Es brauchte Tränengas und Gummischrot.
Dass das kaum Thema war beim Bilanzziehen (und nur von der Sicherheitsdirektorin kurz angeschnitten wurde), ist kaum verständlich. Der Zürcher Regierungsrat Mario Fehr sprach an der Delegiertenversammlung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds gemäss «Blick» von einer «Schande für Basel». «Es ist mir unverständlich, dass man eine Mahnwache verbieten kann, gleichzeitig aber den übelsten antisemitischen Mob in den Strassen von Basel zulässt.»
Wenig gelungen war das Dispositiv auch an der Eröffnungsfeier: Dass die Anti-Israel-Demonstranten auf der abgesperrten Route mit den ESC-Teilnehmern mitlaufen konnten, sendete keine guten Bilder in die Welt. Eine gegen die israelische Sängerin gerichtete «Halsabschneiden»-Geste inklusive.
Das gehört zur Wahrheit dazu, auch wenn das Fazit insgesamt ein positives ist. So wirken die Erklärungen wenig glaubwürdig. Die «gegenseitigen Lobhudeleien» nervten irgendwann sogar die Boulevardmedien, die ja von den grossen Buchstaben, den Superlativen leben. Der «Blick» schnödete in seinem Ticker über die Medienkonferenz und sendete ein hoffnungsfrohes Stossgebet an die Journalisten in Basel: «Bitte endlich mal auch eine kritische Frage stellen!»
Die Medien als PR-Partner
Die Medien, vor allem die regionalen, waren in den vergangenen Wochen jedoch eher PR-Partner denn kritische Berichterstatter. Es überrasche wenig, sagte Cramer am Ende der Vorstellung, dass er sich über die «positive Berichterstattung und die schönen Bilder» gefreut habe. Das gelte zwar auch für die kritischen Artikel, gerade beim Thema Sicherheit, sagte er noch – aber die waren so spärlich, dass die Freude des Politikers nur nachvollziehbar ist. Bezahltes Cheerleading. Es fehlte nur noch, dass man sich am Ende gegenseitig Blumen überreichte.
Das Hochjubeln schmälert nun die wirkliche Leistung des Kantons und der SRG. Wer übertreibt, untergräbt das tatsächlich Erreichte. Und das liest sich ganz nett: Rund 500 000 Gäste habe man empfangen dürfen. Basel generierte zudem 50 000 Logiernächte, was einer Auslastung von etwa 90 Prozent in der ESC-Woche entspricht. Dreissig Prozentpunkte mehr als in einer normalen Maiwoche.
Wie sich das wirtschaftlich auszahlen wird – immerhin hat der Kanton 35 Millionen Franken investiert –, lässt sich nicht präzise sagen. Dass von einer grossen Wertschöpfung ausgegangen wird (auch in Zukunft), ist eher eine Pi-mal-Daumen-Rechnung als harte Statistik. Bezeichnend war die Aussage der Tourismuschefin: Man habe «450 Millionen Kontakte» erzielen können. «Weltweit.» Was immer das heisst.
Aber was soll’s. Die Stadt glänzte für eine Woche mehrheitlich, der Final am Samstag begeisterte tatsächlich – und wurde weltweit gelobt. Hat das Fussballstadion je so gut ausgesehen? Basel, stellvertretend für das Land, kann solche Anlässe organisieren.
Dasselbe gilt auch für die SRG. Auch hier war das Investment riesig: 20 Millionen Franken. Viel zu gewinnen gab es für die unter Druck stehende Anstalt nicht. Sie machte ihre Sache gut. Mit dem Song «Made in Switzerland» begeisterte sie gar bürgerliche Kreise und erreichte auf der ganzen Welt ein grosses Publikum.
Das sind, um in der ESC-Sprache zu bleiben, durchaus zehn Punkte. Und die Verantwortlichen dürfen ja zufrieden sein. Wer sich aber selbst die Höchstzahl von zwölf Punkten verteilt: Der wirkt weiterhin wie ein Kanton, der an Komplexen leidet.