Donnerstag, Oktober 10

Die Organisation Birdlife Schweiz will mit einer nationalen Zählaktion das Volk für die Artenvielfalt sensibilisieren. Vor allem Brutvogelarten sind in der Schweiz gefährdet.

Vier Rotkehlchen, zwei Ringeltauben und ein Buntspecht: Ab Mittwoch werden in der Schweiz die Vögel gezählt. Die Organisation Birdlife Schweiz ruft zur viertägigen «Stunde der Gartenvögel» auf. An der «nationalen Zählaktion» kann laut Organisation jeder und jede mitmachen.

Die Teilnahme und die Voraussetzungen sind einfach: Interessierte müssen sich zwischen dem 8. und dem 12. Mai für eine Stunde in den Garten oder auf den Balkon setzen, den Feldstecher in die Hand nehmen und dem Treiben der Natur zusehen. Dabei die Vögel rund um das Haus beobachten und zählen. Die Beobachtungen können via Website oder die Birdlife-App gemeldet werden. Zudem müssen die Teilnehmer angeben, welche naturnahen Strukturen im beobachteten Gebiet vorhanden sind.

Interessierten Teilnehmern reiche das Wissen über zwanzig Vogelarten aus, sagt Ann Walter von Birdlife Schweiz. Die Organisation stellt auf ihrer Website entsprechende Unterlagen zu den häufigsten Arten zur Verfügung.

Daten sammeln und Entwicklungen erfassen

Mit der Aktion will Birdlife die Bevölkerung dazu animieren, dass sie sich eine Stunde lang Zeit nimmt, die Natur zu beobachten. Vögel eigneten sich dazu gut, sagt Walter. «Der Mensch hat eine starke Beziehung zu ihnen. Ein artenreiches Vogelkonzert macht glücklich.»

Die Organisation sammelt mit der Zählung Informationen. Beispielsweise darüber, wie viele Vogelarten in Schweizer Gärten vorkommen, welches die häufigsten Arten sind oder welche Elemente in einem Garten für die Vögel besonders wichtig sind.

Birdlife veranstaltet die «Stunde der Gartenvögel» in der Schweiz zum zehnten Mal. In Deutschland wird die Aktion schon seit dem Jahr 2005 durchgeführt. Sie gilt bundesweit als grösste Aktion zur Vogelbeobachtung. Birdlife will die Volkszählung nun auch in der Schweiz einem breiteren Publikum bekannt machen. Die Organisation hofft, dass dadurch künftig Daten erhoben werden können, mit denen eine längerfristige Entwicklung zu Vögeln im Siedlungsraum sichtbar gemacht werden kann.

Einheimisch statt exotisch

Gewisse Entwicklungen und Trends konnten in den letzten zehn Jahren schon bestätigt werden. Beispielsweise, was den Lebensraum der Vögel betrifft. «In einem artenreichen Garten mit einheimischen Pflanzen hat es durchschnittlich vier Vogelarten mehr als in einem Garten mit Rasen und Tuja-Bäumen», sagt Walter. Vögel benötigten Insekten für die Aufzucht ihres Nachwuchses. «Und dort, wo es Blüten hat, hat es Insekten.» Ein immergrüner Garten oder ein Park mit exotischen Pflanzen sei hingegen kein Lebensraum für einheimische Insekten. «Das ist somit auch kein Lebensraum für alle anderen Lebewesen, die sich von diesen Insekten ernähren.»

In der Schweiz müsse man den Vogelbestand differenziert betrachten, sagt Stefan Greif, Projektleiter Artenförderung bei Birdlife. Häufige Vogelarten wie Amseln, Spatzen oder Rabenkrähen würden bei den Zählungen zwar oft gemeldet. Bei anderen Arten habe der Bestand in den vergangenen Jahren hingegen deutlich abgenommen. Darunter sind laut Greif auch im Siedlungsraum ehemals normale Arten wie der Girlitz, der Grünfink oder die Mehlschwalbe. Letztere kämpfe mit immer schwierigeren Bedingungen in ihrem Lebensraum. «Sie brütet im Siedlungsraum. In Neubauten fehlen ihr oftmals die Nischen oder Nistplätze, an anderen Orten werden ihre Nester weggeschlagen.»

Grün ist nicht Natur

Ein weiterer bedenklicher Faktor ist laut Greif, dass im Kulturland immer weniger Vogelarten vorzufinden sind. «Pestizide werden gespritzt und es wird gedüngt. Die Flächen werden zu intensiv genutzt und sind zu monoton gestaltet.» Greif rät zum Mut zur Unordnung. Für die Artenvielfalt sei es besser, wenn Pflanzen wachsen gelassen und Wiesen nicht alle zwei Wochen gemäht werden. Die Biodiversität werde zudem gefördert, wenn abgetrennte Äste nicht entsorgt oder Brennnesseln nicht geschnitten werden. «Ein fauler Gärtner ist der beste Naturschützer», sagt Greif.

Für die Vögel sei ein optimaler Lebensraum besonders wichtig. Er rät in naturnahen Gärten zu verschiedenen Strukturen. Dadurch seien deutlich mehr Arten vorzufinden als in eintönigeren Gärten. «Bunte, blühende Wiesen fördern die Vielfalt. Grün ist nicht gleich Natur», sagt Greif. Laut ihm steht es um die Artenvielfalt in der Schweiz schlechter, als viele denken würden. Das bestätigt ein Blick in die Rote Liste der gefährdeten Brutvogelarten. Laut dieser sind von den 205 Brutvogelarten in der Schweiz 83 aktuell oder potenziell gefährdet.

Der Steinkauz war einst fast ausgestorben

Doch es geht auch anders, wie das Beispiel des Steinkauzes zeigt. Dieser war in der Schweiz einst fast ausgestorben. Um die Jahrtausendwende hat es laut Greif noch etwa 50 bis 60 Brutpaare gegeben – 1950 seien es schätzungsweise noch 1000 Brutpaare gewesen. Durch ein Artenförderungsprogramm konnte der Bestand in den vergangenen 25 Jahren wieder verdreifacht werden. In der Nordwestschweiz habe der Steinkauz jüngst zum ersten Mal seit 40 Jahren wieder gebrütet. «Dieser Erfolge zeigt, was in der Schweiz möglich ist.»

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