Donnerstag, November 7

Der Künstler und Max-Bill-Schüler Rolf Schroeter hat gezeigt, dass auch mit Fotografie abstrakt-geometrische Kunst möglich ist. Seine Kompositionen in strengem Schwarz-Weiss atmen den Geist seiner künstlerischen Heimat, der Kunst der Zürcher Konkreten.

Er experimentierte mit Raum, Bewegung und Licht. Und benutzte dazu oft nicht einmal einen Fotoapparat. Der Zürcher Fotograf Rolf Schroeter pflegte für seine Kompositionen Gegenstände oft direkt auf das lichtempfindliche Papier zu setzen. Das Verfahren stammt von Laszlo Moholy-Nagy und auch Man Ray. Durch die Manipulation von Gegenstand und Papier erreichte Schroeter im fotografischen Prozess der Belichtung abstrakt und geometrisch wirkende Bilder – Fotogramme in klar konturiertem Schwarz-Weiss. Die kameralosen Studien kommen oft nur mit Kreisen und unregelmässigen Flächen aus.

Da geht es um strukturelle Ordnung, auch um technische Perfektion. Seine Bilder können der experimentellen Fotografie zugerechnet werden. Die Strenge dieser Arbeiten verrät aber auch die künstlerische Heimat ihres Schöpfers. Rolf Schroeter darf zu den Zürcher Konkreten gezählt werden – dies in undogmatisch erweitertem Sinn.

Ein Baumfanatiker

Zur Welt gekommen und aufgewachsen war Rolf Schroeter am Zürcher Neumarkt – ein Niederdörfler mit einer Neigung zur Natur. Denn eigentlich wollte Schroeter Förster werden – einen Baumfanatiker nannte er sich selber. Einmal hat Schroeter das Leben und Sterben einer Linde fotografisch begleitet. Da vollzog sich eine Transformation von Natur in Kunst. Werden, Sein, Vergehen: Das sind denn auch zentrale Begriffe in Schroeters Kunstauffassung.

Für das Studium zum Förster war kein Geld vorhanden. Und so machte Rolf Schroeter eine Lehre als Dekorateur. Es folgte eine Weiterbildung an der damals neu eröffneten Kunstakademie in Ulm, dies dank einem Stipendium der Pro Helvetia. Dort wurde er zum Schüler von Max Bill. Dem berühmten Zürcher Konkreten hat er später auch assistiert.

Schliesslich wurde Schroeter über die Station als Werbefotograf zum Kunstfotografen. Diesen Werdegang sieht man seinen Arbeiten an. Denn immer wieder tauchen in seinen Fotografien Texte auf. Schroeter hat diese Bilder oft mit visuell gestalteten Gedichten von Vertretern der konkreten Poesie kombiniert. Zusammen mit Exponenten dieses literarischen Genres wie etwa Eugen Gomringer hat er auch Buchprojekte realisiert.

Kein Interesse, zu verkaufen

Zu Rolf Schroeters 80. Geburtstag 2012 richtete das Haus Konstruktiv in Zürich eine Werkschau aus. Dort wurde die zwischen 2007 und 2011 entstandene Fotoinstallation «Aletheia» (Wahrheit) gezeigt. Sie setzt sich aus 51 Bildern zusammen: eine Fotoserie, die auf der Halbinsel Wustrow entstanden war und die Natur, aber auch Spuren der Geschichte zeigt. Schroeter integrierte in die Arbeit auch Textzitate von Martin Heidegger, Gottfried Benn und Paul Celan.

Das Eiland, das nach dem Zweiten Weltkrieg zu Russland gehörte und 1993 an die Bundesrepublik zurückgegeben wurde, bereiste Rolf Schroeter zusammen mit Günther Uecker. Mit dem deutschen Künstler, bekannt geworden mit seinen Nagelbildern, pflegte Schroeter eine langjährige Freundschaft. Von ihm liess er auch sein Haus in Zürich Witikon gestalten, genauer: von einem riesigen Nagel durchbohren.

Über die langen Jahre von Rolf Schroeters Künstlerkarriere entstand ein vielfältiges Œuvre aus Fotografien und Fotogrammen, Mappenwerken und Künstlerbüchern. Dennoch gilt Schroeter auch heute noch als Geheimtipp. Sein Schaffen ist wenig bekannt geblieben. Das hat mit der grossen Eigenwilligkeit seines Künstlerwesens zu tun. Schroeter machte, was er selber für gut hielt und richtete sich nicht nach dem Zeitgeist.

Dem Kunstmarkt blieb er fern. «Ich mache meine Sachen nur für mich», unterstrich er einmal seine Kompromisslosigkeit. Seine Kunst zu verkaufen, interessierte ihn schon gar nicht. Seinen Lebensunterhalt bestritt er durch die Werbefotografie. Umso freier konnte er sich in der Kunstfotografie bewegen. Nun ist Rolf Schroeter im Alter von 92 Jahren gestorben.

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