Freitag, Januar 24

Die Bieler Band ist zurück. Am Konzert in Zürich zeigt sie mit einem neuen Album, dass sie stilistisch noch immer wandelbar ist – und trägt den Indie-Rock ins Heute.

Aus weiter Ferne heult ein scharfer, eisiger Wind, er kommt immer näher. Hohe, dissonante, schleifende Klänge wehen dem Publikum am Donnerstagabend in der Konzerthalle der Zentralwäscherei Zürich entgegen.

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Das ist die Stimmung von «Breeding Man», dem ersten Lied des neuen Albums «Pigeons, Politicians & Pin-Ups During the Endtime of Mankind» der Indie-Rock-Band Puts Marie. Sie verwandelt den Raum scheinbar in eine karge, urbane Landschaft. Man sieht Nebel und Smog überall, man denkt an grauen Beton und alte Backsteinhäuser.

Erzeugt wird die Atmosphäre vor allem von einer Farfisa-Orgel, einer elektrischen Heimorgel, und einem Pianet, einem analogen, elektromechanischen Instrument. Es knarzt und quietscht. Gelegentlich zwitschert ein verlorener Vogel, gurrt eine einsame Taube durch die Gegend. Und dann wieder nichts – ausser den windigen Klängen.

Befreit von Songstrukturen

Endzeit, das ist die Grundstimmung auf dem neuen, achten Album von Puts Marie, das nur sechs, dafür sehr lange Songs enthält. Und gegen diesen Weltschmerz spendet die Musik entweder Euphorie oder Melancholie und traurige Schönheit.

Puts Marie, das sind fünf Musiker aus Biel, die seit über zwanzig Jahren zusammenarbeiten. Sie klangen mal jazziger, mal poppiger, mal kam etwas Rap dazu. In den vergangenen fünf Jahren haben sie sich der Improvisation gewidmet, und dabei weniger Wert auf die Songstrukturen gelegt als auf Atmosphäre.

Dieser musikalische Fokus prägt das neue Repertoire. Einige Bausteine sind zwar erkennbar, doch die formalen Übergänge verschwimmen oft. Die klassischen Strukturen von Intro, Strophe, Refrain und Bridge verlieren sich in den klanglichen Veränderungen.

Schwieriges Publikum

Im Konzert kommen im ersten Song zu den Keyboard-Sounds von Beni 06 bald die Gitarre von Sirup Gagavil und der Bass von Igor Stepniewski dazu. Der graue Klanghimmel verfärbt sich etwas mit wärmeren Farben. Der Sänger Max Usata erzählt sodann poetisch von einem Mann, der die Tauben trainiert, immer weiter zu fliegen. Und schliesslich setzt auch noch das Schlagzeug von Tobias Schramm ein.

Es tönt, als ob sich der Song obsessiv durch den Nebel zu kämpfen versuche. So wird das Klangbild immer dichter, während Usata seine Stimme eine Oktave höher stechen und kratzen lässt in diesem Lied – dem Opener des neuen Albums.

Im Konzert hält Puts Marie zwar an den Kompositionen fest, die Band nimmt sich jedoch viel Raum für spontane Aktionen. Das Publikum allerdings plaudert viel und scheint vom musikalischen Engagement zeitweise nicht beeindruckt zu sein. Trotzdem ist die Band fokussiert – Profis eben! Ohne grosses Spektakel bewegt sie sich auf der Bühne. Die Musiker bleiben ganz bei sich – obwohl die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht ganz bei der Sache sind.

Geschichte einer Tänzerin

Schade eigentlich. Das neue Album ist gewiss anspruchsvoll, aber die Umsetzung der Songs auf der Bühne überzeugt. Die Band schafft es, den Indie-Rock ins Heute zu tragen, ihn frisch zu halten.

In «Cicciolina and the Clerks» brilliert die Band sogar. Max Usata erzählt von einer Tänzerin in einem schummrigen Lokal. Erst singt er sanft, melodisch, wechselt dann in ein feines, luftiges Falsett, um zuletzt im Sprechgesang zu landen. Immer wieder bedient er sich auch eines Lo-Fi-Mikrofons, wodurch sein Gesang wie aus einem alten Radio zu kommen scheint.

Das Hämmern eines grandios wuchtigen Schlagzeugspiels und der griffige, mal rohe, mal nachhallende Klang von Bass und Gitarre werden untermalt von den chorischen Klängen des Keyboards. Das Ensemble ist perfekt abgestimmt. Dank der Präzision der erfahrenen Musiker vermengt sich das Ganze zu einer symphonischen Hypnose.

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