Mittwoch, Oktober 9

An Donald Trumps Seite zeigte sie sich kaum noch. Stattdessen schrieb die ehemalige First Lady ihre Memoiren, die im Wahlkampf genauso wertvoll sein können. Zumal sie ihren Mann vorbehaltlos unterstützt. Mit einer Ausnahme.

Die Härte der Medien bekam Melania Trump zum ersten Mal zu spüren, als sie und Donald Trump 2005 ihre Hochzeit verkündeten. Sie sei eine Goldgräberin, schrieb die Presse. Sie, das Model aus Slowenien, habe sich mit dem 24 Jahre älteren New Yorker Immobilienunternehmer einen Mann fürs gute Leben ausgewählt.

In den kommenden fast zwanzig Jahren wird Melania Trump noch viele Erfahrungen mit den Medien machen, die sie gegen diese einnehmen. Sie fühlt sich ungerecht behandelt und missverstanden. Die Kränkung, oft in Form von Trotz, zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Autobiografie, die am Dienstag auf Englisch erschienen ist.

Manchmal fragt man sich, ob die Frau bloss unterschätzt hat, was es bedeutet, in der Öffentlichkeit zu stehen. Dann wieder stimmt man ihr zu: So lächerlich gemacht und angefeindet wird tatsächlich nur, wer mit Donald Trump verheiratet ist.

«Ich war von seinem Charme fasziniert»

Die 54-Jährige hat ihre Lebensgeschichte auch geschrieben, um besser verstanden zu werden. Sie beginnt diese mit der Ankunft in New York, der Aufgeregtheit beim Anflug der Metropole, beim Anblick der Skyline. Um den Hals trägt sie eine Kette mit einem Anhänger, auf dem auf Deutsch «Ich liebe dich» steht. Ein Geschenk ihrer Familie. Melania ist im kommunistischen Slowenien wohlbehütet aufgewachsen. Die Mutter, eine Österreicherin, arbeitete für einen Kindermodehersteller, der Vater war Autohändler. Sie studierte Architekturdesign, begann zu modeln, nach Mailand und Paris erhoffte sie sich eine Karriere in Amerika.

Bei der Schilderung ihres Werdegangs gibt die Autorin immer wieder banale Lebensweisheiten zum Besten: «Um Erfolg zu haben, musst du gewillt sein, etwas zu riskieren und harte Entscheidungen zu treffen», schreibt sie etwa, als habe sie das positive Denken der Amerikaner verinnerlicht. «Du musst dir und deinen Fähigkeiten vertrauen, und gib dich nie mit weniger zufrieden, als du verdienst.»

Eine Erzählung ohne Schatten macht sie aus ihrer Ehe mit Trump, den sie 1998 in einem New Yorker Klub kennenlernte. Er, der zu diesem Zeitpunkt in zweiter Ehe mit Marla Maples verheiratet war, kam in Begleitung eines «schönen blonden Dates», um dann doch nur Augen für Melania zu haben. «Ich war von seinem Charme und seiner Gelassenheit fasziniert», schreibt sie. «Er war etwas älter als ich, aber ich, mit 28, fühlte mich sofort mit ihm verbunden, als hätten sich unsere Seelen schon lange gekannt.»

Sie spricht im Präsens, wenn sie Donald Trumps Arbeitsmoral lobt und seinen Erfolg, wie fleissig er sei, wie bodenständig und «echt». Das zieht sie im ganzen Buch durch. Kein Wort zu Stormy Daniels und Trumps mutmasslicher Affäre mit der Pornodarstellerin. Mit ihr soll er sie kurz nach der Geburt des gemeinsam Sohnes Barron betrogen haben. Während des Schweigegeld-Prozesses im Frühling ging sie auf Distanz zu ihm, indem sie aus der Öffentlichkeit verschwand.

Aber es wäre auch naiv, zu glauben, Melania Trump wartete mit Enthüllungen auf so kurz vor den Präsidentschaftswahlen. Ihre Autobiografie kann als Teil des Wahlkampfs verstanden werden. So bringt sie sich womöglich als First Lady für eine zweite Amtszeit in Stellung. Das tut sie für ihn, aber auch für sich. Man sollte in ihr keinesfalls ein Opfer sehen, bloss weil man sich nicht vorstellen kann, mit so einem Mann verheiratet zu sein.

Sie geht nie dorthin, wo es weh täte

Melania Trump geht in ihrem Buch nie in Opposition zu Donald Trump – mit einer Ausnahme. Sie spricht sich für das Recht auf Abtreibung aus. «Die Autonomie der Frau, darüber zu entscheiden, ob sie Kinder haben will, muss zwingend garantiert sein», schreibt sie in «Melania». «Es gibt mehrere legitime Gründe für eine Frau, abzutreiben, wenn ihr Leben in Gefahr ist, bei einer Vergewaltigung oder einem angeborenen Geburtsfehler.» Sie spricht sich sogar für das Recht auf Abtreibung später in der Schwangerschaft aus unter gewissen Umständen, zumal diese Fälle extrem selten seien. Jede Frau habe die individuelle Freiheit, selber über ihren Körper zu bestimmen, schreibt sie. Der Staat dürfe sich in dieser Frage nicht einmischen.

Man kann dahinter ein Kalkül sehen, zumal dieses Statement in einem der letzten Kapitel wie zusätzlich angefügt wirkt: Damit könnte Melania Trump Donald Trumps harte Haltung in der Abtreibungsfrage abmildern. Mit dieser liberalen Frau an der Seite wird er womöglich für viele Frauen wählbarer.

Sie sei nicht immer mit Donald einer Meinung, betont Melania Trump an mehreren Stellen, wie auch nicht mit seinen erwachsenen Kindern, zu denen sie «bedeutsame Beziehungen» aufgebaut habe. Sie anerkenne aber, «dass unterschiedliche Sichtweisen ein natürlicher Aspekt menschlicher Beziehungen sind». Wieder ein Satz, der mehr verschleiert, als er deutlich macht.

Dorthin, wo es weh täte, geht sie nicht. Ebenso kryptisch äussert sie sich zum Sturm aufs Capitol. Sie verurteilt die Gewalt am 6. Januar 2021 zwar vage. Gewalt sei nie die Lösung. Gleichzeitig schreibt sie: Man könne nicht tagelang Stimmen auszählen, wie es gemacht worden sei in dem Chaos, das geherrscht habe. «Viele Leute haben bis heute Zweifel an der Wahl. Ich bin nicht die einzige Person, die die Ergebnisse infrage stellt.»

Dabei erzählt die Autorin auch ausführlich von den vier Jahren im Weissen Haus. Die langen Passagen darüber, wie sie einen neuen Tennispavillon bauen liess, den Rosengarten bestellte oder den Teppich für das Oval Office mitdesignte, langweilen zwar. Sie stellt sich aber in keiner Weise als Leidende dar, wie es viele in sie projizieren. Da sind die Amtsreisen mit Donald Trump. Die Begegnung mit dem Papst, die «reizende Kameradschaft» mit Brigitte Macron. In Saudiarabien bedauert sie die Frauen, von denen sie so wenige auf der Strasse sieht. In China, wo es zwar «weniger Freiheit» gibt, beeindruckt sie die Arbeitsdisziplin und Höflichkeit der Leute.

In Israel findet sie in Sara Netanyahu eine Verbündete. Diese habe sie beim Staatsbesuch 2017 mit den Worten empfangen: «Die Medien hassen uns, aber die Leute lieben uns.» Das hätten sie gemeinsam, habe sie, Melania, geantwortet.

Den Beweis sah sie kurz darauf erbracht. Als Benjamin und Sara Netanyahu mit den Trumps den roten Teppich abschritten, wollte Donald Trump Melanias Hand ergreifen, doch sie stiess sie weg. Die Medien sahen darin das Zeichen einer Ehekrise. Die Medien würden noch die unbedeutendste Geste überinterpretieren, nervt sich Melania Trump. Dass sie Trumps Hand ausgeschlagen habe, sei daran gelegen, dass der Teppich zu schmal gewesen sei für vier Leute, die nebeneinander gegangen seien.

Auch den Grund, weshalb sie eine Jacke mit der Aufschrift «I Really Don’t Care. Do U?» trug, als sie Migrantenkinder in Texas besuchte, erklärt sie: Es war eine Botschaft an die Medien, damit aufzuhören, jede ihre Handlungen zu bewerten, und zwar negativ. «Ihre Kritik würde mich nie stoppen, das zu tun, was ich für richtig halte.»

In anderen Fällen ging sie gerichtlich gegen Journalisten vor. Etwa als Zeitungen während des Wahlkampfs 2016 Nacktfotos von ihr veröffentlichten oder behaupteten, sie habe als Escort gearbeitet. Vor allem aber hat sie der Wunsch, ihren heute 19-jährigen Sohn zu schützen, gegen die Medien aufgebracht. Als er 10 war, kursierten in den sozialen Netzwerken Gerüchte, Barron sei autistisch. Er wurde verspottet und verhöhnt. Das bewog Melania Trump zu einer ihrer wichtigsten Kampagnen, gegen Cybermobbing von Kindern.

Kritisiert als «schamlose Schönfärberei»

Melania Trumps leicht lesbare, reich bebilderte Memoiren enthalten das Erwartbare. Erwartbar sind aber auch die Reaktionen darauf: hämisch und herablassend. Das Buch sei schlank, wie es sich für ein ehemaliges Model gehöre, schrieb die «New York Times». In einem zweiten Artikel der Zeitung, so viel Ehre gibt es dann doch für die ehemalige First Lady, heisst es, ihr Buch sei eine «schamlose Schönfärberei». Melania Trump trage dieselben Klagen vor wie ihr Mann, bloss «modisch gekleidet».

Sie schliesst ihr Buch mit ihrem öffentlichen Statement nach dem Attentat auf Donald Trump im Juli ab, in dem sie zu Versöhnung und Einigkeit aufrief. Vielleicht doch noch ein Unterschied zu Donald Trump: Sie erinnert daran, was er schon wieder vergessen zu haben scheint.

Melania Trump: Melania. Skyhorse, New York 2024. 256 S., Fr. 54.90.

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