Freitag, Oktober 4

Bisher spielte Melania Trump im Wahlkampf ihres Mannes kaum eine Rolle. Sie schien die Öffentlichkeit zu meiden, so gut es ging. Die Medien munkelten, ihre Beziehung mit Donald Trump sei zerrüttet. Und nun dies: In ihren Memoiren, die nächste Woche erscheinen sollen, spricht sich die ehemalige First Lady für das Recht auf Abtreibung aus. Wie der «Guardian» am Mittwochabend berichtete, steht darin: «Die Autonomie der Frau, darüber zu entscheiden, ob sie Kinder haben will, muss zwingend garantiert sein.» Der Staat dürfe sich hier nicht einmischen. «Seit ich erwachsen bin, ist dies meine Überzeugung.»

Ihr Mann zeigt sich tolerant

Melania Trump schien kurz danach ihre Haltung zu bestätigen, indem sie im Internet ein Video veröffentlichte: «Zweifellos kann es keinen Raum für Kompromisse geben, wenn es um dieses essenzielle Recht geht, das alle Frauen von Geburt an besitzen: individuelle Freiheit.» Und auch ihr Mann Donald Trump widersprach dem Bericht des «Guardian» nicht – im Gegenteil. Er habe mit Melania darüber gesprochen und ihr gesagt: «Du musst das schreiben, woran du glaubst. Ich werde dir nicht vorschreiben, was du zu tun hast.»

Der Monat vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl ist bekannt für allerlei Überraschungen. Und dies ist nun eine solche «October Surprise». Die Frage ist nur, welches Motiv dahinter steckt: Konnte Trump seine Frau einfach nicht daran hindern, obwohl sie mit ihrer Position im Prinzip ihren Mann und seine Partei – die Republikaner – kritisiert? Trump hat in seiner ersten Amtszeit drei konservative Richter für den Supreme Court nominiert. Damit ermöglichte er, dass das Oberste Gericht vor zwei Jahren das verfassungsmässige Recht auf Abtreibung kippte. «Ich bin stolz darauf», sagt Trump bis heute zu dieser Leistung.

Eine Beruhigungspille für unsichere Wählerinnen?

Oder handelt es sich bei Melanias Äusserungen am Ende um einen genialen politischen Schachzug? Im Wissen darum, wie unpopulär die Entscheidung des Supreme Court ist, hat Donald Trump in der Abtreibungsfrage einen Mittelweg eingeschlagen. Jeder Gliedstaat solle selbst über dieses Recht entscheiden. Sollten die Republikaner im Kongress ein landesweites Abtreibungsverbot verabschieden, würde er als Präsident das Veto einlegen, gelobt Trump.

Diesen Worten könne man nicht trauen, sagen jedoch die Demokraten. Der republikanische Präsidentschaftskandidat werde letztlich ein nationales Verbot unterzeichnen. Melania könnte nun unsichere Wähler und vor allem Wählerinnen davon überzeugen, dass ihr Mann nicht so extrem ist und sie ihn zur Not auch mässigen würde.

Vielleicht steckt aber auch nur ein ausgeprägter Geschäftssinn dahinter – eine bewusste Provokation, um die Buchverkäufe anzukurbeln und das mediale Interesse zu steigern. Kürzlich bat CNN den Buchverlag um ein Interview mit Melania Trump. Dieser verlangte eine Gage von 250 000 Dollar. CNN lehnte ab, und der Verlag sprach von einem internen Kommunikationsfehler. Zuletzt sprach Melania zwei Mal mit dem konservativen Sender Fox News, wobei sie nur Gutes über ihren Mann zu berichten hatte. Nun darf man auf das erste Interview der ehemaligen First Lady zum Recht auf Abtreibung gespannt sein.

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