Sonntag, November 24

Die zweite Generation des dynamischen Zweisitzers beeindruckt mit Leistung und einer langen Motorhaube. Daraus ergeben sich jedoch Nachteile bei der Handlichkeit.

Gegenüber dem ersten GT hat Mercedes das Sportcoupé noch dynamischer ausgestaltet und dank neuen Technologien wie Allradlenkung und Wankstabilisierung auf den neusten Stand der Fahrwerkstechnik gebracht. Damit er noch besser als Konkurrent des Porsche 911 auftreten kann, ist der Innenraum des AMG GT nun grösser, selbst Rücksitze gibt es nun auf Wunsch.

Auffällig ist vor allem der nochmals gewachsene Grill, der jetzt im unteren Bereich noch ausladender wirkt. Erscheint der Wagen im Rückspiegel anderer Verkehrsteilnehmer, sorgt er so für noch mehr Respekt als bisher.

Geblieben ist die Proportionierung des Wagens, der weiterhin über eine lange Fronthaube verfügt, um dem V8-Motor mit zwei Turboladern und allen Zusatzaggregaten Platz zu bieten. Kurz ist weiterhin der hintere Überhang der Karosserie, auf der ein fest montierter Heckflügel für Abtrieb an der Hinterachse sorgt.

Der Testwagen ist mit einer Reihe von aufpreispflichtigen Optionen ausgestattet, von denen das Carbon-Exterieurpaket (4973 Franken), die Mattlackierung in Spektralblau Magno (7699 Franken) und das High-End-Soundsystem von Burmester (4291 Franken) die grössten Brocken darstellen. Insgesamt enthält der Wagen Optionen zum Preis von 37 136 Franken, womit der Kaufpreis des Autos auf gut 241 000 Franken klettert.

Interieur

Im gut verarbeiteten Innern fühlt man sich rasch wohl, die Schalensitze bieten viel Seitenhalt und schmiegen sich perfekt an den Körper; dies allerdings nur auf den Vordersitzen. Die hinteren Sitzflächen (1850 Franken extra) sind sehr knapp geschnitten und eignen sich nur für kurze Mitfahrten von Menschen mit einer Körpergrösse bis 1,50 Meter – also in erster Linie Kinder.

Gelungen ist der Mix aus analogen und digitalen Bedienelementen, auch wenn die berührungsempfindlichen Flächen auf den Lenkradspeichen nicht immer einfach zu bedienen sind. Gewöhnungsbedürftig ist auch das Display vor dem Lenkrad, das einen 3-D-Effekt simuliert.

Set-up

Auf der Fahrt fällt rasch die ausgeklügelte Gewichtsverteilung des GT auf, die ein neutrales Fahrverhalten ermöglicht. Diese Balance ist auch nötig, denn die lange Fronthaube erlaubt dem Fahrer nur eine eingeschränkte Einschätzung des Vorderwagens. Dies erschwert die Fahrt in Kurven etwas, doch der Allradantrieb entlastet dieses Problem mit hoher Spurtreue in den gefahrenen Bögen.

Hilfreich ist bei dynamischer Fahrt zudem die aktive Aerodynamik. Dies bedeutet, dass je nach Fahrmodus und -situation Karosserie-Elemente automatisch ausgefahren werden, um den Anpressdruck an Vorder- und Hinterachse zu verbessern. Dazu gehören ein um 40 Millimeter herunterfahrender Frontspoiler und der in fünf verschiedenen Winkeln anstellbare Heckflügel.

Für weitere Verbesserung des Fahrverhaltens sorgt die aktive Wankstabilisierung, die dank Hydrauliksystem der Seitenneigung in Kurven entgegenwirkt und den Wagen auch in der Längsachse waagrecht hält. So erhalten die 21 Zoll grossen Räder jederzeit optimalen Fahrbahnkontakt.

Zusätzlich sorgt eine Hinterachslenkung für weitere Stabilität in schnell gefahrenen Kurven. Da rutscht und driftet nichts, wenn der Fahrer nicht über die Grenzen der Physik hinauszugehen versucht. Ein Sperrdifferenzial an der Hinterachse stabilisiert den Wagen zusätzlich.

Antrieb

Der in der Testwagenversion GT 63 verwendete Vier-Liter-Motor mit acht Zylindern und doppelter Turboaufladung leistet 585 PS. Das ist für den Alltag mehr als genug. Auf der Passstrasse zeigt sich die Souveränität, die sich durch die Leistung und das Drehmoment im Überfluss ergibt, besonders deutlich. Doch wäre auch die Variante GT 55 mit 476 PS potent genug, um dem ausgereiften Technikpaket zu adäquatem Vortrieb zu verhelfen.

Hilfreich ist das sehr spontane Ansprechverhalten des Gaspedals, das bestens zur direkt ausgelegten Lenkung und zum fein abgestimmten Doppelkupplungsgetriebe mit neun Stufen passt und eine sportlich-agile Fahrt ermöglicht.

Doch passt der je nach Drehzahl derbe Klang der Auspuffanlage nicht mehr so ganz in die heutige Zeit. Das Brüllen des V8 ist vor allem im Sportmodus weitherum eindrücklich zu vernehmen. Auf einer Rennstrecke mag dies adäquat sein, sonst aber führt diese Art der Extrovertiertheit zumindest beim Beifahrer mitunter zu Fremdschäm-Attacken.

Ökonomie

Dass ein V8-Motor mit vier Litern Hubraum und zwei Turbos kein Sparantrieb ist, merkt man spätestens an der Tanksäule. Nach Werksangaben gemäss WLTP-Messzyklus kommt der GT 63 im Schnitt mit 14,1 Litern je 100 Kilometer aus. Wir lagen allerdings vier Liter höher, was mit der häufigen Erprobung des Beschleunigungsvermögens dieses Sportcoupés zusammenhängen mag. Ein solcher Verbrauch scheint ebenfalls etwas aus der Zeit gefallen zu sein, noch dazu bei einem neu entwickelten Fahrzeug. Das kann die Konkurrenz besser, mit oder ohne Teilelektrifizierung in Form von Mildhybrid-Systemen.

Fazit

Es bleibt eine Frage der Antriebsphilosophie. Der Mercedes-AMG GT 63 ist ein Sportcoupé mit enormer Kraft, die unter der Fronthaube entwickelt und an alle Räder abgegeben wird. Sein Gegenspieler ist der Porsche 911 Turbo mit ähnlich viel Leistung, jedoch weniger Verbrauch. Der aber verfügt über einen Motor im Heck und eine kürzere Front, was ihn je nach Geschmack noch fahrbarer macht. Aber er ist auch fast
40 000 Franken teurer als der Mercedes.

Mit seiner langen Motorhaube und dem ausladenden Grill gehört der AMG GT zu den auffälligeren Zweisitzern im Strassenverkehr, und Gleiches gilt für die auffällige Klangkulisse. Wer also gerne zeigt, was sein Fahrzeug kann, ist mit dem Mercedes-Sportler gut bedient. Und was er beim Anschaffungspreis gegenüber einem Porsche 911 einspart, gibt er erst tröpfchenweise an der Tankstelle wieder aus. Wie schon das Erscheinungsbild ähnelt auch diese Eigenschaft der eines amerikanischen Muscle-Car.

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