Donnerstag, Februar 20

CEO Ola Källenius hat sich mit seiner Luxusstrategie vergaloppiert, dem Autobauer stehen harte Jahre bevor. Eine Umkehr dürfte auch der Investorentag am Donnerstag nicht bringen. Wer Autoaktien will, sollte BMW wählen.

Mercedes-Benzʼ Bilanzvorlage steht unter dem Stern eines rigiden Sparkurses. Für die mit einem Investorentag kombinierte Pressekonferenz am Donnerstag war dem selbsternannten Luxusautohersteller die Anmietung der Carl-Benz-Arena in Stuttgart zu teuer, die viele Jahre als Veranstaltungsort diente. Stattdessen lädt er in das viel kleinere Kundencenter beim Hauptwerk in Sindelfingen. Dort ist der Platz knapp, viele Medienvertreter müssen draussen bleiben.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

Themarket.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Hat Mercedes im Coronaboom 2021/2022 die Preise so stark erhöht wie kein anderer Premiumhersteller, spart man jetzt härter als viele andere. BMW leistet sich noch Präsenzveranstaltungen für die Medien. Der Münchner Autobauer stellt demnächst im Werk in München-Moosach den Stand der Vorbereitungen für seine «Neue Klasse» vor, den Hoffnungsträger der künftigen E-Auto-Ära. Trotz Krise zieht BMW die Strategie durch.

Mercedes-Chef Ola Källenius dagegen rudert ein ums andere Mal zurück. Aus seiner Luxus- und Electric-only-Strategie ist schon «Electric first» geworden. Seine 2022 an der Côte d’Azur vorgestellten luxuriösen Margenversprechen («The Economics of Desire») wird der CEO am Donnerstag kassieren.

Bisher gab Mercedes die Ziele für die Ebit-Marge des Autogeschäfts in «Wetterszenarien» aus. Demnach sollte das Autogeschäft bei «sonnigem Wetter» (günstigen Marktbedingungen) über 14% Ebit-Marge, bei «bewölktem Wetter» 12% und bei «Regenwetter» 8 bis 10% verdienen. Mit nur noch 4,7% war die Marge im dritten Quartal 2024 aber weit unter alle Ziele gefallen und wird laut Analystenkonsensus im Gesamtjahr 2024 mit 8,9% im schwächsten Szenario liegen.

Mercedes-Automarge fällt in «regnerisches» Territorium

Was Analysten und Investoren vom Kapitalmarkttag erwarten:

  • Margenziele: Deutsche-Bank-Analyst Tim Rokossa rechnet mit einer Senkung der drei Ziele um je zwei Prozentpunkte. Für sinnvoller hält er es allerdings, die Wetterszenarien («unrealistisch») abzuschaffen und ein einziges mittelfristiges Margenziel auszugeben.
  • Kosten: Der Konzern wird den grössten Fokus auf Kosten legen und Kapazität reduzieren. Angekündigt ist das Programm «Next Level Performance», das bis 2027 5 Mrd. € dauerhaft einsparen soll – die Hälfte davon bereits in diesem Jahr. Die Kosten im US-Werk in Tuscaloosa, Alabama, sollen um 25% sinken. Kürzungen in China sind ebenfalls budgetiert. Die relativ kleinen Fabriken in Mexiko und Südafrika könnten geschlossen werden.
  • Modellpolitik: Da der Verkauf von E-Autos in Europa hinter den Erwartungen zurückbleibt und Mercedesʼ separat geführte EQ-Elektroreihen floppten, muss der Konzern für die Weiterentwicklung seiner Verbrenner und E-Modelle nachinvestieren.
  • Dividende: Analysten rechnen mit einer Kürzung auf 4 € je Aktie, gegenüber 5.30 € im Vorjahr.

Das Kernproblem: Die Strategie stimmt nicht

Mercedesʼ Kernproblem ist die überzogene Luxusstrategie – von der Källenius und sein CFO Harald Wilhelm nur in Trippelschritten abrücken. «Mercedes ist im Update des Updates der Strategie», kritisiert Moritz Kronenberger, Fondsmanager von Union Investment. Statt wie 2022 angekündigt ab 2030 möglichst nur noch E-Mercedes zu verkaufen, plant Källenius ab 2030 nun mit je 50% Verbrennern und E-Autos.

Eigentlich wollten Källenius und Wilhelm den Absatzanteil des hoch profitablen Topsegments – also S-Klasse, G-Klasse, Maybach und AMG inklusive entsprechender E-Fahrzeuge – kräftig ausweiten, um das Margenniveau zu erhöhen. Stattdessen fielen die Auslieferungen der Topfahrzeuge 2024 um 14% und damit so stark wie die Verkäufe im unteren Segment, also A-, B-Klasse und Smart. A- und B-Klasse wollte Mercedes eigentlich sogar 2025 einstellen, was man letztlich aber verschoben hat. Die Absatzstatistik 2024 rettete das Core-Segment aus C- und E-Klasse (+6%), das mehr als die Hälfte des Mercedes-Absatzes ausmacht.

Källeniusʼ Plan lässt ausser Acht, dass der Autobauer die kleineren Modelle für die Auslastung der Fabriken braucht. Seit jeher half die A-Klasse bei der Deckung der Fixkosten, die satten Margen aber verdienten die Topmodelle. Inzwischen jedoch sei die Abhängigkeit Mercedesʼ von der S-Klasse «exzessiv», kritisiert Deutsche-Bank-Analyst Rokossa.

Mercedes› Ebit-Marge hängt am S-Klasse-Absatz

Rokossa schätzt den Gewinnbeitrag der S-Klasse auf mehr als 2 Mrd. €. Wenn ein Modell wie der EQS, die Elektroversion der S-Klasse, floppt, schlägt das umso stärker durch. Der Absatz ist seit Jahren unter Druck.

Kapazität hat Mercedes trotzdem bisher nur wenig abgebaut. Das unterscheidet den Autobauer von Luxuskonzernen, die mit bewusster Verknappung des Angebots ihre Preise hoch halten. Mercedes konnte die Preise zwar auch stark und sogar deutlich stärker als die Konkurrenz erhöhen.

Mercedes hat die Preise stärker erhöht als BMW und Audi

Nachhaltig ist diese Preispolitik indes kaum. Vielmehr hat Mercedes die Chipkrise massiv ausgenutzt: Die knappen Chips wurden vor allem in E- und S-Klasse verbaut und die knappen Fahrzeuge teuer losgeschlagen. Der Preis eines Pkw lag nach Deutsche-Bank-Berechnung zuletzt im Schnitt 25ʼ000 € über dem eines vergleichbaren BMW – eine «übermässig hohe Prämie», kritisierte Analyst Rokossa. 2023 geisselten Mercedesʼ Händler das Geschäftsmodell als «giergetrieben».

Der Markt in China bricht weg

Der Marktanteil aller deutschen Autobauer in China sei seit 2018 von 23 auf 18% zugunsten heimischer Anbieter gesunken, schreiben die Unternehmensberater von Alix Partners.

2024 schnitt Mercedes in China im Vergleich mit BMW und Audi noch am besten ab: Der China-Absatz sank um 7% auf 683ʼ600 Fahrzeuge, gegenüber –13% bei BMW und –11% bei Audi. Die Auslieferungen in der Volksrepublik machten noch gut ein Drittel aller verkauften Mercedes aus. Damit haben die Stuttgarter in diesem zunehmend umkämpften Markt noch viel Luft nach unten.

«Der Verkauf luxuriöser Verbrenner in China war seit jeher Mercedesʼ Brot-und-Butter-Geschäft – doch das bricht jetzt weg», sagt Ingo Speich, Leiter Governance und Nachhaltigkeit bei Deka Investment. «Die E-Modelle EQE und EQS bleiben in China bisher deutlich hinter den Erwartungen.»

Obendrein trifft der Rückgang die importierten High-End-Fahrzeuge mit den höheren Margen überproportional, zuletzt waren nur noch 16% von Mercedesʼ in China verkauften Autos Importe. Mercedesʼ Verkäufe aus lokaler Produktion sind im Vergleich dazu weniger lukrativ.

Chinas Autobranche gewinnt Marktanteile auf breiter Front

Bei E-Autos bleibt Mercedes hinter BMW zurück

2024 ist die Nachfrage nach E-Modellen ins Stocken geraten, allerdings nicht bei jedem Hersteller. Während Mercedes 23% weniger batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) auslieferte als 2023, legte der BEV-Absatz bei BMW 2024 um 13,5% zu. Mit 426ʼ600 reinen E-Autos verkauften die Münchner deutlich mehr als Mercedes (185ʼ100) und Audi (164ʼ000) zusammen. Die E-Autos von BMW sind schon jetzt attraktiver als die der Konkurrenz, die «Neue Klasse» verspricht ab Herbst zusätzlichen Auftrieb.

Damit scheint BMW Mercedes Jahre voraus. «Anders als Mercedes hat BMW einen klaren Plan zur Margenparität», sagt Union-Fondsmanager Kronenberger. Margenparität, dass also Verbrenner und E-Autos gleich hohe Margen erzielen, ist derzeit der «Heilige Gral» der Autobranche. Damit spielt es aus Herstellersicht keine Rolle mehr, ob Regierungen die Umstellung auf E-Autos gerade mehr oder weniger forcieren und wie Verbraucher agieren.

BMW hat angekündigt, mit der von Grund auf neu entwickelten «Neuen Klasse» Margenparität zu erreichen. «Im ungarischen Werk in Debrecen, wo im vierten Quartal die Fertigung des elektrischen iX3 startet, soll dies bei Vollauslastung geschafft werden», sagt Kronenberger. 2026 sollen drei weitere Modelle in Produktion gehen.

«Sobald alle vier Modelle in der Volumenphase sind, sollte die Margenparität erreicht werden», sagt Kronenberger. «Von da an ist BMW agnostisch, ob E-Autos oder Verbrenner bestellt werden. Das ist der Moment, auf den alle etablierten Autohersteller hinarbeiten müssen.» Seine Forderung an den Mercedes-CEO: «Källenius muss zeigen, wie seine Elektroautos so profitabel werden können wie Verbrenner.»

Viele am Markt glauben CEO Källenius – noch

Der Aktienkurs spiegelt Mercedesʼ strategischen Rückstand bisher nicht, auf den The Market bereits vergangenen Juli hingewiesen hat. Binnen eines Jahres haben Mercedes mit –9% nur halb so viel an Wert verloren wie BMW, während der Dax-Kursindex um rund 30% zugelegt hat.

Der Markt bevorzugt Mercedes dank einer bisher überlegenen Cashgenerierung und grosszügiger Ausschüttungspolitik. Seit 2023 hat der Konzern eigene Aktien für 6,8 Mrd. € zurückerworben. Über Dividenden flossen 2024 weitere 5,5 Mrd. € an die Aktionäre. Der laufende BMW-Rückkauf umfasst von 2023 bis Ende 2025 nur 2 Mrd. €.

Der Fondsanbieter Flossbach von Storch hat in beide Autobauer je 2,5% seines Flaggschifffonds Multiple Opportunities investiert. «Der dritte Versuch beim Launch von E-Modellen muss sitzen, aber das trauen wir dem Management um Källenius zu», sagt Co-Portfoliomanager Simon Jäger. Der Stern bleibe attraktiv, «Begehrtheit entsteht über lange Zeit».

Die Bewertung aller Autohersteller ist wegen der hohen Unsicherheit über den künftigen Cashflow optisch günstig, von einer Luxusbewertung ist Mercedes weit entfernt.

Einige Analysten, etwa von UBS, Jefferies und Berenberg, haben seit Dezember ihren Favoriten gewechselt und sind von Mercedes auf BMW geschwenkt. Die Münchner haben zuletzt so viel investiert wie noch nie. Deshalb und wegen eines teuren Bremsenrückrufs prognostiziert BMW für 2024 nur gut 4 Mrd. € (Vorjahr: 6,9 Mrd. €) freien Cashflow aus dem Autogeschäft, während Analysten für Mercedes 8,5 Mrd. € (11,3 Mrd. €) erwarten.

Jäger von Flossbach von Storch schätzt, dass «Mercedes und BMW mittelfristig im Autogeschäft jährlich einen mittleren bis hohen Milliardenbetrag an Cash verdienen können». Bezogen auf den aktuellen Börsenwert sei das eine hohe Cashrendite.

Wie sicher kommt der künftige Cashflow?

Die Kernfrage ist allerdings: Wie sicher ist Mercedesʼ künftiger Cashflow? Der Investitionsplan basierte bisher darauf, den E-Auto-Anteil bis 2030 auf 100% zu erhöhen und die Verbrenner nicht mehr weiter zu entwickeln. Hier muss der Konzern ebenso nachinvestieren wie bei den E-Modellen. Während bei BMW der Höhepunkt der Anlageinvestitionen 2024 überschritten wurde, steht er bei Mercedes noch bevor.

Bei Mercedes steht der Peak der Kapitalausgaben noch bevor

Hinzu kommen mögliche Belastungen aus US-Zöllen und Strafzahlungen an die Europäische Union wegen Verfehlens der CO2-Flottengrenzwerte. UBS-Analyst Patrick Hummel erwartet, dass Mercedes 2025 und 2026 wie BMW Automargen von nur noch 6,5 bis 7% verdienen wird.

Wegen des E-Rückstands könnte die Durststrecke bei Mercedes auch noch länger dauern. «In der E-Mobilität ist Mercedesʼ Marge noch auf Jahre unterdurchschnittlich», prognostiziert Union-Fondsmanager Kronenberger. «Die Cashrenditen werden die nächsten zwei bis vier Jahre mau ausfallen. Und wer kann sicher sagen, dass der Free Cashflow nicht in drei Jahren negativ ist?» Unions grösster Fonds Uni Global hält derzeit kaum Autoaktien.

Notwendig wäre, dass Mercedes die Strategie fundamental ändert. «Luxus ja, aber auch in den unteren Segmenten, um die Fixkosten zu decken», erklärt Kronenberger. «Mercedes müsste zudem die Kapazität radikal von 2 Mio. auf 1,5 Mio. Fahrzeuge reduzieren und sich vom Antriebsstrang unabhängig machen. Mit Källenius und Wilhelm wird die Umkehr allerdings nicht kommen.»

Engagement der Berater von FGS ist ein Verkaufssignal

Statt gegenzulenken, lassen sich die Mercedes-Oberen von FGS Global mit Deutschlands oberstem CEO-Flüsterer Alexander Geiser an der Spitze kommunikativ beraten. «Sobald Geiser engagiert ist, um mit Nebelkerzen und Storytelling von Problemen im Kerngeschäft abzulenken, ist das ein klares Verkaufssignal», verlautet aus Investorenkreisen.

Für die gefallenen Dax-Grössen Volkswagen, Bayer, Deutsche Bank, Commerzbank und den ehemaligen Dax-Konzern ThyssenKrupp ist FGS seit Jahren, teils über ein Jahrzehnt lang, tätig. Die von FGS mitgestalteten Storys tragen dazu bei, dass sich schwache CEO zu lange halten und falsche Strategien zu lange durchgezogen werden. Aus Aktionärssicht wird so Wert vernichtet.

Wenn die Strategie passt wie bei SAP, Münchener Rück oder BMW, braucht es keine professionell verdrehten PR-Geschichten, um Öffentlichkeit und Aufsichtsräte einzulullen.

Auch dank FGS könnten sich Källenius und Wilhelm länger halten, als es für Mercedesʼ Unternehmenserfolg gut ist. Trotz des Appeals des Sterns und aktionärsfreundlicher Ankündigungen am Investorentag sollten Anleger einen Kauf von Mercedes auf die lange Bank schieben beziehungsweise bei Mercedes-Aktien im Portfolio auf BMW wechseln.

Exit mobile version