Die erste Geländewagen-Baureihe von Mercedes heisst seit fünfzig Jahren G-Klasse und wurde bei gleichem Grundkonzept über die Jahre verfeinert. Ob auch die jüngste Variante mit Elektroantrieb das Gelände-G im Namen verdient, zeigt der NZZ-Test.
Die Elektro-Variante der Mercedes-G-Klasse trägt den sperrigen Namen G 580 mit EQ-Technologie. Damit will der Hersteller verdeutlichen, dass es sich beim Geländewagen-Urgestein mit Stromantrieb noch immer um den fast archaisch anmutenden Offroader mit Leiterrahmen-Chassis handelt, wie er vor genau 51 Jahren erstmals auf den Markt kam. Nur verfügt er über einen ins historische Konzept eingebetteten E-Antrieb, der spezifisch für hohe Ansprüche an die Geländefähigkeit der G-Klasse ausgelegt ist. Er darf nicht EQG heissen, da er nicht von Anfang an als Elektroauto konzipiert ist, sondern auf dem historischen Fahrzeug aufbaut.
Optisch zu erkennen gibt sich der G 580 durch einen mit LED-Leuchtenband eingefassten Frontgrill und eine rechteckige Ersatzrad-Schale an der Hecktür, die zweifarbig lackiert ist. Sonst aber ist es beim rustikalen Look mit aufgesetzten Blinkern und robusten Türgriffen im Stil der 1970er Jahre geblieben.
Der Testwagen ist in der Ausführung Edition One (47 900 Franken Aufpreis) mit einem reichhaltigen Paket von Optionen ausgerüstet. Dazu gehören unter anderem 20-Zoll-Speichenräder, Karosserie-Schutzelemente aus Edelstahl, Schiebedach und Burmester-Soundsystem. Als weitere Option ist ein zusätzliches Entertainment-System mit Bildschirmen für die Fondpassagiere eingebaut (3436 Franken). Insgesamt beträgt der Testwagenpreis gut 214 000 Franken.
Interieur
Innen fällt rasch auf, dass der G 580 noch auf dem fünfzig Jahre alten Konzept mit steilem Armaturenträger und geringer Distanz zur Frontscheibe aufbaut. Der Komfort der Sitze entspricht dem heutigen Standard, die Bedienung erfolgt vor allem über berührungsempfindliche Tasten auf dem zentralen Touchscreen und auf den Lenkradspeichen.
Übersichtlich ist das Infotainment-Menu für Offroad-Funktionen, das auch von den Fondpassagieren betrachtet werden kann. Es liefert optische Angaben zu den angetriebenen Rädern, der gewählten Übersetzung und dem jeweiligen Neigewinkel des Geländes.
Set-up
Der G 580 ist zwar ein Offroad-Fahrzeug erster Güte, das es mit anderen Geländewagen-Grössen wie Land Rover Defender, Jeep Wrangler, Toyota Land Cruiser und Ineos Grenadier problemlos aufnehmen kann. Doch auch auf der Fahrt über Landstrassen ist die elektrische G-Klasse dank adaptivem Fahrwerk komfortabel und meistert auch Querrillen und selbst Schlaglöcher souverän.
Die Lenkung spricht rasch auf Bewegungen am Steuerrad an, was für sportlichere Fahrten hilfreich, aber vor allem in schweren Geländepartien für das Überwinden komplexer Hindernisse nützlich ist.
Antrieb
Mercedes hat beim G 580 technologisch aus dem Vollen geschöpft. Vier Elektromotoren sorgen für Antrieb an jedem Rad, die Elektronik mit variabler Momentenverteilung ermöglicht jederzeit genügend Traktion. Das Getriebe bietet eine Geländeuntersetzung für Steigungen bis zu 100 Prozent.
Gerne verweist der Hersteller auf die beiden Technikschmankerl namens G-Steering und G-Turn. Dabei arbeiten die E-Motoren so, dass sich der Wendekreis deutlich verkleinert oder sogar ein Wenden im Stand möglich wird. Nachprüfen liessen sich diese Fähigkeiten im Test jedoch nicht. Die Nutzung beider Funktionen ist auf öffentlichen Strassen nicht zulässig, weil der rüde Umgang der Reifen mit dem Asphalt zu Belagsschäden führen kann. Aber auch die Reifen leiden dabei, noch viel schlimmer als beim Lenken mit stehendem Auto. Die Funktionen sind für enge Manöver im Gelände gedacht.
Eine Batterie mit 112 Kilowattstunden nutzbarer Kapazität dient als grosszügiger Stromspeicher. Sie lässt sich an der Wallbox mit bis zu 11 Kilowatt Wechselstrom-Ladeleistung aufladen, etwa über Nacht. An der Schnellladestation wird mit bis zu 200 kW Gleichstrom geladen, etwas wenig für ein Fahrzeug dieser Preisklasse. Das Aufladen von 10 auf 80 Prozent dauert 32 Minuten – beim heutigen Stand der Technik ist das zu langsam.
Ökonomie
So viel Kraft aus vier Motoren bei einem Fahrzeug-Leergewicht von mehr als drei Tonnen kostet Energie. Die ist zwar reichlich vorhanden, doch reicht sie gemäss Werksangabe nur für durchschnittliche Reichweiten von um die 450 Kilometer. Wir verbrauchten bei kühlem Wetter mit durchschnittlich 29,4 Kilowattstunden je 100 Kilometer etwa das, was Mercedes als Normverbrauch angibt. Wer sportlichere Fahrten liebt, dürfte eher mit um die 40 kWh und entsprechend geringeren Reichweiten rechnen müssen.
Fazit
Ein Elektroauto, das im Gelände alles kann, ist noch selten auf dem Markt. Land Rover reicht bald einen elektrischen Range Rover nach, der M-Hero von Dongfeng hingegen ist kaum ein Konkurrent für den ausgereiften Mercedes-Offroader. Doch stellt sich bei einem Leergewicht von mehr als drei Tonnen die Sinnfrage, die schon beim Tesla Cybertruck aufkam. Für einen Stromer ist das des Guten zu viel – hier wäre ein Verbrenner mit nur wenig Mildhybrid-Elektrokraft und weniger Gewicht vielleicht tauglicher.
Daher raten wir vom G 580 EQ Technology ab und empfehlen stattdessen einen G 450 mit Dieselmotor und Mildhybrid. Der wiegt 500 Kilogramm weniger und kostet knapp 10 000 Franken weniger. Und das Wenden im Stand braucht in der Praxis ohnehin kaum jemand.