Samstag, Januar 18

Dank den tiefen Zinsen haben die Mieter viel Geld gespart. Doch das Modell passt nicht mehr zur Realität und soll revidiert werden. Was heisst das für die Mieter?

Die Mieter in der Schweiz schwanken permanent zwischen Jubel und Wehklagen. Im Jahr 2023 herrschte Tristesse, weil der Referenzzinssatz zweimal um 25 Basispunkte anstieg. Das verteuerte die Mieten um je 3 Prozent. Dafür ist im kommenden März wieder Freude angesagt: Am nächsten Stichtag sinkt der Satz höchstwahrscheinlich, womit auch die Mieten günstiger werden.

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Angesichts der über 40 Milliarden Franken, welche die Haushalte jedes Jahr für Mieten ausgeben, hinterlassen diese Preisausschläge erhebliche Spuren im Portemonnaie. Doch hat dieses Modell, welches aus den 1980er Jahren stammt, überhaupt noch Sinn? Und vor allem: Ist es fair gegenüber den Mietern und Vermietern?

Diese Fragen hat die Immobilienberatungsfirma IAZI im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen untersucht. Ende Dezember hat der Bundesrat die Studie veröffentlicht und gleichzeitig mitgeteilt, er wolle aufgrund der Ergebnisse die Berechnungsregeln überarbeiten. Voraussichtlich in diesem Frühjahr werde er über die konkrete Anpassung der geltenden Verordnung entscheiden.

Aufstieg der Pensionskassen

Welche Neuerungen könnten damit auf die Mieter zukommen? Donato Scognamiglio ist Verwaltungsratspräsident der Firma IAZI und Co-Autor der Studie. Zudem ist er Professor an der Universität Bern. Er sagt: «Das heutige Mietzinsmodell steht völlig quer in der Landschaft und entspricht nicht mehr der wirtschaftlichen Realität.» Insbesondere das Profil der Vermieter habe sich stark verändert: Private werden immer mehr abgelöst durch institutionelle Eigentümer, also Pensionskassen, Versicherungen oder Immobilienfonds.

Diese neuen Vermieter haben eine komplett andere Finanzierungsstruktur, wie die IAZI-Studie zeigt. Die Auswertung basiert auf Tausenden Objekten mit einem Marktwert von 90 Milliarden Franken. Demnach finanzieren sich die Profi-Investoren kaum über Kredite. Das Fremdkapital macht nur 24 Prozent aus. Der Anteil des Eigenkapitals dagegen erreicht 76 Prozent – hierbei handelt es sich primär um Gelder von Sparern und Versicherten.

Das bestehende Mietzinsmodell jedoch rechnet ganz anders: Es geht davon aus, dass die Vermieter ihre Objekte zu 60 Prozent mit Hypotheken finanzieren und nur 40 Prozent eigenes Kapital beisteuern. So ist die Formel zur Mietanpassung entstanden: In den 1980er Jahren lag der Hypothekarzins typischerweise bei 5 Prozent. Verteuerte sich dieser nun um 25 Basispunkte auf 5,25 Prozent, so entstand daraus eine Kostensteigerung von 5 Prozent. Bei einem Fremdkapitalanteil von 60 Prozent durfte der Eigentümer somit den entsprechenden Anteil von 3 Prozent auf den Mieter überwälzen.

«Für eine Pensionskasse ist dieses Modell mit dem Referenzzinssatz realitätsfern», erklärt Scognamiglio. «Weil diese zur Finanzierung ihrer Immobilien keine Hypotheken aufnimmt, sondern eigene Mittel investiert, spielt die Zinshöhe für ihre Kosten eine viel kleinere Rolle.» Nimmt man aber anstelle der 60 Prozent Fremdkapital den effektiven Anteil von 24 Prozent, so darf die Miete anstatt um 3 Prozent nur noch um 1,2 Prozent steigen, sobald der Referenzzinssatz um 25 Basispunkte nach oben geht.

Inflation verteuert die Miete

Daneben kommt als zweiter Faktor die Teuerung ins Spiel: Denn das Mietzinsmodell erlaubt es dem Vermieter, die Inflation auf dem Eigenkapital auf die Miete zu überwälzen. Heute ist die Miete zu 40 Prozent an die Teuerung gekoppelt – entsprechend dem angenommenen Eigenkapitalanteil. Hält der Vermieter jedoch mehr eigenes Kapital, so steigt folglich der Einfluss der Inflation auf die Kosten.

Was bedeutet das nun für die Mieten? IAZI hat das geltende Modell so angepasst, dass es den effektiven, höheren Eigenkapitalanteil der Vermieter berücksichtigt. Die Simulation über die letzten zehn Jahre zeigt zweierlei: Das heutige Modell führt zu starken Preisausschlägen, sowohl nach oben wie auch nach unten. Mit der revidierten Berechnung werden diese Sprünge deutlich kleiner – die Folge wäre eine Beruhigung.

Zweitens sind die Mieten mit dem bestehenden Modell weniger stark angestiegen, als dies mit der revidierten Kalkulation der Fall wäre. Dies liegt daran, dass die Teuerung heute lediglich zu 40 Prozent in die Preisentwicklung einfliesst. Das Fazit von Donato Scognamiglio lautet daher: «In einer Phase mit sinkenden oder stabilen Zinsen führen die veralteten Annahmen im Mietzinsmodell dazu, dass die Mieten tendenziell zu tief ausfallen. Somit konnten die Mieter in den letzten Jahren in Form von tieferen Preisen profitieren.»

Urs Hausmann bestätigt diese Einschätzung. Er ist unabhängiger Berater und hat an der Universität St. Gallen über das Mietrecht doktoriert. Die Anbindung der Mieten an den Referenzzinssatz habe sich bisher zum Vorteil der Mieter ausgewirkt. «Von der Sachlogik her ist eine solche Koppelung jedoch wenig sinnvoll», sagt Hausmann. Er begrüsse daher die von IAZI vorgeschlagene Systemanpassung, welche den Einfluss des Zinses reduziere und dafür der Teuerung ein grösseres Gewicht gebe.

Der Immobilienexperte erinnert daran, dass die frühere Bundesrätin Doris Leuthard schon vor über zehn Jahren die Mieten stärker an die Inflation koppeln wollte. Die Revision scheiterte im Parlament nur knapp, weil sich die Verbände der Mieter und der Hauseigentümer nicht einigen konnten, ob die Anbindung zu 80 oder 100 Prozent erfolgen sollte.

Hausmann mahnt allerdings, aus Sicht der Mieter sei es riskant, auf dem heutigen System zu beharren. Denn so wie ihnen der tiefere Referenzzinssatz in der Vergangenheit in die Hände spielte, müssten sie umgekehrt bei einem künftigen Anstieg wieder deutlich mehr bezahlen. «Üblicherweise erhöhen sich die Zinsen und die Inflation parallel. Dadurch entsteht ein doppelter Preisdruck auf die Mieten.»

Zinsanstieg als Bedrohung

Dass ein solches Szenario durchaus real ist, zeigte sich vor zwei Jahren. Viele Ökonomen sagten voraus, der Referenzzinssatz werde bis auf 2,5 Prozent klettern. Die Bank UBS prognostizierte, zusammen mit dem Effekt der Inflation könnten sich die Mieten bis im Jahr 2025 um 20 Prozent verteuern. In Wirklichkeit ist der Zins nur bis 1,75 Prozent gestiegen, und die Mieten haben sich seither um lediglich 8 Prozent erhöht. Für März ist sogar eine erneute Senkung absehbar. Aufgrund der tiefen Zinsen wäre der Moment für einen Systemwechsel günstig, betont Hausmann.

Donato Scognamiglio weist zudem auf einen weiteren Konstruktionsfehler des heutigen Modells hin. «Wenn die Nationalbank den Leitzins erhöht, will sie damit die Teuerung dämpfen. Sind die Mieten aber an den Referenzzinssatz gekoppelt, dann treiben die höheren Zinsen die Inflation im Gegenteil zusätzlich an.»

Ohnehin sollte das Mietzinsmodell einfach verständlich sein, fordert der IAZI-Präsident. «Der Referenzzinssatz stiftet unnötige Verwirrung und Unruhe. Folgt die Miete dagegen der allgemeinen Preisentwicklung, so können das die Leute viel einfacher nachvollziehen.»

Mit der Veröffentlichung der Studie hat der Bund einen ersten Schritt getan, um das Mietrecht an die heutige Zeit anzupassen. Man darf gespannt sein, ob er nun den Mut aufbringt, die erarbeiteten Vorschläge auch in die Praxis umzusetzen.

So wird gerechnet

Am 3. März publiziert das Bundesamt für Wohnungswesen den neusten Wert für den hypothekarischen Referenzzinssatz. Weil dieser voraussichtlich von 1,75 auf 1,5 Prozent sinkt, haben viele Mieter Anspruch auf eine Preisreduktion. Diese beträgt 2,91 Prozent, weil die Basis für die Berechnung 103 Prozent beträgt. (Bei einer Erhöhung macht der Schritt umgekehrt 3 Prozent aus.) Weil nicht alle Vermieter die Anpassung automatisch vornehmen, sollte der Mieter allenfalls per Brief ein entsprechendes Begehren stellen.

Dass der Mieter die volle Reduktion von 2,91 Prozent erhält, ist indes unwahrscheinlich. Denn die meisten Vermieter verrechnen eine pauschale Kostensteigerung von 0,5 Prozent pro Jahr, wobei die zulässige Höhe je nach Kanton variiert. Zudem können sie 40 Prozent der aufgelaufenen Teuerung auf den Mietpreis überwälzen. Seit der letzten Erhöhung des Referenzzinssatzes im Dezember 2023 dürfte eine realistische Mietpreisreduktion somit rund 2 Prozent betragen. Bei einer Miete von 2000 Franken im Monat würde dies immerhin 40 Franken ausmachen. (sal.)

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