Donnerstag, Mai 8

Die USA verhandeln mit dem afrikanischen Kleinstaat über die Abschiebung unerwünschter Migranten. Ein ähnlicher Plan hatte in Europa hohe Wellen geworfen.

Die amerikanische Regierung prüft offenbar einen Plan, mit dem europäische Regierungen geliebäugelt und den sie aus Kosten- und rechtlichen Gründen wieder aufgegeben hatten: Migranten in den zentralafrikanischen Kleinstaat Rwanda abzuschieben.

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Rwandas Aussenminister Olivier Nduhungirehe bestätigte am vergangenen Wochenende, was zuvor verschiedene Medien berichtet hatten. «Wir befinden uns in Diskussionen mit den USA», sagte Nduhungirehe dem staatlichen Sender Rwanda TV. Die Gespräche befänden sich noch in einem frühen Stadium.

Das sogenannte Rwanda-Modell hatte bis im vergangenen Jahr in Europa Wellen geworfen. Es sah vor, Asylsuchende nach Rwanda zu bringen, wo ihre Gesuche bearbeitet würden. Die Idee dahinter: Wenn Migranten riskieren, nach der Ankunft in Europa nach Zentralafrika abgeschoben zu werden, würde dies abschreckend wirken – und die Zahl der Ankünfte in Europa senken.

Vier Ausschaffungen, Kosten von fast 800 Millionen Franken

Vorreiterin dieses Modells war die konservative britische Regierung des damaligen Premierministers Boris Johnson. Im April 2022 hatte sie ein entsprechendes Abkommen mit Rwanda unterzeichnet. Der Plan war von Beginn an umstritten. Kritiker sagten, Rwanda sei eine Diktatur, in der Menschenrechte systematisch missachtet würden. Unabhängig davon sei das Abschieben von Asylsuchenden in Drittstaaten, zu denen sie keinen Bezug hätten und in denen sie nie zuvor gewesen seien, illegal. Ende 2023 urteilte das Oberste Gericht in Grossbritannien, Rwanda sei kein sicheres Land für Asylsuchende, der Plan widerspreche britischem und internationalem Recht.

Als Labour im Sommer 2024 die Konservativen ablöste, erklärte der neue Premierminister Keir Starmer das Rwanda-Modell an seinem ersten Amtstag für «tot und begraben». Zu dem Zeitpunkt hatte Grossbritannien nur vier Asylsuchende nach Rwanda gebracht, aber umgerechnet 787 Millionen Franken ausgegeben. Rwanda hatte 319 Millionen Franken davon erhalten, unter anderem zum Bau von Unterkünften. Rwandas Regierung weigerte sich, das Geld zurückzuzahlen.

Es ist nicht im Detail bekannt, worüber die amerikanische und die rwandische Regierung nun verhandeln. Es dürfte sich aber nicht um eine Auslagerung von Asylverfahren handeln, sondern um die Abschiebung von Migranten, die sich illegal in den USA aufhalten.

Massenabschiebungen waren eines der wichtigsten Wahlversprechen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Seine Regierung sucht nach Ländern, die bereit sind, aus den USA deportierte Migranten aufzunehmen. Fündig geworden ist Washington bisher in El Salvador, wohin es im März 238 angebliche Bandenmitglieder ausfliegen liess. Bei den meisten Ausgeschafften handelte es sich um Venezolaner. Unter ihnen war aber auch der Salvadorianer Kilmar Ábrego García, der sich legal in den USA aufgehalten hatte und dessen Fall seither sinnbildlich für die harte Migrationspolitik der Regierung Trump steht.

Rwandas Ruf ist ramponiert

Rwanda käme ein Migrationsabkommen mit den USA sehr gelegen. Das 14-Millionen-Einwohner-Land versucht sich seit längerem als afrikanischer Modellstaat zu präsentieren – als sicherer und weniger korrupt als andere afrikanische Staaten. Rwanda bietet sich dem Westen gerade als eine Art afrikanischer Dienstleister an. So kämpfen rwandische Soldaten im Norden von Moçambique, wo islamistische Rebellen ein 20-Milliarden-Euro-Gas-Projekt des französischen Energiekonzerns Total zum Stillstand gebracht haben.

Kritiker sagen, Rwandas Regierung immunisiere sich mit der Handlangerrolle gegen Kritik am Regime von Präsident Paul Kagame. Dieser regiert seit 25 Jahren. Seine Regierung wird unter anderem dafür verantwortlich gemacht, politische Gegner zu inhaftieren, zu entführen oder sie gar zu ermorden.

Jüngst hatte das positive Bild Rwandas im Westen aber Risse erhalten. Rwanda unterstützt die Rebellengruppe M23 im Nachbarland Kongo-Kinshasa mit Geld, Waffen und Soldaten. Die M23 hat in den vergangenen Monaten grosse Gebiete in Ostkongo erobert. Unter anderem die EU und die USA haben Sanktionen gegen Rwanda erlassen. Ein Migrationsabkommen mit den USA wäre für Rwanda eine willkommene Wende.

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