Eine Greenpeace-Studie rechnet vor, dass Migros und Coop zu wenig für die Erreichung von Klimaschutzzielen tun. Doch am Ende stehen die Konsumentinnen und Konsumenten in der Pflicht.

Migros und Coop lassen die Schweizerinnen und Schweizer nicht kalt. Zu gross und zu mächtig sind die beiden Detailhändler, und zu stark sind sie mit der Geschichte des Landes verwoben.

Die besondere Rolle zeigt sich gegenwärtig beim grossen Konzernumbau der Migros, der für viele Emotionen in der Bevölkerung sorgt. Sie spiegelt sich aber auch in kleineren Fragen. Ob die Preise für Bio-Lebensmittel angeblich zu hoch sind oder ob die Bauern angeblich zu wenig verdienen, schnell wird mit dem Finger auf die Grossverteiler gezeigt und ihnen ein Ausnutzen ihrer Marktmacht vorgeworfen.

Grosser Klimafussabdruck

Ein solches Muster zeigt sich jetzt auch beim Thema Klimaschutz. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat diese Woche in einer Studie vorgerechnet, dass Migros und Coop zum einen eine grosse Bedeutung für die Klimagasemissionen in der Schweiz hätten, zum andern aber zu wenig für die Erreichung von Klimaschutzzielen unternähmen.

In der Studie findet sich eine erstaunliche Zahl. Laut Greenpeace «gehen rund 30 Prozent des gesamten Schweizer Treibhausgas-Fussabdrucks über den Ladentisch der beiden Unternehmen». Wie kann das sein?

Des Rätsels Lösung: Bei Migros und Coop macht der eigene Betrieb – also die eigenen Fabriken, Läden und Transporte – nur 1 bis 2 Prozent der gesamten Klimagasemissionen aus. Der grosse Rest entsteht ausserhalb der Unternehmensgrenzen, nämlich bei den Lieferanten oder bei den Konsumenten, aber Migros und Coop rechnen sich dies in ihren Klimaberichten trotzdem zu. Im Fachjargon spricht man von «Scope 3».

Bei Coop beispielsweise entfällt nach eigenen Angaben fast die Hälfte dieser Scope-3-Emissionen auf tierische Produkte, nämlich Fleisch, Fisch und Eier (37 Prozent) sowie Milchprodukte (10 Prozent). Diese Lebensmittel haben einen grossen Klimafussabdruck, weil auf den Bauernhöfen die Klimagase Methan und Lachgas entstehen. Coop verkauft (ebenso wie die Migros) darüber hinaus viel Benzin, Diesel und Heizöl. Das macht weitere 14 Prozent der Scope-3-Emissionen aus.

Mit anderen Worten: Die Klimagasemissionen, die Coop und Migros in ihren Nachhaltigkeitsberichten publizieren, spiegeln zu einem guten Teil, was die Schweizer essen oder beim Autofahren und Heizen verbrennen.

Heikle Netto-Null-Ziele

Dass die Unternehmen für diese Emissionen verantwortlich gemacht werden, daran tragen sie selbst eine Mitschuld. Sowohl Migros wie auch Coop haben sich zum Ziel netto null bis 2050 verpflichtet. Der entscheidende Punkt dabei lautet, dass dies für die gesamte Wertschöpfungskette gilt, vom Hof bis zum Teller. Damit übernehmen Migros und Coop indirekt die Verantwortung für das, was Konsumenten und Lieferanten tun. Das gehört mittlerweile zum guten Ton in der Wirtschaft: Weltweit haben sich Tausende Unternehmen solche Netto-Null-Ziele gesetzt.

Doch dieses Vorgehen hat absurde Folgen. So meint Greenpeace nun, Migros und Coop müssten deutlich mehr für die Erreichung ihrer Klimaziele tun, indem sie die Menschen dazu brächten, weniger Fleisch und Milchprodukte zu kaufen. Wenn man das konsequent weiterdenkt, müssten die Detailhändler für einen Drittel des Schweizer Klimaschutzes zuständig sein.

Konsumenten in der Pflicht

Aber damit sind die Verantwortlichkeiten falsch verteilt. Der eigentliche Zweck des Wirtschaftens ist der Konsum. Klimagasemissionen entstehen nicht, weil die Firmen per se Freude am Produzieren hätten, sondern weil Menschen essen, Auto fahren oder heizen wollen.

In der Pflicht stehen deshalb vor allem die Konsumentinnen und Konsumenten. Sie müssen sich die entscheidenden Fragen stellen. Wie gross ist mein Klimafussabdruck? Bin ich bereit, daran etwas zu ändern, und zu welchem Preis? Will ich beispielsweise weniger Fleisch essen oder weniger Auto fahren?

Wer hingegen alles auf den Schultern der Unternehmen ablädt, macht es sich zu einfach. Die Verantwortung für den eigenen Konsum lässt sich nicht an Migros und Coop delegieren.

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