Bei der Sanierung des Armee-Munitionslagers in Mitholz bleiben zahlreiche Unsicherheiten. Auch um die Zusammenarbeitskultur steht es mässig. Das zeigt ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle.

Von aussen wirkt der Berghang bei Mitholz ruhig und friedlich – eine trügerische Stille. Denn unter dem Geröll des Kandertals lagern seit einer verheerenden Explosion im Jahr 1947 noch immer rund 3500 Tonnen Munition und mehrere hundert Tonnen Sprengstoff. Die Sicherheitslage, einst unterschätzt, erwies sich nach einer Untersuchung von 2018 als erheblich riskanter als bislang angenommen. Daraufhin entschied der Bund, das Dorf Mitholz ab 2033 für mindestens zehn Jahre zu räumen, 2023 bewilligten National- und Ständerat einen Verpflichtungskredit über 2,59 Milliarden Franken zur vollständigen Räumung.

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Für die Bewohner von Mitholz bedeutet der Entscheid der Politik viel Unsicherheit und eine grosse psychische Belastung. Nicht wenige Einheimische halten die Gefahr für gering. Das nicht ohne Grund. Denn jahrzehntelang galt das Lager als ungefährlich und wurde sogar zu einer modernen Truppenunterkunft umgebaut. Das blieb so, bis das Verteidigungsdepartement (VBS) 2017 wegen eines geplanten Rechenzentrums neue Risikoanalysen anforderte.

Bewohner und einige Experten sind skeptisch

Doch auch einige Experten zweifeln an der Notwendigkeit einer umfassenden Sanierung. Aus einem Bericht des Kommandos Kamir, der Fachstelle für Kampfmittelräumung der Schweizer Armee, geht hervor, dass die Munitionsspezialisten die Gefahr einer riesigen Detonation in Mitholz für mässig bis gering hielten. Anderthalb Jahre lang hatten sie Sondierungen durchgeführt. In ihrem Abschlussbericht zogen sie dann den Schluss, dass die Munitionsrückstände, die noch im Berg liegen, kein grosses Explosionsrisiko bergen würden.

In der Öffentlichkeit stiess die Einschätzung auf grosses Interesse, im VBS und in der Armee nicht. Im Februar veröffentlichte das VBS ein neues Faktenblatt. Fazit: Schwerverletzte oder Todesopfer könnten nicht ausgeschlossen werden, sollte es während der Räumung zu einer Explosion kommen. Dies zeigten Simulationen. Im Gegensatz zu den mittlerweile pensionierten Munitionsspezialisten ist das VBS der Meinung, dass sich das Risiko nicht grundsätzlich verändert hat. Ein Teil der Dorfbewohner muss nun definitiv aus Mitholz wegziehen. Auch sind die Schutzbauten für Strasse und Bahn weiterhin nötig.

Ein etwas anderes Bild zeichnet ein am späten Montagabend veröffentlichter Bericht der Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK). Die Autoren äussern sich grundsätzlich positiv, verweisen aber auch auf gravierende Schwächen des Projekts. Kritisiert werden insbesondere das Risiko- und das Qualitätsmanagement und die Projektkultur. Die zentrale Erkenntnis des Berichts lautet: Die Risiken bleiben hoch, und die Unsicherheiten sind zahlreich. Dies auch, weil zentrale Führungsinstrumente wie eine Szenarioplanung fehlen.

Komplexes Projekt unter teilweise schwierigen Bedingungen

Die Verantwortung für das Projekt liegt derzeit beim Generalsekretariat des VBS, soll aber 2026 an die Armasuisse Immobilien übergehen. Die Räumung ist ein Mammutprojekt: Rund 1,5 Millionen Kubikmeter Fels und Aushubmaterial müssen bewegt, Tausende Tonnen Altmunition sicher geborgen, dekontaminiert und entsorgt werden. Gleichzeitig gilt es, den Bahn- und Strassenverkehr im engen Kandertal zu schützen – zwei Schutzprojekte, die bereits als Teilprojekte integriert sind.

Die Projektorganisation sei im Grundsatz angemessen aufgestellt, schreibt die EFK. Die Führungsstrukturen, etwa der Steuerungsausschuss, funktionierten, und das Projekt werde von einem strategischen Expertengremium begleitet. Doch es fehlt an einer gemeinsamen Projektkultur: Unterschiedliche Verwaltungseinheiten würden mit teilweise konträren Ansätzen arbeiten, was zu Reibungsverlusten und spürbarer Demotivation führe. Die Werte – etwa gegenseitige Wertschätzung – seien zwar formal definiert, würden aber nicht konsequent gelebt. Die EFK fordert explizit Massnahmen zur Stärkung der Zusammenarbeit.

Risiko- und Qualitätsmanagement mit blinden Flecken

Ein weiterer Schwerpunkt des Berichts liegt auf dem Risikomanagement. Dieses wurde Anfang 2024 eingeführt und ist aktiv – doch seine Durchgängigkeit ist nicht gewährleistet. Risiken auf Teilprojektebene und Gesamtprojektebene seien nicht ausreichend verknüpft, was Redundanzen und Lücken begünstige. Obwohl es keine akuten Bedrohungen gebe, seien beinahe alle Toprisiken als «kritisch» eingestuft. Da aber keine Risiken bekannt seien, die unmittelbares Handeln erforderten, sei diese Darstellung zu alarmierend und ohne Kontext schwer einschätzbar.

Auch beim Qualitätsmanagement ortet die EFK Defizite. Bisher wurde es dezentral geführt; ein übergeordnetes Konzept fehlt und soll erst im Verlauf dieses Jahres erstellt werden. In einem derart langfristigen Projekt mit vielen Schnittstellen sei dies problematisch. Die Fachkontrolle in den Schutzprojekten (Bahn, Strasse) hingegen sei vorbildlich – ein Pluspunkt, der auf die Erfahrung der beteiligten Partnerorganisationen zurückzuführen sei.

Projektziele erreichbar – unter Vorbehalt

Laut heutigem Wissensstand sind die Ziele der Räumung laut EFK erreichbar. Doch es bestehen weiterhin gravierende Unsicherheiten: etwa über Art und Zustand der Munition, mögliche technische Engpässe beim Zwischenlager oder verschärfte umweltrechtliche Anforderungen. Das Projekt plant deshalb weiterhin mit einer Rückfalloption – einer geordneten Überdeckung des Areals mit Gestein – für den Fall, dass eine vollständige Räumung nicht möglich sein sollte.

Die EFK empfiehlt, die Terminplanung zu überarbeiten und eine Szenarioplanung zu erarbeiten. Zwar liege der Fokus derzeit verständlicherweise auf dem Start des Plangenehmigungsverfahrens 2026. Doch das ambitionierte Projektziel – der Abschluss aller Arbeiten bis 2045 – sei nur erreichbar, wenn frühzeitig auf Verzögerungen reagiert werden könne.

Wie belastbar sind die Prognosen?

Laut EFK sind die Projektkosten aktuell und plausibel geführt. Doch die Kostensituation basiere teilweise noch auf den Annahmen der Botschaft von 2022. Eine vollständige Überprüfung sei erst für dieses Jahr geplant. Risiken wie etwa Einsprachen gegen Plangenehmigungen oder höhere Schadstoffbelastungen könnten die Prognosen jedoch rasch ins Wanken bringen.

Unter dem Strich attestiert die EFK dem Projekt in Mitholz eine tragfähige Planung und Führung. Doch sie fordert gleichzeitig mehr Klarheit im Risiko- und Qualitätsmanagement, eine bessere Zusammenarbeitskultur und einen realistischen Umgang mit Unsicherheiten.

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