Mittwoch, Januar 15

Die billionenschweren Anleihekäufe der vergangenen Jahre führen in Kombination mit der drastischen Zinswende bei den Notenbanken zu erheblichen Löchern in der Bilanz. Allein die Bundesbank erwartet kumulierte Verluste im mittleren zweistelligen Milliardenbereich.

Jetzt sind die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank (EZB) blank. Sie haben sämtliche in den vergangenen Jahren gebildeten Rückstellungen aufgebraucht, um mögliche Verluste aufzufangen. Ab 2024 werden diese voll durchschlagen. Doch bereits heute sind die Auswirkungen der billionenschweren Wertpapierkäufe der letzten Jahre schmerzlich spürbar: Die Finanzminister und damit die Steuerzahler bekommen nun die Rechnung für die ultraexpansive Geldpolitik.

Enorme Verluste im Zinsgeschäft

Die Anleihekäufe der EZB wurden primär über die nationalen Notenbanken umgesetzt. Diese haben also den Grossteil der Papiere effektiv erworben und in ihre Bilanz genommen. Die Zinswende führte vor diesem Hintergrund dazu, dass die Bundesbank für 2023 einen Verlust von 21,6 Milliarden Euro erlitten hat – den grössten, den es je gab. Die NZZ hatte vorab über die Entwicklung berichtet. Dank grossen Rückstellungen und Rücklagen konnte die Notenbank diese Verluste gerade so noch auffangen, dass unter dem Strich eine rote Null steht.

Bei der EZB war das bereits nicht mehr möglich. Sie veröffentlichte einen Verlust von 1,3 Milliarden Euro, weil die Rückstellungen nicht mehr ausgereicht haben, um das Minus aus den Zinsgeschäften zu decken. Die zurückliegenden Wertpapierkäufe mit aus dem Nichts geschaffenem Geld haben zu einer enormen Überschussliquidität im System geführt.

Davon sind die Notenbanken in nun zweierlei Hinsicht selbst betroffen. Die Zinseinnahmen aus den gekauften Wertpapieren, überwiegend Staatsanleihen, reichen bei weitem nicht aus, um die Zinsausgaben zu decken. Letztere entstehen, weil die Notenbanken kurzfristige Einlagen vor allem von Geschäftsbanken zum jeweils aktuellen Niveau verzinsen. Durch den Zinsanstieg um 4,5 Prozentpunkte im Rahmen der geldpolitischen Wende zur Bekämpfung der enorm hohen Inflation werden diese Einlagen nun jedoch sehr hoch verzinst. Die Folge beider Entwicklungen sind enorme Verluste im Zinsgeschäft.

Die dunkle Seite der Wertpapierkäufe

Während der aktiven Phase der Staatsanleihekäufe haben Finanzminister und Steuerzahler von diesen durch niedrige Zinsen profitiert. Doch jetzt kommt die Rechnung für die Politik in Form von erheblichen Zinsverlusten der Notenbanken. Diese sind daher nicht mehr in der Lage, wie früher Milliardengewinne an den Finanzminister zu überweisen. Auch in den kommenden Jahren wird der deutsche Schatzmeister keine Überweisung der Bundesbank erhalten, die er doch gerade in Zeiten leerer Kassen so dringend gebrauchen könnte.

Die nun spürbare Kehrseite der Wertpapierkäufe hätte nicht so düster sein müssen, wie sie ist. Vor allem vor der Pandemie hatte die EZB enorme Anleihebestände erworben, obwohl die Wirtschaft zu jener Zeit gut lief und die Inflation sehr niedrig war. Der EZB war sie damals sogar zu niedrig, weshalb sie mit Wertpapierkäufen die Teuerung nach oben treiben wollte. Das hat das Anleiheportfolio unnötig stark aufgebläht.

Der Bundesbankpräsident Joachim Nagel rechnet für die kommenden Jahre mit Verlusten aus den Zinsgeschäften in Höhe eines mittleren zweistelligen Milliardenbetrages. Das ist mehr als happig. Eine Geschäftsbank wäre wohl insolvent oder müsste rekapitalisiert werden. Dies kann je nach rechtlicher Lage auch Notenbanken passieren, wie das Beispiel der schwedischen Zentralbank bereits gezeigt hat.

Droht eine Rekapitalisierung der Bundesbank?

Bei der Bundesbank und der EZB droht dieses Szenario in den kommenden Jahren nach menschlichem Ermessen nicht. Sie operieren bei Verlusten bilanztechnisch mit sogenannten Verlustvorträgen. Diese mitzuziehenden Verluste können in den vielen Jahren mit den dann wieder zu erwartenden Gewinnen ausgeglichen werden.

Dennoch sind die hohen Verluste ein Risiko für die Reputation und das Vertrauen der Bürger in die Zentralbanken. Daraus lässt sich eine Lehre ziehen: Wertpapierkäufe gehören nicht in den normalen Werkzeugkasten einer Notenbank. Sie sollten nur in absoluten Ausnahmefällen eine Option für die Geldpolitik sein.

Sie können dem Frankfurter Wirtschaftsredaktor Michael Rasch auf den Plattformen X, Linkedin und Xing folgen.

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