Dienstag, November 26

Der FC Zürich will sich neu erfinden. Der Präsident Ancillo Canepa und der Sportchef Milos Malenovic verraten, wie sie arbeiten. Das Führungsduo des Tabellenleaders antwortet auf Kritik am Führungsstil, nimmt Stellung zu Fangewalt und lobt den FCZ-Trainer Ricardo Moniz.

Herr Canepa, als Sie vor dreizehn Monaten Milos Malenovic als FCZ-Sportchef vorstellten, war die gegenseitige Begeisterung gross. Wie sieht es heute aus?

Canepa: Die Begeisterung ist eher noch grösser geworden! Was wir damals bei der Planung für die Zukunft besprochen und uns vorgenommen haben, setzten wir konsequent und nachhaltig um. Aber wir sind noch nicht dort, wo wir am Ende sein wollen.

Malenovic: Meine Begeisterung ist ebenfalls sogar gewachsen. Ich durfte viel lernen von Heliane und Cillo Canepa. Die gesamte Sportabteilung fühlt sich sehr unterstützt.

Was haben Sie gelernt? Und was hat Sie überrascht?

Malenovic: Unser Präsidentenpaar ist sehr gut strukturiert und viel entscheidungsfreudiger und direkter, als ich gedacht hatte. Ich konnte viel profitieren von der Führungserfahrung der beiden. In meinem Bereich geht es ja nicht nur um Transfers, sondern zu einem grossen Teil auch darum, wie man in einer Organisation wie dem FCZ mit Menschen umgeht.

Wie tauschen Sie sich aus: Der Präsident bestimmt, der Sportchef setzt um?

Canepa: Falsch! «Walk the talk» zeigt unsere Arbeitsweise. Den roten Faden im Sport legen wir gemeinsam fest und setzen das dann in ständigem Austausch um. Auch wenn wir einen Entscheid fällen, der in gewissen Medien mit Unverständnis kommentiert wird, wissen wir meistens schon, was wir machen und warum.

Sie haben unter anderem fast den ganzen Trainer-Staff ausgewechselt. Warum?

Malenovic: Die Trainer müssen wissen, wohin es gehen soll, was der Plan von uns ist. Das muss intensiv begleitet werden, wir müssen den Spiegel ständig hinhalten.

Canepa: Wohlfühloase ist das Stichwort. Im Vergleich zu anderen Ländern geht es den Spielern zu gut. Wir wollten die Leistungskultur auch im Nachwuchs wieder forcieren. Wer mehr macht als die anderen und mehr arbeitet, hat Erfolg. Das ist überall so, auch im Fussball.

Zu einer guten Beziehung gehört eine gute Streitkultur. Wann haben Sie sich zuletzt gestritten und worüber?

Canepa: Dahinter steckt wohl die Frage, wie wir miteinander umgehen. Ich kann Ihnen versichern, dass auch wir nicht immer gleicher Meinung sind. Aber es geht immer um die Sache. Wir haben in Zürich und in der Schweiz Rahmenbedingungen, die uns halt zwingen, Schritt für Schritt vorzugehen. Und einen Spieler wie Messi können wir ohnehin nicht kaufen.

Es gab also nie eine Diskussion über einen Spieler, den der Sportchef holen wollte, und der Präsident sagte: «Nein, sorry, zu teuer.»?

Malenovic: Nein. Wir haben diese Art von möglichen Konfliktpunkten schon im Voraus eindeutig geklärt. Und weil wir immer in Kontakt sind, kann sich auch nichts aufstauen, was dann plötzlich hervorbricht und zu emotionalen oder negativen Situationen führt.

Herr Canepa, Sie sagten an der letzten GV, dass Sie den FCZ neu erfinden wollten – mit einer neuen Leistungskultur. Gab es in den Jahren davor denn keine Leistungskultur?

Canepa: Selbstverständlich gab es auch früher diese Leistungskultur, deshalb sind wir in meinen achtzehn Jahren als Präsident ein paar Mal Meister und Cup-Sieger geworden und spielten mehrmals im Europacup. Aber mir hat die Kontinuität gefehlt, es gab immer wieder kleine Dellen und Leistungseinbrüche. Nach einem Erfolg fehlten uns jeweils die Einstellung und der Wille, den Erfolg zu bestätigen. Meine Frau Heliane sagt immer, wenn man in der Wirtschaft ein gutes Produkt habe, müsse man immer an das nächste und übernächste gute Produkt denken. Anders gesagt: hungrig bleiben, hungrig!

Wann ist die Neuerfindung vollzogen?

Canepa: Das hört nie auf. Höchstwahrscheinlich werden wir nie die Champions League gewinnen. Aber wir wollen regelmässig an einer Europacup-Gruppenphase teilnehmen und Spieler ausbilden, die bereit sind für den Schritt in eine Topliga.

Zur Person

Ancillo Canepa, FCZ-Präsident

Der 72-jährige Canepa ist seit 2006 FCZ-Präsident und seit 2013 mit seiner Frau Heliane Klubbesitzer. Unter Canepa wurde der FCZ vier Mal Meister und drei Mal Cup-Sieger und nahm 2009 an der Gruppenphase der Champions League teil.

Zur Person

Milos Malenovic, FCZ-Sportchef

Der 39-jährige Malenovic ist seit dreizehn Monaten offiziell FCZ-Sportchef. Nach der Juniorenzeit im FCZ startete Malenovic die Profilaufbahn bei GC und spielte unter anderem bei Xamax, St. Gallen und in den Niederlanden. Danach arbeitete er als Spielerberater.

Auch von uns wurde der radikale und schnelle personelle Umbruch im FCZ kritisiert. Können Sie nachvollziehen, dass dieses Vorgehen rücksichtslos wirkt?

Malenovic: Wir haben den Veränderungsprozess sorgfältig gestaltet. Wenn ich sehe, wie das bei anderen Klubs lief, etwa bei Ralf Rangnick damals bei Red Bull, denke ich, dass wir einen ausgewogenen Weg gewählt haben. Wir gaben jedem die Chance, bei unserem Weg dabei zu sein, es gab viele Gespräche, es gab unzählige Workshops, wir wollten alle mitnehmen und haben uns immer fair verhalten.

Canepa: Leider gibt es Journalisten, die nur mit denjenigen Menschen sprechen, die enttäuscht waren, weil sie nicht mehr bei uns sind. Leute, die jetzt bei uns arbeiten, schwärmen von der Dynamik, der Stimmung und von der Leidenschaft. Wir vertraten immer familiäre Werte, und das ist immer noch so, sogar noch stärker. Change-Management bedeutet ja, die Leute mitzunehmen. Wenn aber jemand unsere Leistungskultur nicht teilen kann oder will, dann gibt es nur eine Konsequenz, und das ist eine Veränderung. Die Leute gingen von sich aus, wir haben praktisch niemandem gekündigt, ich wüsste jedenfalls nicht, wem.

Was sagen Sie zu der Aktion der Südkurve im Derby vom letzten Sonntag, einen erbeuteten Banner der GC-Fans zu präsentieren?

Canepa: Auch ich habe mit Unverständnis reagiert, als ich das gesehen habe. Es war eine völlig unnötige Provokation.

GC-Fans haben Angst, im Leibchen durch die Stadt Zürich zu laufen. Sie, Herr Canepa, betonen immer wieder, dass Sie in engem Austausch mit der Südkurve stünden. Wäre es nicht an der Zeit, den Kurven-Capos klarzumachen, dass solche Aktionen nicht tolerierbar sind?

Canepa: Selbstverständlich mache ich das. Hätte man am Sonntag eingegriffen, hätte es noch ein viel grösseres Theater gegeben.

Ist man also machtlos gegen Gewalttäter?

Canepa: Wer ist «man»?

Die Klubs, die Behörden, die Liga.

Canepa: Eben. Es heisst immer nur, die Klubs würden zu wenig machen. Wir können diese kriminellen Chaoten doch nicht ausserhalb des Stadions überwachen oder bestrafen, dafür gibt es andere Instanzen. Die Eltern dieser Chaoten gehören dazu, die Justiz, die Täter viel schneller identifizieren und verurteilen sollte. Das dauert alles viel zu lange. Wir haben auch immer noch kein Gerichtsurteil wegen der Sektorsperre. Die Zürcher Polizei hat jetzt eine Task-Force ins Leben gerufen, die kriminelle Chaoten effizienter verfolgen will. Das begrüsse ich sehr. Wenn ich vereinzelte Medien und die darin publizierten Leserbriefe anschaue, bekommt man ein völlig falsches Bild. Familienväter schreiben mir dann, sie könnten mit ihren Kindern nicht mehr ins Stadion kommen. Ein Stadionbesuch ist doch nicht gefährlich! Rund um das Stadion sind wir zuständig, und diese Verantwortung nehmen wir auch wahr. Es nervt mich, immer wieder zu diesem Thema Stellung nehmen zu müssen. Auch die völlig faktenwidrige Forderung, die Klubs müssten die Kosten der Polizei übernehmen. Das tun wir bereits seit Jahren.

Ein letzter Versuch: Der damalige FCB-Präsident Bernhard Heusler hat sich einmal nach einem Vorfall in Basel vor die Kurve gestellt und per Mikrofon gesagt: «Wir wollen das nicht!» Können Sie sich das auch vorstellen?

Canepa: Ich war auch schon in der Kurve, aber eine Aktion nur für die Galerie zu produzieren, um nach aussen gut dazustehen, entspricht nicht meinem Charakter. Viel wichtiger ist der Dialog mit den Fans im Hintergrund. Das Problem sind auch nicht die Fans in der Kurve, das Problem sind die kriminellen Chaoten, die ausserhalb eines Spiels randalieren. Können wir jetzt wieder über Fussball reden?

Herr Malenovic, es heisst oft, Sie seien energisch, schnell, direkt. Und: Beim FCZ gebe es viel Druck, manche sprechen von einem «Klima der Angst».

Malenovic: Ich bin überrascht über manche Berichte. Journalisten, die so etwas schreiben, haben sich zu hundert Prozent nicht richtig informiert. Es passt halt grad gut in das Bild, das man transportieren möchte. Wir können uns mit jedem einzelnen Angestellten, der nicht mehr bei uns ist, an einen Tisch setzen. Es gab mit allen konstruktive Einzelgespräche, wir haben allen die Chance gegeben, dabeizubleiben.

Canepa: Milos, wir müssen uns hier doch nicht rechtfertigen! Einseitig informierte Journalisten schreiben ohnehin nur das, was ihre vorgefasste Meinung bestätigen soll. Das meiste lief sozialverträglich ab, es gab kein böses Blut.

Ein anderer Streitpunkt ist, dass es Insider gibt, die behaupten, es würden bereits Verträge existieren, wonach Milos Malenovic mit einigen Investoren den FCZ in ein paar Jahren übernehmen werde.

Canepa: Jetzt kommen Sie wieder mit diesem Unsinn! Ich habe Ihnen persönlich schon mehrfach gesagt, dass das nicht stimmt. Es regt mich auf, wenn Sie diese Frage ständig wiederholen und sich dann noch hinter sogenannten «Insidern» verstecken. Es gibt nur drei Insider zu diesem Thema: Das sind Heliane, Milos und ich.

Herr Malenovic, Sie haben ihre Beratungsagentur jahrelang aufgebaut, das Geschäft lief gut. Warum haben Sie darauf verzichtet und arbeiten nur noch als Sportchef?

Malenovic: Es wäre ziemlich früh, mit nicht einmal vierzig Jahren bereits einen Klub zu führen. Ich kann mich nicht gegen solche Gerüchte wehren. Was ich kann: mich auf meine Arbeit fokussieren. Ich arbeite in einem tollen Verein mit grossartigen Besitzern, bin happy und erfüllt, darf mithelfen, den FCZ zu entwickeln. Ich bin weniger im Ausland unterwegs, sehe meine Familie deshalb öfter und bekomme mit, wie die Kinder aufwachsen.

Canepa: Und sowieso: Wissen Sie, was der FCZ kostet?

40, 50 Millionen Franken?

Canepa: Selbstverständlich hat der FCZ einen Preis. Und ja, wir haben wiederholt Anfragen oder Offerten erhalten. Heliane und ich sind motiviert, den FCZ zusammen mit Milos in die Zukunft zu führen. Ausserdem gefällt es Milos ohnehin so gut bei uns, weil er auch einmal pro Woche Fussball spielen kann.

Das hört sich vergnügt an.

Canepa: Der Trainer und der Präsident haben jeweils eine eigene Mannschaft, die gegen die andere spielt.

Und Sie beide sind das Sturmduo?

Malenovic: Genau, damit wir nicht so viel laufen müssen. Cillo ist gerade im Hoch, am Dienstag schoss er zwei Tore.

Diese besondere FCZ-Energie ist auch während der Spiele auf der Bank spürbar. Manchmal erhält man den Eindruck, es könnte kippen, wenn man zum Beispiel den zuweilen wilden Trainer Moniz beobachtet.

Malenovic: Wie viele internationale Toptrainer kennen Sie persönlich?

Ein paar, etwa Ottmar Hitzfeld, Lucien Favre, Jürgen Klopp, Adi Hütter. Sie kennen bestimmt mehr.

Malenovic: Darum geht es nicht. Die besten Trainer der Welt sind zu 90 Prozent Energieträger. Sie gehen voran, mit Herzblut, sie arbeiten hart, auf dem Platz, im Büro, bei der Analyse, sind herausragende Motivatoren. Ich habe mal einen Transfer gemacht eines Spielers, der leihweise von Liverpool zu Anderlecht ging. Liverpools Trainer Jürgen Klopp wollte jedes Detail wissen von Anderlecht: Wie wird trainiert, auf welcher Position plant man mit dem Spieler, wer redet mit ihm? Die besten Trainer sind besessen vom Fussball und können nie genug davon kriegen. Wir möchten diese Mentalität auch im Schweizer Fussball fördern, sie fehlt oft. Es braucht Fleiss und Akribie, Detailpflege und Leidenschaft. Dafür steht Ricardo Moniz.

Moniz ist mit emotionalen Ausbrüchen aufgefallen und soll sich verbal nicht immer im Griff haben. Wann ist es zu viel Leidenschaft?

Malenovic: Ricardo ist ein Vorbild. Er ist direkt und hart, aber niemals beleidigend. Die über ihn verbreiteten Geschichten entsprechen nicht der Wahrheit. Er ist der Erste im Büro und der Letzte, der geht. Ricardo kümmert sich auch um Nachwuchsspieler, schneidet Videos, ist überall.

Canepa: Auch hier sind es die Medien, die primär das angeblich Negative bei Ricardo suchen. Wo ist das Problem, wenn ein Trainer Spieler nach 20, 30 Minuten auswechselt, die ihr Leistungspotenzial nicht abrufen oder nicht abrufen können? Manchmal sind es auch taktische Gründe. Oder es braucht neue Impulse. Soll man bis 10 Minuten vor Schluss warten? Dann ist es meistens zu spät.

Ricardo Moniz hat in den letzten dreizehn Jahren bei dreizehn Klubs gearbeitet, als Cheftrainer gab es oft früh atmosphärische Probleme. Auch der FCZ hat ihn ursprünglich für den Nachwuchsbereich geholt. Wäre er dort nicht am besten aufgehoben mit seinen Fähigkeiten?

Malenovic: Die Idee, ihn als Nachwuchsentwickler zu holen, hat exzellent funktioniert. Aber wir gerieten letztes Jahr in Schwierigkeiten, als uns Bo Henriksen im Winter verliess. Ricardo rettete am Ende die Saison, und wir sahen, dass er auch als Cheftrainer unsere jungen Spieler weiterbringen kann. Er ist einer der besten Talente-Entwickler Europas und hat als Trainer noch nie so gut funktionierende Strukturen gehabt wie jetzt. Bei uns wird er geführt und unterstützt. Und er hat bei Feyenoord, bei PSV und bei Red Bull gesehen, wie unser Geschäftsmodell umgesetzt werden soll. Bis jetzt läuft die Zusammenarbeit sehr gut.

Canepa: Ricardo hat mit seiner Art zu trainieren nicht nur uns, sondern auch die Spieler begeistert. Wir mussten nicht lange überlegen, diesem aussergewöhnlichen Trainer unsere erste Mannschaft anzuvertrauen. Wir sind zwar gerade Leader und haben am Sonntag einen Spitzenkampf zu Hause gegen Servette, aber wir wissen, dass es Rückschläge geben kann. Es bleibt dabei: Wir wollen gemeinsam mit Ricardo den FCZ auch im sportlichen Bereich neu erfinden.

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