Donnerstag, Oktober 10

In Sydney sind bei einem Messerangriff in einem Einkaufszentrum in der Nähe des berühmten Bondi Beach sieben Personen ums Leben gekommen. Darunter befindet sich auch der mutmassliche Angreifer, der von der Polizei erschossen wurde. Noch ist unklar, was hinter der Tat steckt.

Australien befindet sich im Schockzustand: Bei einer für das Land ungewöhnlichen Attacke hat ein Angreifer mindestens sechs Personen mit einem Messer niedergestochen. Bei den Opfern soll es sich um fünf Frauen und einen Mann handeln. Der mutmassliche Täter selbst wurde von der Polizei erschossen.

Weitere Personen wurden teils schwer verletzt. Unter den Verletzten soll auch ein neun Monate altes Baby sein. Die Mutter des Kindes ist laut lokaler Medienberichte unter den Toten. Sie starb im Krankenhaus.

Anfängliche Berichte, dass es noch einen zweiten Angreifer gab, haben sich bisher nicht bestätigt. Der mutmassliche Täter scheint ein 40-jähriger Mann gewesen zu sein, der polizeilich zwar bekannt war, aber nicht unter Terrorverdacht stand. Derzeit geht die Polizei deswegen nicht von einem terroristisch motivierten Angriff aus. Die Untersuchungen dauern aber weiterhin an.

In Sydney herrschten am Samstagnachmittag spätsommerliche Temperaturen. Es war der erste Ferientag und zahlreiche Personen waren auf den Strassen und Stränden der Stadt unterwegs. In dem sechsstöckigen Einkaufszentrum in Bondi Junction, unweit des berühmten Bondi Beach, befanden sich zum Tatzeitpunkt mehrere hundert Personen. Sie erledigten dort Einkäufe, tranken Kaffee oder trafen Freunde. Die Einkaufszentren sind vor allem bei jungen Leuten als Treffpunkte beliebt.

Die Attacke ereignete sich im Osten von Sydney

Der Vorfall ereignete sich kurz vor 16 Uhr (Ortszeit). Augenzeugen berichteten, dass der mutmassliche Täter «durchgedreht» sei. Die Polizei scheint schnell reagiert zu haben. Zunächst soll eine einzelne Polizistin den mutmasslichen Angreifer verfolgt haben. Als dieser das Messer erhob, habe sie ihn mit einem Schuss niedergestreckt. «Sie ist auf jeden Fall eine Heldin», sagte Australiens Premierminister Anthony Albanese. Es bestehe kein Zweifel daran, dass sie durch ihre Tat Leben gerettet habe. «Und es ist eine Erinnerung daran, dass die Menschen, die die Uniform tragen, Menschen sind, die der Gefahr entgegeneilen und nicht vor ihr fliehen.»

Videoaufnahmen vom Tatort zeigten später eine grosse Anzahl an Polizisten vor Ort. Ein Medienbericht sprach sogar von mehreren hundert Polizisten. Am frühen Abend kreisten Helikopter über der Stadt.

Besucher verschanzten sich in Geschäften

Zwei der Opfer sollen in einem Bekleidungsgeschäft erstochen worden sein, wo Käufer anscheinend nach Kleidungsstücken griffen, um ihre Blutung zu stillen. Einige Personen verschanzten sich über Stunden in Umkleidekabinen oder Läden, die die Besitzer abgesperrt hatten.

In der Tageszeitung «Sydney Morning Herald» wurde Leanne Devine zitiert, die einen Friseursalon im Einkaufszentrum besitzt. Zahlreiche Augenzeugen flüchteten sich in ihren Laden. «Ich habe noch nie Menschen gesehen, die so verängstigt aussahen», sagte sie.

Brendan Blomeley sagte dem Sender ABC, dass er mit seinen beiden Kindern in dem Einkaufszentrum gewesen sei, als er zwei Schüsse gehört habe. «Es war beängstigend, es war erschütternd. Wir kauerten mit Hunderten anderen Menschen in einem Geschäft», sagte er. Es sei schwer zu fassen, dass so etwas in Australien passieren könne. Etliche Ladenbesitzer und Passanten sollen laut Medienberichten ähnlich wie die Polizistin extrem mutig gehandelt haben. Im Internet kursiert ein Video, das einen Mann zeigt, der versucht, den Angreifer auf einer Rolltreppe mit dem Poller einer Absperrung zurückzudrängen.

Vorfälle wie der am Samstag sind in Australien ungewöhnlich. Eine vergleichbare Situation hat die Stadt zuletzt vor zehn Jahren erlebt. Damals hatte ein islamistischer Geiselnehmer ein Café in der Innenstadt in Sydney gestürmt und Angestellte und Besucher über 16 Stunden lang terrorisiert. Während der Geiselnahme zwang der Mann, der sich später als fanatischer, selbsternannter Prediger herausstellte, die Geiseln, islamistische Flaggen in den Fenstern hoch zu halten und Nachrichten auf sozialen Netzwerken hochzuladen.

Einigen Geiseln gelang die Flucht. Die Geiselnahme selbst wurde aber erst beendet, als die Polizei das Café mitten in der Nacht stürmte, nachdem der Geiselnehmer den Manager des Cafés erschossen hatte. Bei der Stürmung des Cafés starben der Täter sowie eine weitere Geisel im Kugelhagel.

Schlimmster Vorfall ist fast 30 Jahre her

Der bisher schlimmste Vorfall hatte sich 1996 ereignet – ebenfalls im April und an einem sonnigen Tag an einem Wochenende. Damals fuhr ein Attentäter nach Port Arthur auf der Insel Tasmanien und tötete in der dortigen historischen Stätte wahllos Personen mit einer semi-automatischen Waffe. Insgesamt kamen damals 35 Männer, Frauen und Kinder ums Leben. Weitere 23 wurden verletzt.

Die Tat löste eine Schockwelle in Australien aus, wo ein Gewehr bis zu diesem Zeitpunkt als essenziell für das Überleben im Busch angesehen wurde. Der damalige australische Premierminister John Howard reagierte umgehend und brachte innerhalb von nur zwölf Tagen eine neue Schusswaffenkontrolle auf den Tisch. Automatische und semi-automatische Waffen wurden komplett verboten. Schliesslich kaufte die Regierung 650 000 Waffen von der Bevölkerung zurück.

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