Hotelplan, das grösste Reiseunternehmen der Schweiz, kann noch so viel Umsatz machen – verdienen tut die Migros daran fast nichts.

Alles tönt ganz wunderbar. «In allen Geschäftseinheiten zeigte sich ein Nachholbedarf», schreibt die Migros über ihre Reisetochter Hotelplan im neu erschienenen Geschäftsbericht. Überall habe man zulegen können: bei den Badeferien, den Individualreisen und den Ferienhäusern. Das Jahr 2023 habe man «sehr erfolgreich» abgeschlossen.

Die Einnahmen wuchsen um mehr als 20 Prozent auf über 1,7 Milliarden Franken. Im Vergleich zum letzten normalen Reisejahr vor Corona generierte Hotelplan, das grösste Schweizer Reiseunternehmen, gar astronomische 46 Prozent mehr Umsatz.

Dann folgt das Aber: Unter dem Strich schaut nur ein Minigewinn von 27 Millionen Franken heraus. Zwar ist es operativ das beste Ergebnis der Hotelplan-Geschichte. Aber die Gewinnmarge fiel im Vergleich zum Vorjahr von 1,8 auf 1,55 Prozent. Und das, obwohl zumindest in Europa so viel gereist wurde wie noch nie und die Preise für die Touristen durch die Decke gingen.

Die Migros hat Anfang Februar bekanntgegeben, ihre traditionsreiche Reisetochter, die 1935 von der Migros-Überfigur Gottlieb Duttweiler gegründet wurde, verkaufen zu wollen. Die Nachricht sorgte für einen Aufschrei bei Genossenschaftsfans und jagte Schockwellen durch die Reisebranche. Wie kann die Migros es wagen, Duttis Erbe zu verscherbeln?

Keine Schiffe, keine Hotels

Die neusten Zahlen von Hotelplan liefern zumindest Erklärungsansätze. Eine Ertragsperle war das Unternehmen nie. Und selbst in einem so aussergewöhnlichen Jahr wie 2023, in welchem Touristen ihre zu Corona-Zeiten angesparten Reisebudgets hemmungslos verjubelten, verdiente Hotelplan nur Brosamen.

Das Feriengeschäft ist ein tückisches: Mit der eigentlichen Reise verdient man fast nichts. Sie ist eigentlich nur Mittel zum Zweck. Die Gewinne werden vor Ort erwirtschaftet: in den Restaurants, auf Ausflügen, in den Hotelbars und auf den Kreuzfahrtschiffen. Sind die Menschen in Ferienlaune, sitzt auch das Portemonnaie locker.

Doch Hotelplan hat weder eigene Hotelanlagen noch Schiffe, noch Flugzeuge. Das macht das Geschäft zwar risikoarm. Aber wirklich interessant ist es dadurch eben auch nicht.

Zwei Geschäftsbereiche von Hotelplan verdeutlichen das: Das Spezial- sowie Individualreise-Geschäft, das unter der Kategorie Hotelplan Suisse zusammengefasst ist, wuchs vergangenes Jahr um 44 Prozent.

Auch im Massengeschäft mit Badeferien stieg der Umsatz mit 22 Prozent ordentlich. Das lag einerseits an den höheren Preisen für die Reisen, andererseits ist es wohl auch gelungen, Marktanteile zu gewinnen.

Trotzdem schaute nur ein minimaler Gewinnzuwachs heraus. Das zeigt, wie klein die Margen in diesem Geschäft sind. Derzeit liege man punkto Buchungen über dem Vorjahr, teilt das Unternehmen mit. Aber: Hotelplan kann noch so viel wachsen, unter dem Strich schaut nur wenig heraus.

Dies im Gegensatz zu den dominierenden Playern in der Branche. Die deutsche TUI, das grösste Reiseunternehmen der Welt, ist zum Beispiel vergangenes Jahr um 25 Prozent auf 20,7 Milliarden Euro Umsatz angewachsen. Der Gewinn hat sich auf 977 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Im Vergleich zu Hotelplan ist die Gewinnmarge drei Mal höher.

TUI ist im Schweizer Markt die Nummer drei und ganz anders aufgestellt als Hotelplan: Es ist ein sogenannt vertikal integriertes Reiseunternehmen. Es besitzt 137 Flugzeuge, 414 Hotels und 16 Kreuzfahrtschiffe. In Krisen, wie während Corona, ist das wegen der hohen Kosten eine Hypothek. Aber in guten Zeiten wie dem vergangenen Jahr verdient TUI viel Geld.

Kommt hinzu, dass TUI in mehr als einem Dutzend Ländern um Touristen buhlt und jedes Jahr Millionen Reisen organisiert. Das sorgt für viel grössere Skaleneffekte.

Solche Konkurrenten waren mit ein Grund, warum die ebenfalls traditionsreiche Schweizer Reisefirma Kuoni Anfang 2015 die Segel gestrichen hat. Die Kuoni-Reisebüros gehören heute der deutschen Dertour, der Nummer zwei in der Schweiz. Nun wird mit Hotelplan auch das letzte grosse Schweizer Reisebüro mutmasslich ins Ausland verkauft.

Migros unter Druck

Es ist nicht das gegenwärtige Management, welches Hotelplan in diese Ausgangslage gebracht hat. Dieses bekommt durch die ganze Branche hinweg gute Noten. Vielmehr ist die Situation von Hotelplan historisch gewachsen.

Die Migros als genossenschaftliche Detailhändlerin war nie auf die Gewinne aus dem Reisegeschäft angewiesen. Solange Hotelplan keine grossen Verluste machte, hat man die Reisetochter einfach mitlaufen lassen. Teilweise wurde Hotelplan wohl auch von den Supermärkten quersubventioniert.

Dies konnte sich die Migros leisten. Die Marke war bei der Kundschaft beliebt. Zudem versorgte Hotelplan die Migros mit Liquidität, weil der Tourismus ein Geschäft auf Vorkasse ist, bei welchem Touristen Monate im Voraus bezahlen.

Ganz anders verhält es sich bei einem Unternehmen wie TUI, das an der Börse ist und bei welchem die Investoren einen hohen Profit sehen wollen. Als solches muss es im Markt viel aggressiver auftreten.

So ist Hotelplan in eine Position gelangt, in der die Firma weder vor noch zurück kann. Den Schweizer Markt hat sie im Griff, aber international kann sie den Grossen nicht das Wasser reichen.

Derweil ist die Noch-Eigentümerin Migros unter Druck. Sie sieht sich mit Coop, Lidl und Aldi einer Konkurrenz ausgesetzt, die teilweise deutlich schlanker aufgestellt ist. Wegen diverser Fehleinschätzungen in den letzten Jahren musste die Migros nun sogar eine Abschreibung von einer halben Milliarde Franken verbuchen. Das senkte den Gewinn auf den tiefsten Stand seit 30 Jahren.

Die Antwort der Migros: Sie will sich auf die Märkte konzentrieren, in denen sie eine starke Marktposition hat. Das sind: Handel, Gesundheit und Banking. Die Migros Bank steuerte zum Beispiel vergangenes Jahr 313 Millionen Franken zum Ergebnis der Migros-Gruppe bei – mehr als das Zehnfache von Hotelplan.

Am Dienstag hat der Migros-Chef Mario Irminger seine Absichten beteuert, Hotelplan als ganze Gruppe und ohne Jobabbau zu verkaufen. Brancheninsider schätzen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass dies gelingt, bei 50 Prozent liegt. Bis Ende Jahr will die Migros Hotelplan veräussert haben.

Exit mobile version