Für Bob Jordan, CEO von Southwest Airlines, ist die Rezession in den USA bereits angekommen. Die Zahlen für das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal könnten jedoch ein zu schlechtes Bild von der Lage zeichnen.
Bob Jordan wartet nicht auf eine offizielle Bestätigung der Beamten aus Washington. Für den Chef der amerikanischen Fluggesellschaft Southwest Airlines ist die Sache klar: Die Rezession hat bereits begonnen. Abgesehen von der Corona-Pandemie habe er noch nie einen derart starken Rückgang von Flugreisen innerhalb der USA gesehen. «Mir ist es egal, ob man es offiziell eine Rezession nennt oder nicht. In meiner Branche ist es eine», wird Jordan von Bloomberg zitiert. Von einer Rezession wird offiziell gesprochen, wenn die Wirtschaft eines Landes während zwei aufeinanderfolgenden Quartalen schrumpft.
Die Airline erwartet für das zweite Quartal einen substanziellen Rückgang beim Umsatz. Das erratische Zollregime von Donald Trump hat die Konsumenten in den USA verunsichert. Für das Fluggeschäft ist das Gift. Jordan: «Unsichere Konsumenten hören sofort auf, Geld auszugeben».
Southwest Airlines ist bei weitem nicht der einzige Konzern, der die Auswirkungen von Trumps Zollpolitik zu spüren bekommt. Neben Airlines nennt Fabian Keller, Senior Partner und Kreditspezialist bei Independent Credit View in Zürich, etwa auch die Automobilindustrie, Unternehmen aus dem Einzelhandel, Luxusgüter oder der Verpackung als Bereiche, die besonders betroffen sind.
Darauf lassen auch Aussagen der CEOs während der laufenden Berichtssaison schliessen. Procter & Gamble etwa schliesst Preissteigerungen aufgrund von gestiegenen Kosten nicht aus. Bei der Restaurantkette Chipotle wird weniger konsumiert, weil sich die Menschen den Besuch im Restaurant sparen und auch der Getränkehersteller PepsiCo ist heute deutlich weniger optimistisch, was die Konsumentenstimmung anbelangt als noch vor drei Monaten.
Steigende Importe verzerren die Zahlen
Thomas Rühl, Anlagechef bei der Schwyzer Kantonalbank, stimmt der Aussage des Airline-Chefs Jordan zu: «Vermutlich befinden sich die USA bereits in einer Rezession.» Stimmungsindikatoren wie Umfragen bei CEOs oder Konsumentenbarometer würden schon länger darauf hindeuten. Diese hätten sich in der Vergangenheit jeweils als recht robust erwiesen. Die Stimmung der Konsumenten in den Vereinigten Staaten habe sich eingetrübt. «Man verzichtet auf Dienstleistungen, die nicht unbedingt nötig sind», sagt Rühl.
Die offiziellen Zahlen BIP-Zahlen für die Vereinigten Staaten wird am Mittwoch veröffentlicht. Diese dürften tiefer ausfallen als in den Quartalen zuvor. Wuchs die Wirtschaft im Vorquartal noch um 2,4 Prozent, rechnen die Marktteilnehmer nun noch mit einem geringen Wachstum von 0,4 Prozent, wie die Zürcher Kantonalbank schreibt.
Diese Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Das hat vor allem mit den Importen zu tun. Die Wirtschaftsentwicklung der ersten drei Monate des Jahres würden durch sogenanntes Frontloading verzerrt, sagt Rühl. «Das bedeutet, dass Unternehmen bereits vor der Einführung der Zölle versucht haben, möglichst viel in die USA zu importieren und ihre Lager zu füllen». Im Januar und im Februar sei bereits eine erhöhte Aktivität feststellbar gewesen.
Laut den Daten des «Bureau of Economic Analysis» wurden im Februar etwa mehr Smartphones, Computer und medizinische Ausrüstung in die Vereinigten Staaten importiert. Gemäss Rühl führe dies möglicherweise dazu, dass dann in den kommenden Monaten weniger importiert wird. Die Unternehmen bauen ihre Lager ab, was erneut zu verzerrten Wachstumszahlen führen könnte.
Erst mit den Zahlen für das dritte Quartal, die im Oktober veröffentlicht werden, dürfte die Statistik wieder besser der Realität entsprechen. Zu diesem Schluss kommen die beiden Ökonomen Johannes von Mandach und Klaus Wellershoff in einer aktuellen Studie. «Was auf den ersten Blick wie ein Konjunktureinbruch aussieht, ist bei genauerem Hinsehen primär das Ergebnis statistischer Effekte bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts», schreiben sie.
In die Berechnung des BIP fliesst der Wert sämtlicher im Inland produzierter Waren und Dienstleistungen. Importe erscheinen dagegen als negativer Beitrag. Die in den vergangenen Monaten stark gestiegenen Importe könnten nun laut den beiden Autoren dazu führen, dass das tatsächliche Wirtschaftswachstum der USA in den offiziellen Zahlen unterschätzt wird. Denn in der Praxis lasse sich kaum unterscheiden, ob importierte Güter direkt weiterverwendet oder zwischengelagert werden. Sie schätzen, dass das BIP für das erste Quartal um bis zu 1,3 Prozentpunkte tiefer ausgewiesen werden könnte, als es tatsächlich gewachsen ist.
Unternehmen setzen den Rotstift an
Die verzerrten Wachstumszahlen sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, wie hoch die Unsicherheit über die weitere Entwicklung in den USA ist. «Das grosse Problem für die Unternehmen ist jedoch, dass sie die Wirtschaftspolitik von Donald Trump kaum fassen können», sagt Keller von Independent Credit View. Zwar hat der amerikanische Präsident die Zölle um 90 Tage ausgesetzt. Was nach dem Moratorium geschieht, sei jedoch unklar. Die wenigsten rechnen damit, dass die Zölle wieder ganz verschwinden werden.
Erst einmal haben die Zölle das Vertrauen in die amerikanische Wirtschaft beschädigt. Die Unternehmen sind deutlich vorsichtiger geworden. Sie stoppen ihre Investitionen, senken Kosten für externe Berater oder stellen weniger Personal ein. «Wir müssen die Dinge kontrollieren, die wir kontrollieren können. Was wir nicht kontrollieren können, müssen wir zumindest versuchen abzumildern», so Mark George, CEO des Bahnbetreibers Norfolk Southern gegenüber Investoren.
Keller ist jedoch nach wie vor optimistisch, was die Aussichten für die Unternehmen anbelangt. «Inzwischen sind die meisten krisenerprobt», sagt er. Nach der Corona-Pandemie kamen die Inflation und die Zinswende. Nun die Zölle. Positiv stimmt ihn, dass sich die meisten Firmen beim Schuldenmachen diszipliniert gezeigt hätten. Für ihn ist die Frage nach der Verschuldung und der finanziellen Flexibilität matchentscheidend um gut durch diese Krise zu kommen. Während der Corona-Pandemie war die Unsicherheit für die Firmen zudem viel höher als jetzt, meint er. Von einem Tag auf den anderen stand alles still und niemand habe gewusst, wann die Lockdowns aufgehoben und die Wirtschaft wieder anläuft.