Montag, November 25

Albert Baehny ist als Präsident des Sanitärtechnikkonzerns Geberit und des Pharmazulieferers Lonza selbst im AHV-Alter einer der mächtigsten Wirtschaftskapitäne der Schweiz. Nun tritt er bei Lonza zurück. Von der Börse kommt viel Beifall.

Es gibt Manager, die über unendlich viel Energie zu verfügen scheinen, selbst über das Pensionsalter hinaus. Albert Baehny ist 71 und als Verwaltungsratspräsident der beiden Grosskonzerne Geberit und Lonza noch immer einer der einflussreichsten Wirtschaftskapitäne der Schweiz. Beim Sanitärtechnikunternehmen Geberit hat er das Präsidium schon seit 2011 inne. Die Oberaufsicht beim Pharmazulieferer Lonza wurde ihm 2018 übertragen.

«Es ist Zeit, dass ich mich endlich um mich kümmere»

Nun ist aber selbst für Baehny der Zeitpunkt gekommen, um kürzer zu treten. Am Freitag wurde bekannt, dass er an der kommenden Lonza-Generalversammlung (GV) im Mai das Präsidium abgeben wird. «Es ist Zeit, dass ich mich endlich um mich kümmere», sagte Baehny im Gespräch mit der NZZ.

Als spontanen Entscheid will er die Ankündigung seines Rücktritts nicht verstanden wissen. Er habe schon im Frühling vergangenen Jahres dem Verwaltungsrat von Lonza mitgeteilt, dass er die Absicht habe, aus dem Gremium auszuscheiden. Somit sei genügend Zeit für die sorgfältige Suche eines Nachfolgers zur Verfügung gestanden.

Noch kein Nachfolger für die Geschäftsleitung

Noch kann sich Baehny nicht ausschliesslich als Pensionär betätigen und sich um seinen geliebten Garten kümmern. Denn es ist noch offen, wann er das Präsidium bei Geberit abgeben wird. «Heute rede ich über Lonza», sagte er dazu kurz angebunden. Und selbst bei Lonza wird Baehny noch über die GV hinaus gefordert sein. Beim weltgrössten Auftragsfertiger der Pharmaindustrie wirkt er nämlich seit Ende vergangenen Septembers in Personalunion auch als CEO – und dies schon zum zweiten Mal.

Baehny blieb laut eigenen Angaben nichts anderes übrig, als im Herbst erneut interimistisch die Geschäftsführung zu übernehmen. Der damalige Konzernchef Pierre-Alain Ruffieux habe die Erwartungen des Verwaltungsrats nicht erfüllt. Bereits im Jahr 2019 verliess der damalige CEO, Mark Funk, aus angeblich «persönlichen Gründen» den Konzern. Auch damals musste Baehny kurzerhand als Geschäftsführer einspringen. Ruffieux hielt sich immerhin knapp zwei Jahre auf seinem Posten.

Neuer Präsident bringt Erfahrung von Heineken mit

Baehny soll der Niederländer Jean-Marc Huët nachfolgen. Mit Jahrgang 1969 ist der ehemalige Goldman-Sachs-Banker, der als derzeitigen Beruf «Firmenchef» angibt und seinen heutigen Wohnsitz in der Schweiz hat, deutlich jünger.

Als ehemaliger Finanzchef des Konsumgüterkonzerns Unilever sollte Huët das nötige Rüstzeug mitbringen, um die global aufgestellte Lonza-Gruppe zu beaufsichtigen. Dank seiner früheren Tätigkeit beim US-Medikamentenhersteller Bristol-Myers Squibb, wo er ebenfalls als Finanzchef wirkte, verfügt er auch über Erfahrung in der Pharmabranche. Seit 2019 amtiert er als Chairman des Brauereikonzerns Heineken – «mit Erfolg», wie Baehny unterstreicht. Er bezeichnete seinen designierten Nachfolger im Präsidium als «brillante Wahl».

Acht Kandidaten für den CEO-Posten

Der Name des neuen Konzernchefs sollte laut Baehny Ende dieses Quartals oder spätestens Anfang des zweiten Jahresviertels feststehen. Man habe bis anhin acht Personen ausfindig gemacht, die für den Posten infrage kämen. Als Nächstes soll eine Shortlist mit höchstens drei Kandidaten zusammengestellt werden. Bei der Auslese werde Huët dabei sein, sagte Baehny.

Die Kündigungsfrist für Führungskräfte beträgt in der Regel sechs Monate. So gesehen wird Baehny möglicherweise noch bis im vierten Quartal interimistisch die Geschäfte bei Lonza leiten müssen. Dazu sei er bereit, versichert er.

An der Börse kam die Ankündigung seines Rücktritts aus dem Präsidium gut an. Der Aktienkurs von Lonza stieg am Freitag bis zum Nachmittag um fast 15 Prozent auf 425.60 Franken. Mit für den Höhenflug dürften aber auch die jüngsten Geschäftszahlen verantwortlich gewesen sein, bei denen sich Anleger auf weniger Erfreuliches gefasst gemacht hatten.

Lonza hat noch einiges an Vertrauen gutzumachen

Aktienkurs in Franken

Im vergangenen Jahr hatte Lonza die Investorenschaft noch mit zwei Gewinnwarnungen verschreckt. Dies war ein Grund, weshalb Ruffieux gehen musste. Der Verwaltungsrat warf ihm vor, ungeschickt kommuniziert zu haben.

Konzernerlös fällt über den Erwartungen aus

Allerdings schaffte es auch Baehny als direkter Vorgesetzter offensichtlich nicht, Ruffieux besser anzuleiten. Bei Geberit hatte er von 2005 bis 2014 selbst als Konzernchef gewirkt und dabei gelernt, worauf es in der Geschäftsführung eines kotierten Grosskonzerns ankommt. Vieles von dem hätte er dem unerfahrenen damaligen Lonza-Chef mitgeben können. Ruffieux war vom Grosskunden Roche als bisheriger Chief Operating Officer mit Verantwortung für die betrieblichen Prozesse und damit ohne CEO-Erfahrung zu Lonza gestossen.

Im vergangenen Jahr steigerte Lonza den Umsatz um 8 Prozent auf 6,7 Milliarden Franken. Damit übertraf er um 3 Prozent bzw. um rund 200 Millionen Franken die durchschnittliche Erwartung der Finanzanalytiker.

Das Unternehmen profitierte davon, dass seine Leistungen im Bereich der Herstellung und Mitentwicklung von Biotech-Medikamenten nach wie vor stark nachgefragt wurden. Schlechter lief es dem Konzern in der Produktion von Kapseln für Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, bei deren Kauf sich Konsumenten zurückhielten. Viele Haushalte scheinen noch immer über grosse Vorräte aus der Zeit der Corona-Pandemie zu verfügen, als solche Produkte in Rekordmengen verkauft wurden.

Überraschender Rückzug in China

Enttäuschend entwickelte sich Lonza im letzten vollständigen Jahr unter der Präsidentschaft Baehnys in Sachen Profitabilität. Die Umsatzrendite auf Stufe Betriebsergebnis (Ebit) halbierte sich beinahe von 24,8 auf 13,1 Prozent. Dabei setzen dem Unternehmen Wertberichtigungen sowie Restrukturierungskosten im Gesamtwert von über 230 Millionen Franken zu. Sie wurden durch die Stilllegung zweier Biotech-Werke in den USA und China verursacht.

In China zieht sich Lonza damit überraschend vollständig aus der Fertigung biotechnologischer Produkte zurück. Der Entscheid, die Biotech-Herstellung in das Reich der Mitte auszuweiten, war erst Ende 2018 und damit am Anfang der Präsidentschaft Baehnys getroffen worden. 2021 hatte sich der Konzern entschlossen, zusätzlich in Guangzhou eine Abfülllinie für die aus Zellkulturen hergestellten hochpotenten Medikamente in Betrieb zu nehmen. Allerdings unterschätzte die Konzernführung die starke Konkurrenz durch einheimische Anbieter. Es herrsche ein aggressiver Wettbewerb, und es gebe in China allgemein Überkapazitäten, räumt Baehny nun zähneknirschend ein.

2024 «flaches Umsatzwachstum» erwartet

Für 2024 bestätigt Lonza die Erwartung, dass in Lokalwährungen mit einem «flachen Umsatzwachstum» zu rechnen sei. Dies bedeutet indes nichts anderes, als dass die Einnahmen gegenüber dem Vorjahr stagnieren dürften. Am Nachfolger Baehnys wird es liegen, den Konzern wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Am mittelfristigen Ziel, den Umsatz zwischen 2025 und 2028 jährlich um 11 bis 13 Prozent zu steigern, hält die Unternehmensführung trotzig fest.

Ungeachtet der jüngsten Avance scheint im Aktienkurs aber noch erhebliche Unsicherheit über die künftige Leistungskraft des Konzerns enthalten zu sein. Gegenüber dem Allzeithoch von fast 780 Franken, das im Spätsommer 2021 erreicht worden war, haben die Titel nach wie vor um 45 Prozent an Wert verloren.

Exit mobile version