Freitag, November 29

Skipper mit knappem Budget haben auch neben dem Wasser Abenteuer zu überstehen wie etwa der Genfer Alan Roura: Er hauste auch schon monatelang in einem Van oder schlief in einem Container auf einer aufblasbaren Matratze.

Oliver Heer ist glücklich. Er hat den Äquator überquert und steuert nun das Kap der Guten Hoffnung an. Er lag als Letztes an der Vendée Globe weit zurück, auf Rang 35 von 40 gestarteten Seglerinnen und Seglern. Diese Platzierung ist in etwa das, was für den Neuling und ersten Deutschschweizer an der Solo-Weltumseglung drin liegt.

Heers Teilnahme an der Regatta stand lange auf Messers Schneide. Weil ihm monatelang der Hauptsponsor fehlte, der das Abenteuer überhaupt erst möglich machen konnte. Erst im vergangenen Sommer fand er ein Schweizer Familienunternehmen aus der Gesundheitsbranche, beheimatet in seinem Geburtsort, das bereit war, seine Kampagne mit einem hohen sechsstelligen Betrag zu unterstützen.

Heer verzichtete lange auf einen Lohn und investierte eigenes Geld in sein Ziel, die Welt im Rennmodus zu umsegeln. Viele seiner Konkurrenten hatten das gleiche Problem. Die Finanzierung eines solchen Projekts erfordert je nachdem einen mehrjährigen Prozess.

Grosse Rennställe mit solventen Sponsoren verfügen über Budgets in zweistelliger Millionenhöhe

In diesem Jahrtausend hat sich die internationale Offshore-Szene zunehmend professionalisiert, mit der alle vier Jahre stattfindenden Vendée Globe als Höhepunkt. Grosse Rennställe mit solventen Sponsoren dominieren die Szene; sie verfügen über Budgets in zweistelliger Millionenhöhe. An der gegenwärtigen Vendée Globe sind dreizehn neue Open-60-Jachten zum Stückpreis von sieben Millionen Euro am Start.

Die finanziell potenten Segler sind es auch, die fast ausnahmslos in Führung liegen und den Sieg unter sich ausmachen werden. Aber auch die Boote der zweiten Generation sind nicht billig: Die Open 60 der Genferin Justine Mettraux kostete mehr als vier Millionen Euro. Die neuen Foils, von einem privaten Mäzen bezahlt, stehen mit einer Million Euro zu Buche.

Für jene, die ein kleines Budget haben, sieht die Situation wenig rosig aus. Diese Segler sind, ähnlich wie viele Filmschaffende, ewig auf der Suche nach Geld, um grosse Träume zu verwirklichen. Schulden werden gemacht, kaum ein Lohn bezahlt, Freunde helfen bei Arbeiten an Bord – überall wird gespart. In bester Erinnerung ist das Beispiel des Westschweizers Bernard Stamm, der noch heute wegen seiner Segel-Abenteuer verschuldet ist: Ende der 1990er Jahre baute er seine erste Open 60 mithilfe der Dorfbevölkerung von Lesconil.

Just dieses Boot hat Alan Roura vor neun Jahren für seine erste Vendée Globe erstanden. Der Genfer ist das Paradebeispiel dafür, wie Hochseesegler buchstäblich am Hungertuch nagen, um ihre Ziele anzupeilen. Mit Aurélia, seiner damaligen Freundin und heutigen Mutter seiner Kinder, hauste Roura monatelang in einem Van. Später, in Lorient, musste er sein Motorrad verkaufen, um den ersten Monat an Liegegebühren für seine Open 60 bezahlen zu können. Er wohnte dann in einem zwanzig Quadratmeter grossen Container, wo es nichts anderes gab als eine Schlafstelle: eine aufblasbare Matratze.

Doch der junge Mann mit seinem dunklen Bart und dem gewinnbringenden Lächeln kam gut an. Roura fand einen heimischen Sponsor und ein Budget von 300 000 Euro, das ihm die Teilnahme als damals jüngstem Vendée-Globe-Segler ermöglichte.

Segler, die für die Weltumseglung einen erheblichen finanziellen Kraftakt auf sich nehmen, sind keine Seltenheit: Tanguy Le Turquais beispielsweise investierte 10 000 Euro an Ersparnissen und nahm einen Kredit von 400 000 Euro auf, um eine gebrauchte, aber leistungsstarke Imoca für eine Million Euro zu kaufen. Eine Gruppe von Investoren hatte den Rest finanziert.

Aber mit dem Kauf eines Bootes ist es noch längst nicht getan: Mindestens so hoch sind die mehrjährigen Betriebskosten. Sie variieren und können bei den solventesten Teams bis zu zehn Millionen Euro betragen. Dazu kommen an der Vendée Globe die Anmeldegebühren in der Höhe von gut 60 000 Euro und die Versicherung des Bootes, die in der Regel acht bis zehn Prozent des Bootswerts ausmacht. Ein Kostenfaktor sind überdies die Qualifikationsregatten.

Auch bei den Löhnen gibt es enorme Unterschiede, das Gefälle ist gross. Etwa zwei Dutzend der Spitzensegler verdienen sechsstellige Jahressaläre, in der Szene spricht man von «Managergehältern». Justine Mettraux kann da (noch) nicht mithalten: Eine französische Fachzeitschrift hat ihr Gehalt mit 5000 Euro netto pro Monat angegeben.

Der Sieger der Vendée Globe erhält 200 000 Euro

Antoine Mermod, der Verantwortliche für die Imoca-Klasse, sagt: «Der Beruf des Skippers ist prekär und schwierig.» Einige gingen «grosse finanzielle Risiken ein». Das ist auch aus einer Umfrage der französischen Tageszeitung «Ouest-France» ersichtlich, die unter den Vendée-Globe-Teilnehmern durchgeführt wurde; 24 der 40 Skipper und Skipperinnen nahmen an ihr teil. Gemäss dieser verdienen knapp 46 Prozent mehr als 45 000 Euro pro Jahr, die Mehrheit weniger. Manche kommen auf weniger als 15 000 Euro pro Jahr.

Diese Zahlen machen deutlich: Wer in den Segelsport einsteigt, macht es nicht, um reich zu werden. Auch die Preisgelder sind, im Vergleich zu anderen Sportarten wie Fussball oder Tennis, eher bescheiden: Der Sieger der Vendée Globe erhält 200 000 Euro, der Zweite 140 000 Euro. Insgesamt steht eine Preissumme von 800 000 Euro zur Verfügung.

Selbst Segler, die im Laufe ihrer Karriere gute Resultate erzielten, müssen oft lange warten, bis sich ihr Traum vom Start an der Vendée Globe erfüllt. Der Franzose Nicolas Lunven, dessen Kampagne vom Schweizer Konzern Holcim finanziert wird und der vor kurzem den fünften Zwischenrang belegte, war einst zweimal gescheitert. Nun sagte er zur NZZ. «Das Schwierigste war, dieses Projekt überhaupt zu realisieren.»

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