Freitag, November 1

Forscher haben Farben entwickelt, die nicht nur hübsch aussehen, sondern zugleich den Wärmeaustausch zwischen innen und aussen merklich reduzieren.

Zweimal mit dem Spray drüber – und fertig? Die Wärmeisolierung von Gebäuden stellt man sich eigentlich anders vor. Aber womöglich bieten neue Isolierschichten, die nur mehr per Sprühdose aufgetragen werden, künftig Möglichkeiten, um Häuser, Fabrikhallen oder Fahrzeuge besser zu kühlen oder zu warm zu halten.

Eine Forschergruppe der Stanford University entwickelte jetzt Isolierfarben, die nicht nur hübsch aussehen, sondern zugleich den Wärmeaustausch zwischen innen und aussen merklich reduzieren. Bei heissem Wetter verhindern sie, dass Gebäude sich zu sehr aufheizen, und bei kaltem Wetter, dass sie zu sehr auskühlen. Die neuen Beschichtungen sind kostengünstig und können auch bei Altbauten nachgerüstet werden.

Energieverluste aufgrund mangelhafter Wärmedämmung sind weltweit beträchtlich, am meisten in Industrieländern, wo die meiste Energie umgesetzt wird. Eine gut gedämmte Gebäudehülle verhindert, dass teuer bezahlte Heizenergie ungenutzt nach aussen entweicht oder Aufheizung von aussen mit Airconditioning weggekühlt werden muss.

Weltweit werden für Heizung und Kühlung rund 13 Prozent aller Energie aufgewendet. Gebäude sind dabei die Hauptsünder. Ihre Heizung und Airconditioning verschlingen etwa in den USA rund 40 Prozent der Gebäudeenergie. Fast ebenso beachtlich ist, was Transporte von Lebensmitteln und anderen empfindlichen Gütern an Energie brauchen. Nach Branchenaussagen frisst die Kühlung der LKW rund die Hälfte der Transportkosten.

Ruhende Luft dient als Isolator

Entsprechend gross ist der Bedarf an effizienter Isolierung. Eine Methode nutzt die Physik der Leere. Da geht es darum, die Wärmeleitung durch molekulare Bewegungen auszubremsen. Das bedeutet: Ein perfekter Isolator wäre leerer Raum, also das Vakuum. Solche Vakuum-Isolations-Paneele gibt es auch, mit winzigen Vakuumporen, eingebettet in ein Siliziumpulver und gut verpackt. Bei gleicher Dicke isoliert eine solche Schicht rund fünfmal so gut wie herkömmliche Dämmstoffe. Allerdings sind diese Schichten auch zehn- bis zwanzigmal so teuer wie etwa Glaswolle.

Üblicherweise werden Gebäude daher mit günstigeren porösen Materialien isoliert, vor allem Polymerschäumen, etwa mit Platten aus Styropor, geschäumtem Polyurethan. In deren Poren eingeschlossen ist Luft, die sich nicht bewegen kann. Diese ruhende Luft ist nicht nur ein kostenloser Isolator, sondern sorgt zu einem guten Teil auch für einen exzellenten Wärmewiderstand der Dämmung.

Auch andere traditionelle Stoffe sind in Gebrauch: Glas-, Stein- und Holzwolle, auch Hanf und Stroh. Doch Wunder vollbringen diese Naturstoffe nicht. Um typischen Normwerten für neue Gebäude zu entsprechen, müssen die Schichten bei Glaswolle schon 20 Zentimeter dick sein. Etwas besser performen noch Aerogele. Dabei handelt es sich um Siliziumschäume mit zahllosen Poren, die zu 99 Prozent aus Luft bestehen. Sie dämmen zwar rund 2,5-mal so stark wie Styropor, sind aber teuer.

Beschichtungen werfen Licht zurück

Als zweite Methode zum Kühlen und Wärmen verwenden Bautechniker Beschichtungen, die Infrarotwellen reflektieren, also Wärmestrahlung – wie Spiegel, die einfallendes Licht zurückwerfen. Das bringt Wandfarben ins Spiel, die nicht nur ansprechend aussehen, sondern auch isolieren sollen. Das hängt vom Farbton ab: Eine weiss gestrichene Wand reflektiert etwa drei Viertel des eingestrahlten Lichts, eine schwarze nur 5 Prozent.

Auch metallisierte dünne Folien, eingezogen zwischen Wände, können da helfen. Sie sind zwar wirksam, reflektierten aber nicht nur Infrarot, sondern auch sichtbares Licht. Das lässt solche Gebäude metallisch aussehen – sie sind also eher hässlich. Das mag bei Industriehallen durchgehen, ist aber bei privaten Wohnanlagen nicht wirklich vermittelbar.

Wie also herauskommen aus der Zwickmühle zwischen dick auftragenden Schaumstoffen und unästhetischen Reflexionsschichten? Die kalifornischen Forscher um Yi Cui, Professor für Nanomaterialien an der Stanford University, hatten eine clevere Idee: Doppelschichten. Einmal sprühten sie eine hochreflektierende Schicht aus Aluminiumflocken auf. Solche Aluminiumflocken sind günstig zu kaufen. Zart aufgetragen, orientieren sich die Partikel parallel zur Oberfläche zu einem Film, der 85 Prozent der einfallenden Infrarotstrahlung reflektiert.

Darüber sprühten sie eine zweite Schicht aus Pigmenten, die im sichtbaren Licht für kräftige Farben sorgen wie übliche Farbanstriche. Doch für Infrarotlicht sind sie völlig durchsichtig. Zusammen reflektieren die beiden hauchdünnen Schichten Wärmewellen über zehnmal so gut wie konventionelle Farben gleicher Tönung.

Die Pigmente, die in der oberen Schicht für kräftige Farben sorgen, sind ebenfalls billige Standardprodukte: Preussisch-Blau, rote und gelbe Eisenoxide und weisses Zinkoxid. Solche Farben wurden schon in der Altsteinzeit verwendet. Anders als die Neandertaler nutzen die kalifornischen Forscher jedoch Nanopigmente, die für Infrarotstrahlen transparent sind. Erst so winzige Farbpartikel mit Dimensionen zwischen zwanzig und tausend Nanometern streuen und absorbieren die Infrarotwellen kaum mehr. Aufsprühen lassen sie sich ganz simpel als Suspension in einer Azetonlösung und einem Bindemittel.

7,4 Prozent lassen sich einsparen

Mit dieser Doppelschicht von wenigen Mikrometern Stärke «gelingen starke, undurchsichtige Farben, fast ohne die Infrarotreflexion der Aluminiumschicht zu trüben», kommentiert der britische Physiker Philip Ball im Fachblatt «Nature Materials». Aus den drei Primärfarben liessen sich zudem weitere Farbtöne mixen. Die Forscher erprobten ihre Doppelschicht in Stanford nicht nur im Labor, sondern auch an einem Universitätsgebäude.

Bei typischen Apartmenthäusern der USA betrage die Einsparung insgesamt 7,4 Prozent. Der Auftrag erlaube kräftige Farben, so dass er auch allen ästhetischen Bedürfnissen von Privathäusern und Transportfahrzeugen gerecht werde. Ausserdem sei die Doppelschicht wasserabstossend, binde rasch, sei gut haltbar gegen Licht- und Umwelteinflüsse sowie leicht zu reinigen.

Den Materialphysiker Philip Ball erinnert diese Arbeit daran, dass nicht immer gleich neue und teure Technologien erforderlich wären, wenn es um Energieeffizienz und Klimaschutz geht. Es reiche manchmal, «Materialien zu nutzen, die schon lange im Gebrauch sind – in diesem Fall schon Jahrtausende –, kombiniert mit kreativem Denken».

Exit mobile version