Mittwoch, Februar 5

Auch das Staatssekretariat für Migration prüft Auszahlungen via Debitkarten statt Bargeld.

Die Medien nannten ihn den «Hassprediger von Biel». Der Imam Abu Ramadan hetzte in einer Bieler Moschee gegen andere Religionen und bezog zwischen 2003 und 2017 rund 600 000 Franken Sozialhilfegelder. Gleichzeitig kursierten von ihm Bilder im Internet, die ihn als «religiösen Begleiter» in einem Luxushotel in Mekka zeigten.

Der 2017 von der «Rundschau» des Schweizer Fernsehens aufgedeckte Fall befeuerte die Kritik am Schweizer Asylsystem. Es müsse verhindert werden, dass Schweizer Steuergelder, die an Asylsuchende ausbezahlt würden, ins Ausland flössen, wurde kritisiert. Nun blicken viele interessiert in den Norden. Deutschland hat kürzlich beschlossen, bis zum Sommer landesweit eine Prepaid-Karte für Flüchtlinge einzuführen.

Sie funktioniert wie eine andere Bankkarte, einfach ohne Konto-Bindung und nur in Deutschland. Man kann bezahlen wie mit einer anderen Debitkarte, aber keine Überweisungen tätigen. Deutsche Politiker hoffen, dass Wirtschaftsflüchtlinge, die bloss ein Asylgesuch stellen, um möglichst viel Geld in die Heimat zu schicken, so abgeschreckt werden.

Die SVP macht auf allen Ebenen Druck

Auch in der Schweiz kommt das Thema nun auf den Tisch. Die SVP hat in den Kantonen Basel-Stadt und St. Gallen entsprechende Vorstösse eingereicht. Eine Bezahlkarte minimiere das Risiko für Missbräuche und illegale Aktivitäten, schreibt die Partei in einer Medienmitteilung. Zudem sei der Geldfluss nachverfolgbar. Mit Abschreckung argumentiert die SVP ebenfalls. Sie hofft, dass unbegründete Anträge von Wirtschaftsflüchtlingen so zurückgehen. Auch in anderen Kantonen sind gleichlautende Motionen in der Pipeline.

Der SVP-Nationalrat Mike Egger will auch im eidgenössischen Parlament einen Vorstoss für Gebührenkarten einreichen. Er befürchtet, die Einführung einer Bezahlkarte in Deutschland werde zu einer Ausweichbewegung in die Schweiz führen. Für welche Asylkategorien sie eingesetzt werden sollten, habe die SVP noch nicht definiert, sagt er auf Anfrage. «Ich könnte mir vorstellen, die Praxis auf alle Personen auszuweiten, die über den Asylweg in die Schweiz gekommen sind und Geld vom Staat erhalten», sagt er auf Anfrage. Betroffen wären dann auch Personen mit Aufenthaltsstatus B, die Sozialhilfe beziehen. Dafür Mehrheiten zu finden, dürfte allerdings schwierig werden, denn dann stellen sich heikle Fragen in Bezug auf die Gleichbehandlung verschiedener Sozialhilfebezüger mit Aufenthaltsstatus B.

In Deutschland ist die Bezahlkarte nur für jene Geflüchteten gedacht, die noch im Asylantragsverfahren stecken, und für jene mit Duldungsstatus. Letzteres entspricht in der Schweiz dem Status «vorläufig aufgenommen». Diese Personen können zwar keine Asylgründe geltend machen, man kann sie aber auch nicht in ihr Herkunftsland zurückschicken, beispielsweise weil ihr Leben dort in Gefahr wäre oder weil die Herkunftsländer keine Rückführungen erlauben.

Wenig überraschend kommt von links Kritik an der Idee: Solche Bezahlkarten brächten bloss einen bürokratischen Mehraufwand, sagte die SP-Nationalrätin Céline Widmer gegenüber dem «Blick». Allerdings spricht auch der FDP-Ständerat Damian Müller, sonst einer harten Gangart in der Asylpolitik nicht abgeneigt, von einem «bürokratischen Monster», das keine Probleme lösen werde. Sie könnten mit dem Geld einfach Waren erwerben und verschieben, gibt er zu bedenken. Ferner wird moniert, Überweisungen ins Ausland lohnten sich erst dann, wenn Asylsuchende Arbeit gefunden hätten. Genau für diesen Fall ist die spezielle Bezahlkarte aber nicht vorgesehen.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) prüft bereits, ob ein Bedarf für solche Debitkarten besteht. Allerdings wird die Sozialhilfe in den Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes heute vorwiegend in Form von Sachleistungen ausgerichtet. In bar erhalten die Asylsuchenden nur ihr Taschengeld: 3 Franken pro Tag. Sobald sie den Kantonen zugewiesen würden, sei das SEM nicht mehr zuständig, sagt die Sprecherin Magdalena Rast.

Kantone reagieren unterschiedlich

Der Kanton Basel-Stadt reagiert skeptisch auf die Karten-Idee. Sonja Körkel vom Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt sagt: Der Grundsatz, dass der Beitrag für den Grundbedarf zur freien Verfügung stehe, gelte für alle Sozialhilfebezüger. Der Geldbetrag für Asylsuchende liege deutlich unter dem schweizweit definierten Existenzminimum. Für diese Zielgruppe noch weitere Einschränkungen vorzunehmen, wäre problematisch.

Positiver ist die Rückmeldung des Kantons Aargau. Die Einführung einer Bezahlkarte würde zwar vorerst zu administrativem Mehraufwand führen, sagt Michael Hassler, der Sprecher des zuständigen Departements. Es sei aber ein interessanter Ansatz. Allerdings erhielten vorläufig Aufgenommene und Personen mit Schutzstatus S im Aargau wöchentlich nur 63 Franken für Verpflegung und Taschengeld. Der Spielraum für Geldverschiebungen sei damit gering. In manchen Kantonen sind die Leistungen höher. In Basel-Stadt bekommen Personen mit noch offenem Asylentscheid 19 Franken 40 pro Tag.

In Deutschland gehen die Meinungen zur Bezahlkarte ebenfalls auseinander. Zwar haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten der Länder im November auf das Modell geeinigt. Boris Rhein als deren Vorsitzender präsentierte die Massnahme als Wundermittel, das die Anreize für illegale Migration nach Deutschland ebenso senke wie den Verwaltungsaufwand bei den Behörden und gleichzeitig die Schlepperkriminalität unterbinde. Andere Stimmen warnen aber vor Diskriminierung und bezweifeln einen Effekt auf die illegale Migration. Sie wenden ein, Asylsuchende könnten weiter über Umwege an Bargeld kommen. Beispielsweise indem sie Zigaretten kauften und auf dem Graumarkt weiterverkauften. Deutsche Wissenschafter fordern nun eine Begleitung der Massnahme, um herauszufinden, ob sie die gewünschte Wirkung erreicht.

Den eingangs erwähnten Prediger Abu Ramadan hätte man mit dem Debitkarten-Modell kaum vom Besuch arabischer Luxushotels abhalten können. Fünf Jahre nach ihrem Asylentscheid können Asylsuchende in der Schweiz eine reguläre Aufenthaltsbewilligung B beantragen. Damit dürften sie die Kartenpflicht wieder los sein. Immerhin: Der Hassprediger wurde vom Bieler Regionalgericht wegen Betrugs und Rassismus verurteilt und wurde für sechs Jahre des Landes verwiesen.

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