Donnerstag, Oktober 3

Viele Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich im eigenen Land zunehmend als Fremde. Das muss nicht sein. Von Zugezogenen darf erwartet werden, dass sie mit der Zeit eine Landessprache beherrschen.

«English, please» wird einem vom Servierpersonal im Café oder an der Bar zu verstehen gegeben, und das mitten in Zürich, Basel oder in Zug. Dasselbe kann einem auch beim Zahnarzt oder beim Sportartikelhändler passieren.

Fachkräfte ohne Kenntnisse der Lokalsprache

Englisch, die weltweit mit Abstand am meisten gesprochene und verstandene Sprache, ist auch in der Schweiz auf dem Vormarsch. Dies hängt vor allem mit den Arbeitskräften zusammen, die Jahr für Jahr zu Zehntausenden neu aus dem Ausland zuziehen.

Viele von ihnen sind selbst nicht englischer Muttersprache, doch weil sie kein Deutsch oder Französisch sprechen, unterhalten sie sich in der Fremdsprache, die ihnen am geläufigsten ist. Und dies ist vor allem bei Fachkräften in aller Regel Englisch.

Viele Schweizerinnen und Schweizer sprechen auch selbst gerne Englisch. Die Sprache geht ihnen einfacher von der Zunge als das Französische oder – im Fall der Romands – das Deutsche. Immer häufiger wird das Englische selbst bei Gesprächen über den Röstigraben hinweg benutzt.

Und doch verbreitet sich in der Schweiz ob des wachsenden Gebrauchs der englischen Sprache ein gewisses Unbehagen. Am Arbeitsort, in der Beiz, im Schwimmbad, im Quartier, beim Bäcker, überall höre man Englisch, beklagen sich selbst Bewohner, die weit gereist sind, internationale Bekanntschaften pflegen und sich überdurchschnittlich gut auf Englisch verständigen können. Dabei fällt auch immer wieder der Hinweis, dass manche Zugezogene selbst nach jahrelangem Aufenthalt in der Deutschschweiz noch immer kaum ein Wort Deutsch sprächen.

Behörden machen es Zugezogenen zu einfach

Schlecht dazu passt, dass die Schweiz von Zugezogenen ohne Kenntnisse der Landessprachen erwartet, dass sie dieses Manko rasch beheben. «Die Kenntnis einer Landessprache ist eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche berufliche und soziale Integration», schreibt das Staatssekretariat für Migration unmissverständlich auf seiner Website.

Doch vor allem gut qualifizierte Zuzüger foutieren sich oft um diese Erwartung. Dabei machen es ihnen die Behörden auch einfach, denn noch immer brauchen sich für den Erhalt einer Aufenthaltsgenehmigung (Ausweis B) nur die Ehegatten für einen Sprachkurs anzumelden – und auch dies nur, wenn sie selbst nicht arbeiten. Beim Besuch des Kurses wird zudem lediglich die Erlangung elementarster mündlicher Kenntnisse des Niveaus A1 erwartet. Viel mehr als sich vorzustellen sowie Adieu und Danke zu sagen, lernt man dort nicht.

Etwas höher sind die Hürden erst bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) nach ununterbrochen zehnjährigem Aufenthalt in der Schweiz. Dann können auch sonst noch so gut ausgebildete Manager oder Zahnärztinnen den Spracherwerb hierzulande nicht mehr den Ehegatten überlassen. Sie müssen belegen, dass sie im Schriftlichen wenigstens das tiefste Niveau A1 und im Mündlichen das nächsthöhere Niveau A2 erfüllen.

Allerdings genügt auch das nicht, um in der Schweiz einen einfachen Zeitungstext zu verstehen oder einigermassen sattelfest Kundengespräche zu führen. Dafür ist die dritte Stufe, das Niveau B1, im Minimum erforderlich. Es wird – mit gutem Grund – auch bei Einbürgerungsgesuchen vorausgesetzt.

Auch Arbeitgeber stehen in der Verantwortung

Die Schweiz übt dank ihrer hohen Lebensqualität eine grosse Anziehungskraft auf internationale Fachkräfte aus. Im Gegenzug sollte sie aber auch schneller und entschiedener Kenntnisse der jeweiligen Landessprache einfordern, die am Wohnort der zugezogenen Person gesprochen wird.

Dabei stehen nicht nur die Migrationsbehörden in der Verantwortung, sondern auch die Arbeitgeber. Statt ihre Beschäftigten nach der Ankunft aus dem Ausland in Sprachkurse zu schicken, sagen sich viele, das sei doch alles kein Problem, da im Unternehmen ohnehin mehrheitlich Englisch gesprochen werde.

Damit drücken sich Unternehmen nicht nur vor der Integration ihrer Beschäftigten an deren neuem Lebensort. Sie nehmen auch in Kauf, dass innerhalb der einheimischen Bevölkerung und damit bei den Stimmbürgern Rufe nach einer Begrenzung der Zuwanderung zusehends lauter werden.

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