Ein virales Video zeigt, wie zwei digitale Assistenten in eine unverständliche Sprache für Maschinen wechseln. Die Menschen bleiben dabei aussen vor.
Menschliche Sprache ist für künstliche Intelligenz (KI) überflüssig. Diesen Eindruck erweckt ein Video, das seit vergangener Woche auf Linkedin und X geteilt wird. Darin meldet sich der KI-Sprachassistent eines Hotels am Telefon: «Danke für Ihren Anruf beim Hotel Leonardo. Wie kann ich Ihnen heute helfen?» Der Anrufer möchte ein Zimmer reservieren: «Hi, hier ist der AI-Agent von Boris Starkov. Er sucht ein Hotelzimmer für seine Hochzeit.»
Als die Hotel-KI erkennt, dass ihr Gegenüber ebenfalls eine KI ist, schlägt sie vor, vom Englischen in den «Gibberlink-Mode» zu wechseln. Nun führen die beiden Maschinen ihr Gespräch in einer schnellen, schrillen Piepssprache weiter. Gibberlink heisst sie. KI-Systeme übertragen dabei mithilfe von akustischen Signalen Daten zwischen zwei Geräten. Online lässt sich diese Funktion von Gibberlink auch selbst ausprobieren. Für die Menschen, die dem Gespräch der KI folgen möchten, gibt es Untertitel.
Das Piepsen erinnert einen Linkedin-Nutzer an den Ton eines Modems beim Einwählen ins Internet, ein anderer ist begeistert, ein dritter zeigt sich besorgt: «Sollten wir uns Sorgen machen, wenn KI in einer Sprache spricht, die Menschen nicht verstehen können?» Auf X schreibt ein Nutzer: «Das ist erschreckend . . . der Wechsel zu Gibberlink lässt vermuten, dass wir bald nicht mehr gebraucht werden.» Wo bleiben die Menschen, wenn sie die KI nicht mehr verstehen?
80 Prozent effizienter als menschliche Sprache
Die Idee hinter KI-Agenten ist, dass sie alltägliche Aufgaben übernehmen. Sie sollen eigenständig Termine koordinieren, Mails schreiben, Bestellungen vornehmen und auch Hotelzimmer buchen oder einen Tisch reservieren. Dazu müssen KI-Agenten in der Lage sein, sowohl mit Menschen als auch mit anderen KI-Systemen zu interagieren. Wenn zwei KI-Agenten miteinander kommunizieren, gibt es dabei keinen Grund, eine menschliche Sprache zu sprechen.
Menschliche Sprache ist anfällig für Missverständnisse und ausserdem für KI-Systeme aufwendig zu generieren. Diese Probleme soll die KI mit der Geheimsprache umgehen können. Die Meta-Entwickler Boris Starkov und Anton Pidkuiko entwickelten Gibberlink während eines Hackathons der KI-Firma Elevenlabs in London. Ein Hackathon ist ein Wettbewerb, bei dem Entwickler, Designer und Ingenieure innert eines kurzen Zeitraums eine kreative Lösung für ein Problem erarbeiten sollen.
Gibberlink soll Zeit, Rechenpower und Energie sparen. Luke Harries von Elevenlabs schreibt auf X: «KI-Agenten können für eine fehlerfreie Kommunikation sorgen, die 80 Prozent effizienter ist. Das ist atemberaubend.»
What if an AI agent makes a phone call, then realizes the other person is also an AI agent?
At the ElevenLabs London Hackathon, Boris Starkov and Anton Pidkuiko introduced a custom protocol that AI agents can switch into for error-proof communication that’s 80% more efficient… pic.twitter.com/9XKq52fKnK
— Luke Harries (@LukeHarries_) February 24, 2025
Deshalb griffen Starkov und Pidkuiko auf eine Technologie namens «GGWave» zurück. Diese Technik sendet sehr kleine Datenpakete über Schall. Sie wird schon jetzt genutzt, zum Beispiel zwischen Drohnen in abgelegenen Gebieten oder für kontaktlose Datenübertragung von Passwörtern. In Zukunft könnten auch smarte Küchengeräte oder militärische Geräte Informationen über Schall austauschen.
Der Vorteil ist, dass das auch dann funktioniert, wenn keine Netzwerkverbindung besteht. Stattdessen brauchen die Geräte aber Lautsprecher und Mikrofone. Und dann kann die Kommunikation, genau wie menschliche Sprache, von Hintergrundgeräuschen gestört werden. In den meisten Situationen dürfte es für Maschinen einfacher sein, ihre Daten direkt über WLAN, Bluetooth oder Netzwerke auszutauschen – ganz ohne Ton.
Eine Schnittstelle bietet die bessere Lösung
Statt dass ein KI-Chatbot einen anderen anruft und in der Gibberlink-Sprache ein Zimmer bucht, wäre es viel effizienter, wenn die KI über eine Schnittstelle direkt auf das Buchungsprogramm zugriffe. Auch diesen Vorgang können Menschen nicht sehen, aber besser dokumentieren und nachverfolgen.
Diese Nachverfolgbarkeit geht mit der Gibberlink-Sprache verloren. Zu hören ist nur eine unverständliche Sprache. Das löst bei vielen Menschen Zukunftsängste und Weltuntergangs-Gedanken aus, wie die Postings in den sozialen Netzwerken zeigen. Die Pieps-Geheimstimme lässt den Menschen zu offensichtlich aussen vor. Es fehlt die Transparenz darüber, was die KI wirklich macht.
«Gibberlink klingt sehr hektisch und aggressiv. Wenn sie melodisch klänge, wie zum Beispiel R2-D2, der kleine Roboter aus den Star-Wars-Filmen, wäre das vielleicht positiver aufgenommen worden, weil es niedlich klingt», sagt die Psychologin Marisa Tschopp, die zur Interaktion zwischen Menschen und KI forscht.
Für das virale Video war dieser hektische Ton genau der richtige. Es erregte Aufmerksamkeit, der PR-Gag spielt mit dem Hype um eine KI, die Menschen überflüssig macht. Tschopp sagt: «Das Video dient als Anti-Werbung. Diese Technologie ist so stark. KI ist so gefährlich.» Mehr wollten die Entwickler auch bisher nicht erreichen. Eine kommerzielle Anwendung für Gibberlink gibt es derzeit noch nicht.
Auch das Telefonat im Video zwischen den KI-Agenten folgt einem detaillierten Prompt und dem Drehbuch der beiden Entwickler. Die beiden KI-Agenten wechselten nicht einfach zufällig die Sprache. Sie bekamen genaue Anweisungen, was sie sagen und antworten sollen.
Mit Gibberlink lösten die Entwickler Starkov und Pidkuiko die Aufgabe des Hackathons und gewannen damit auch den Wettbewerb. Ihr KI-System konnte sowohl mit einem Menschen auf Englisch als auch mit einer KI in einer für Computer besser verständlichen Art kommunizieren.
KI braucht aber keine Sprache, um effizient zu kommunizieren. Sie verfügt über weit präzisere und leistungsfähigere Möglichkeiten als der Mensch. Mit ihrer Entwicklung und durch die eigene Sprache haben die Forscher der Maschine menschliche Züge gegeben. «Die Vermenschlichung der Maschinen ist tief in der KI-Entwicklung verankert. Entwickler wollen ein Abbild des Menschen schaffen – eines, das sogar noch besser ist», sagt Marisa Tschopp. Das verunsichert die Menschen.
Gerade die grosse Stärke moderner Sprachmodelle liegt darin, dass sie es uns ermöglichen, mit Maschinen in natürlicher Sprache zu interagieren. Eine für Menschen unverständliche Piepssprache leistet hingegen keinen echten Fortschritt. Sie verbessert nicht die Effizienz der Kommunikation, sondern sorgt vor allem für Aufmerksamkeit – und schürt Misstrauen gegenüber neue Technologien.