Sonntag, November 24

Das Magazin «Emma» erklärt die Spitzenpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zum «Sexist Man Alive 2024». Es ist eine üble persönliche Herabwürdigung aus politischen Gründen.

Schon der Tonfall ist übergriffig. Marie-Agnes Strack-Zimmermann sei «ein Paradefall gegen die grassierende Transideologie» und beweise, dass Frauen keine «Hormone schlucken, geschweige denn sich die Brüste abnehmen lassen» müssten, um «ein ganzer Kerl» zu sein. Beim einstigen feministischen Vorzeigeheft «Emma» pflegt man nun also Verstümmelungsphantasien und formuliert sexualisierten Ekel. Mit der Intention, die eigene ideologische Verrenkung in Sachen Krieg gegen die Ukraine aus der weiblichen Natur einer unliebsamen Spitzenpolitikerin heraus zu begründen.

Mit seriösem Journalismus ist es nicht zu erklären, weshalb eine Frau einen Schmähpreis verdient haben soll, den die deutsche Frauenzeitschrift – in Anlehnung an die Auszeichnung «Sexiest Man Alive» des amerikanischen «People»-Magazins – für Männer erfunden hat. «Emma» stellt damit Prominente an den Pranger, die sich nach Meinung der Redaktion besonders mit Sexismus hervortun («Sexist Man Alive»). Vorangegangene Preisträger waren etwa der Rapper Kollegah (2019 wegen seiner «enthemmten» Frauenfeindlichkeit) oder Papst Franziskus (2021 wegen seiner Ablehnung von Frauen im Priesteramt).

Krieg und Frieden

Weshalb aber gebührt nach Meinung von Alice Schwarzers Truppe der Politikerin Strack-Zimmermann die zweifelhafte Ehre? Denn «eigentlich», so muss selbst «Emma» in ihrer «Würdigung» einräumen, «eigentlich» sei Marie-Agnes Strack-Zimmermann, derzeit EU-Abgeordnete und frühere Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, «ein wahres feministisches Role-Model. Mutter, Kinderbuch-Vertreterin im Ruhestand.»

«Eigentlich»: Es rügt die strenge Tante Emma, als ginge es um ein Mädchen, das ganz und gar nicht ihren Vorstellungen entspricht, und nicht um eine Spitzenpolitikerin. Diese wiederum sei «berühmt-berüchtigt», weil angeblich niemand sonst so «penetrant pro Waffen für die Ukraine und gegen Friedensverhandlungen» streite. Strack-Zimmermann würde «Russland am liebsten sofort eigenhändig in die Luft jagen», meint «Emma».

Abgesehen davon, dass für eine solch dahingesagte Behauptung jeglicher Beweis fehlt: In ihrem früheren Job als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag hat sich Strack-Zimmermann eben einfach nicht mit der Zucht von Friedenstauben beschäftigt. Es geht im Verteidigungsausschuss um Fragen wie Aufrüstung und Waffenlieferungen und damit um Abwägungen, denen sich Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht mit ihrer Forderung nach Friedensverhandlungen komplett verweigern. Mit Sexismus hat Strack-Zimmermanns politische Stossrichtung nichts zu tun. Eher schon verfolgt Schwarzers Magazin mit dieser Preisvergabe das Ziel, hier Propaganda zu betreiben für den politischen Kuschelkurs der BSW-Vorsitzenden Wagenknecht gegenüber dem russischen Aggressor Putin.

Das ist das eine, und Alice Schwarzer müsste bereit sein, darüber zu diskutieren. Zum Beispiel mit Claudia Major. Die Politikwissenschafterin stellte früh die Frage, ob man durch das grosse Zögern (Stichwort: Waffenlieferungen) dem Frieden näher komme oder ihn nicht letztlich verhindere, weil man dadurch Moskau zur Eskalation erst einlade. Wenn Waffenlieferungen eingestellt würden, so Major, führe das letztlich dazu, dass die Ukraine überrannt werde.

«Maulheldin» mit «Helm-Frisur»

Das andere ist, wie Frauen auch im Jahr 2024 in solchen «männlichen» Funktionen, wie Strack-Zimmermann sie innehat, nach wie vor anders beurteilt werden. Und dafür steht nun ausgerechnet das neue Heft von «Emma», das einen Negativpreis nicht politisch begründet, sondern rein ad personam: Es geht schlicht darum, eine Politikerin zu psychologisieren, wenn es heisst, diese neige im Amt zur «Überkompensation». Statt sachlicher Kritik wird die Frau als «Maulheldin» mit «Helm-Frisur» beschrieben, die «schon mal in der Lokalpolitik üben» durfte.

Die Frauenbewegung sprach sich einst dafür aus, dass Frauen alles können und dürfen, was auch Männern erlaubt ist. Oder dass sie für gleiche Arbeit gleiches Geld erhalten. Oder über ihren Körper selber bestimmen, wenn es um das Recht auf Abtreibung geht.

Dass die Welt in diesen Bereichen Fortschritte gemacht hat, das ist und bleibt auch das Verdienst einer Feministin und Journalistin wie Alice Schwarzer. Dass Verachtung von Frauen im Kleinen beginnt, beispielsweise indem man unliebsamen Vertreterinnen ihre Weiblichkeit aberkennt und sie zum Mannweib erklärt, das hat Schwarzer über Jahrzehnte am eigenen Leib erlebt. Umso fassungsloser macht einen dieser Beitrag von «Emma» über Strack-Zimmermann.

Frauenverachtung

Die von Schwarzer gegründete feministische Zeitschrift «Emma» leiht sich den Namen von der «Emanzipation», er fordert Freiheit und Gleichheit und mahnt, Menschen nicht aufgrund beispielsweise des Geschlechts zu diskriminieren. War es nicht der Kerngedanke jedes Feminismus, dass Frauen von der ihnen zugeschriebenen Geschlechterrolle abweichen, Männerberufe ausüben oder Männerklamotten tragen dürfen, ohne dass sie deswegen herabgesetzt und blossgestellt werden?

Wenn es noch des Anschauungsmaterials bedurft hätte für die Zurichtung, die der Feminismus in der letzten Dekade erfahren hat – ausgerechnet «Emma» liefert es hier.

Auch Frauen sind zu Misogynie fähig, pflegen Frauenhass und würdigen Frauen herab. Eine Frauenzeitschrift allerdings, die mit persönlichen Abwertungen den individuellen Lebensentwurf einer Frau, deren berufliche Identität angreift, um sie zu diskreditieren, hat ihre Glaubwürdigkeit verloren.

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