Prominente wie jüngst Lindsay Lohan oder Donatella Versace lassen sich Filler im Gesicht auflösen, und im Internet wird spekuliert, was sie stattdessen vorgenommen haben, um natürlicher auszusehen. Haben sich die Bedürfnisse im Bereich der ästhetischen Chirurgie verändert?
Frau Adelsberger, in Hollywood zeichnet sich mit Donatella Versace und Lindsay Lohan ein Trend ab. Eingriffe werden zum Teil rückgängig gemacht, alles soll insgesamt natürlicher und einfach frischer aussehen. Wie kommt das?
Wenn ich von meiner Kundschaft ausgehe, bestand der Wunsch nach natürlichem Aussehen eigentlich schon immer. Durch die prominenten Beispiele gewinnt das langsam die Überhand. Heute ist es out, künstlich auszusehen.
War es einmal in, künstlich auszusehen?
Ich glaube, das ist kulturell bedingt. In der Schweiz wurden Schönheitseingriffe generell dezenter gehalten als in Amerika. Wenn ich beispielsweise einer Amerikanerin die Brüste so operieren würde wie einer Schweizerin, wäre sie enttäuscht.
Zur Person
Dr. med. Rosmarie Adelsberger
Seit 2016 arbeitet die Ärztin in der Plastic Surgery Pyramide in Zürich. Aufgrund von Verbrennungen im Gesicht erhielt sie als Kind eine Hauttransplantation, was sie schon früh mit plastischer Chirurgie in Kontakt kommen liess. Schliesslich schloss sie 2010 ihr Medizinstudium ab. Ihr Fokus liegt im Bereich der Gesichts-, Brust- sowie Intimchirurgie.
Wieso?
Weil man nicht sehen würde, dass die Brüste operiert sind. In den USA gilt eine sichtlich gemachte Oberweite auch als Statussymbol. Deshalb ist der Trend zur Natürlichkeit wie bei der Schauspielerin Lindsay Lohan nun auffälliger, weil bislang das Künstliche im Fokus stand.
Woran liegt es, dass es hier schon immer etwas anders war?
Die Patienten hier möchten nach einer Behandlung nicht anders aussehen, sondern einfach jünger. Es stört die meisten, wenn ihre optischen Veränderungen im Gesicht auffallen.
Kommt es bei Ihnen auch vor, dass Personen ihre Filler auflösen wollen?
Das gibt es ganz oft, ja. Zum Beispiel, wenn es woanders zu einem billigen Preis und falsch gespritzt wurde.
Ist dies vielleicht auch ein Grund dafür, dass sich derzeit eine Trendwende abzeichnet? Laut Bundesrat dürften Kosmetikerinnen nur unter Verantwortung einer Ärztin und mit einer entsprechenden Weiterbildung Produkte anwenden, die länger als 30 Tage im Körper bleiben. Mittlerweile gibt es jedoch viele Anbieter, die nicht über diese medizinische Ausbildung verfügen.
Ja, das ist sicher abschreckend. Wer solche Behandlungen anbietet, sollte in der Lage sein, mögliche Komplikationen wie Infektionen oder – im schlimmsten Fall – einen Gefässverschluss fachgerecht zu behandeln. In diesem Fall habe ich da meine Zweifel. Ich glaube aber, generell sind die Leute etwas sensibler. Sie möchten nicht, dass zu viel gespritzt wird. Deshalb ist mein Vorgehen auch immer schrittweise.
Wie sollten Filler denn gespritzt werden, damit es am Ende nicht künstlich aussieht?
Das kommt auf die Art des gespritzten Fillers an. Hyaluronsäure zum Beispiel sorgt dafür, dass die Haut etwas dicker wird, wodurch die Fältchen weggehen. Gestrafft wird die Haut so aber nicht. Viele haben das Gefühl, dass sie durch Spritzen von Volumen wieder jünger aussehen. Das ist es aber, was das Ergebnis künstlich aussehen lässt. Zu viel Filler kann schnell unnatürlich wirken. Falten lassen sich nur chirurgisch wegmachen.
Wo sind die Grenzen von Filler und Botox?
Wenn jemand zu viel Haut und dadurch viele Falten hat, ist das nur chirurgisch, also per Lifting, lösbar. Mit Fillern sieht die Haut temporär ein bisschen schöner und straffer aus. Damit erzeugt man quasi eine Art «optische Täuschung», welche die überschüssige Haut vorübergehend kaschiert. Doch hier sind die Grenzen erreicht. Die Haut, die zu viel ist, lässt sich letztlich nur chirurgisch entfernen.
Aber auch ein Facelift kann den Alterungsprozess nicht aufhalten.
Das stimmt. Schneidet man die Haut aber weg, dauert es viel länger, bis sie den gleichen Zustand wie vor dem Eingriff erreicht. Nach einem Facelift sieht man in zehn Jahren immer noch besser aus, als wenn man es nicht gemacht hätte.
Wie erzielt man beim Facelift ein gutes Ergebnis?
Das erfordert präzise Technik und eine individuelle Planung. Wichtig ist, dass das Gesicht danach nicht verzogen wirkt, sondern seine natürliche Ausstrahlung behält. Die Haut soll nicht nur gestrafft, sondern auch die tieferen Gewebeschichten sollten anatomisch korrekt repositioniert werden. Das Ziel ist, dass der Patient nach dem Eingriff so aussieht, wie er früher ausgesehen hat. Nur frischer, nicht verändert.
Und woher weiss ich, welche von all diesen Behandlungen, die heutzutage propagiert werden, also von Filler über Laser bis zu einem Facelift, zu mir passt?
Das ist vom Bedürfnis abhängig. Ich lasse die Patientin jeweils schildern, was sie stört. Daraufhin zeige ich die verschiedenen Optionen auf, die sie hat.
Wie reagieren Ihre Patientinnen, wenn Sie ihnen ein Facelift vorschlagen?
Das ist ganz unterschiedlich. Oft wird die Idee anfangs abgelehnt. Viele bevorzugen zunächst nichtinvasive Behandlungen wie Botox oder Filler. Diese biete ich ihnen gerne an. Vorausgesetzt, sie erzielen einen sichtbaren Effekt. Oft hilft es, sich schrittweise an den Gedanken eines Facelifts heranzutasten. Doch letztlich kann keine nichtinvasive Methode die Ergebnisse eines chirurgischen Eingriffs ersetzen.
Wie lange fällt man nach einem Facelift aus?
Grundsätzlich ist man relativ schnell wieder fit. Wer Home-Office hat, kann nach drei, vier Tagen wieder arbeiten. Sozial fällt man dafür länger aus. Gerade, wenn man nicht möchte, dass das Umfeld den chirurgischen Eingriff bemerkt. Bis ungefähr zwei Wochen nach der OP sieht man die Pflaster auf den Narben.
Es braucht viel Vertrauen, sich unters Messer zu legen. Wie gewinnen Sie dieses?
Vertrauen entsteht vor allem in der ersten Sprechstunde. Zunächst frage ich die Patientin oder den Patienten, was sie stört. Danach folgt eine gründliche klinische Untersuchung. Wenn es auch aus medizinischer Sicht Sinn ergibt, dann gewinnen die Patienten an Vertrauen.
Wann ergibt es Sinn?
Wenn Aufwand und Ertrag stimmen. Ein Facelift dauert ungefähr vier Stunden. Kommt jemand Junges, der nur einen halben Zentimeter überschüssige Haut hat, dann lohnen sich diese vier Stunden nicht. Auch in Anbetracht der Risiken auf Verletzungen.
Kommt es also vor, dass Sie Eingriffe verweigern?
Ja. Ich hatte zum Beispiel einmal eine Patientin mit sehr schönen Beinen. Keine Cellulite, keine Dellen, nichts. Sie wollte trotzdem Fett absaugen. Das wollte ich nicht machen. Mir war das Risiko zu gross, dass sie danach Unebenheiten und Narben hat, die sie schliesslich mehr stören.
Ist es umgekehrt manchmal komisch, den Patienten zu sagen: «Ja, Ihre Beine sind wirklich zu dick?»
Eher das Gegenteil wäre komisch. Man ist sicher diplomatisch in der Art und Weise, wie es formuliert wird. Aber wenn sie guten Grund haben, bejaht man es schon.
«Es ist ähnlich wie mit der Pflege eines Autos. Schauen wir diesem immer gut, wird es irgendwann zum Oldtimer.»Rosmarie Adelsberger
Wieso, glauben Sie, kommen junge Leute zu Ihnen?
Junge Menschen kommen zu mir, weil sie etwas an sich stört oder sie sich eine Veränderung wünschen. Social Media spielen dabei sicherlich eine Rolle. Sieht man bestimmte Schönheitsideale ständig, entsteht häufig der Wunsch, etwas Ähnliches für sich umzusetzen. Doch gerade bei operativen Trends, wie etwa dem «Brazilian Butt-Lift», ist Vorsicht geboten. Nicht jede Modeerscheinung ist auch medizinisch sinnvoll.
Wie spüren Sie heraus, ob es der eigene Wunsch ist oder ob die Patientin beeinflusst wurde?
Wenn es nicht eine Eingebung von heute auf morgen war. Die meisten haben wirklich jahrelang überlegt, bis sie schliesslich zu uns in die Beratung kommen.
Gehen Sie anders an junge Patientinnen heran?
Nicht wirklich. Die meisten haben tatsächlich schon ein paar Falten. Ich finde es gut, wenn man immer ein bisschen etwas macht. Es ist ähnlich wie mit der Pflege eines Autos. Schauen wir diesem immer gut, wird es irgendwann zum Oldtimer.
Wären Sie selbst eher angeregt oder abgeneigt, einen Eingriff machen zu lassen?
Es kommt immer darauf an. Störe ich mich tagtäglich an etwas, dann muss ich etwas machen. Ich möchte schon in den Spiegel schauen und mir gefallen. Abgeneigt bin ich nicht.
Wieso schämen wir uns überhaupt für das Älterwerden?
Viele fühlen sich einfach jünger, als sie aussehen. Diese Diskrepanz möchten sie überbrücken. Und genau dafür ist die ästhetische Medizin und Chirurgie da. Damit man so aussieht, wie man sich fühlt.