Dienstag, November 5

Zürich finanziert einen Wettbewerb, der «inspirierende Ideen für die Stadtverwaltung» generiert.

Was haben eine welkende Blume, eine «immersive Kunsterfahrung» und eine anonyme Bewertungsplattform gemeinsam?

Es sind Ideen für den Klimaschutz. Die Stadt Zürich hat sie prämiert und sponsert die Umsetzung. Die Bevölkerung soll die Stadt beim Erreichen der städtischen Klimaziele unterstützen. Getreu dem Motto «Keine Massnahme zu klein, ein Beitrag zum Klimaschutz zu sein». Hervorgegangen sind die Ideen aus einer Innovationsplattform namens Climathon in Zürich.

Hunderte von Millionen Franken gibt die Stadt Zürich jedes Jahr für den Klimaschutz aus. Das Geld wird investiert in Fernwärmenetze, in den Ausbau des öV oder die CO2-Entnahme aus der Luft. In den Bereichen Energie, Mobilität und Entsorgung liegt am meisten Potenzial, um CO2 einzusparen.

Aber eben: Die Zürcherinnen und Zürcher sollen bitte mithelfen. Gegenwärtig testet die Stadt in einem Quartier, wie sie die Bevölkerung zu einem klimaneutralen Verhalten erziehen kann. Der Einfluss der Stadt bleibt aber begrenzt. Fleischessen und Fliegen kann sie niemandem verbieten.

Also versucht sie es mit «Nudging»: Anreize schaffen, um die Menschen zu einem umweltfreundlicheren Verhalten zu bewegen.

Deshalb werden am Laufmeter neue Projekte geboren: eine Klima-Charta für die Gastronomie, autofreie Quartiere, Bepflanzungsaktionen für Balkone.

Verwelkende Pflanze soll Senioren ans Trinken erinnern

Nun hat die Stadt Zürich einen neuen Projekterfolg verkündet: den Climathon, einen Ideenwettbewerb für den lokalen Klimaschutz, der seit mehreren Jahren durchgeführt wird. Am Wochenende sind in Zürich 150 Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Non-Profit-Organisationen und Verwaltung zusammengekommen, um 32 Stunden lang «neue Klimaschutzlösungen» in den Bereichen Mobilität, Klimaanpassung, Kunst und Kultur zu erarbeiten. In Teams mussten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer «Klima-Challenges» stellen.

Das Resultat: fünfzehn Projektideen, von denen eine Jury sechs auswählte und mit insgesamt 40 000 Franken auszeichnete. Vier hätten die Jury besonders überzeugt.

9000 Franken etwa gingen an das «Kaleido Fäscht», ein Fest mit interaktiven Ausstellungen zu Klimaschutz-Themen. Es lädt die Zürcherinnen und Zürcher zu einer «immersiven Kunsterfahrung ein, die dazu inspiriert, sich eine Welt vorzustellen, in der Kreativität und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen». Bildlich vorzustellen vermag man sich dies freilich nur schwer.

Ebenfalls 9000 Franken erhielt das Projekt Elderflower für Senioren. Elderflower ist die englische Bezeichnung für Holunderblüten, und sie enthält einen Wortwitz, der nur im Englischen funktioniert: «elder» bedeutet «älter». Jedenfalls ist Elderflower ein «einfach zu bedienender Assistent» in Form einer verwelkenden Pflanze, die Senioren daran erinnern soll, regelmässig zu trinken.

Mit 7000 Franken prämiert wurde das Projekt Green Door für eine öffentliche Online-Plattform. Auf dieser sollen Mitarbeitende anonym bewerten, wie nachhaltig ihr Unternehmen agiert. Dies ermögliche es bei der Stellensuche, potenzielle Arbeitgeber anhand von Nachhaltigkeitskriterien zu vergleichen.

Die Idee orientiert sich an bestehenden Plattformen, bei denen es um Mitarbeiterzufriedenheit geht. Diese richten sich an Stellensuchende. An wen sich Green Door richtet, ist weniger offensichtlich. Man kann sich fragen, ob wirklich ein Effekt zu erwarten ist, wenn Arbeitnehmende ihre Arbeitgeber anonym als Klimasünder anschwärzen können.

Bonussystem soll zu klimafreundlichem Reisen motivieren

Schliesslich hat die Jury das Projekt Greenmiles mit 5000 Franken ausgezeichnet, ein Bonussystem, das zu klimafreundlichem Reisen motivieren soll. Wer nicht ins Flugzeug steigt, sondern den Bus oder den Zug nimmt, soll für die eingesparte CO2-Menge Punkte erhalten und diese bei einem «Partnerunternehmen» einlösen. Wobei sich die Schwierigkeit ergibt, dass jeder, der im Zug reist, behaupten kann, er hätte eigentlich das Flugzeug nehmen wollen.

Der Climathon ist keine Zürcher Erfindung, sondern wurde initiiert von einer europäischen Klimaschutz-Organisation namens Climate-KIC. Den Anlass in Zürich hat das Startup-Netzwerk Impact Hub organisiert, die 40 000 Franken Preisgeld hat die Stadt Zürich springen lassen. Als Partner traten Google und das nachhaltige Textilunternehmen Patagonia auf.

Die Gewinnerteams müssen sich dazu verpflichten, das Preisgeld ins Projekt zu investieren – es darf nicht als Lohn ausgezahlt werden, wie eine Sprecherin der städtischen Dienstabteilung Umwelt- und Gesundheitsschutz (UGZ) gegenüber der NZZ sagt.

Ein Jahr lang stehen den Teams zwei Fachexperten aus der Stadtverwaltung und dem Impact Hub für «fachliche Fragen und Vernetzungen» zur Verfügung. Danach geben die Teams einen Schlussbericht zum Projekt und zum Einsatz der finanziellen Mittel ab.

Ein Blick auf die prämierten Projekte der vergangenen Jahre zeigt, dass einige nach wie vor bestehen: Cyclix etwa, eine Online-Plattform für Veloreparaturen. Oder Lightwave, eine Plattform zur Direktvermarktung von Lebensmitteln. Andere hingegen haben nicht überlebt.

Wie sinnvoll ist es, Geld in solch kleine Projekte zu investieren? Die Sprecherin aus dem UGZ bleibt vage. Die Stadt Zürich werte das Konzept und den Output des Climathons als einen Erfolg, weil daraus «inspirierende Ideen für die Stadtverwaltung und für die Realisierung grösserer und kleinerer Projekte generiert werden». Auch Projekte in Form «einer Bedürfnisevaluation oder Grobkonzeption», die es nicht über das Ideenstadium geschafft hätten, lieferten «wertvolle Erkenntnisse».

Dass nicht alle Gewinnerprojekte im präsentierten Umfang realisiert werden, habe praktische Gründe: Projektumsetzungen seien ressourcenintensiv, und das Preisgeld diene nur einer Anschubfinanzierung.

Um die langfristige Wirkung des Climathons in Zürich zu überprüfen, wird eine externe Evaluation durch die Forschungsgruppe Nachhaltigkeitskommunikation und Umweltbildung der Hochschule ZHAW durchgeführt.

Die Gewinnerteams aus dem Climathon 2024 müssen nach einem Jahr einen Schlussbericht zum Projekt und zu dessen Stand der Umsetzung abliefern und angeben, wohin die finanziellen Mittel geflossen sind. Klar ist jetzt schon: Einen grossen Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstosses werden sie kaum leisten.

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