Donnerstag, Oktober 31

Kohlenhydrate, Fette und Proteine: Die Hauptbestandteile im Essen liefern dem Körper nicht nur die benötigte Energie, sie sind auch wichtige Bau- und Betriebsstoffe. Nicht alles ist aber lebensnotwendig.

Dieser Beitrag ist Teil der NZZ-Serie «Ich nehme ab», die von Januar bis Mitte April 2023 erschienen ist. In den Texten beschreibt der Wissenschaftsredaktor und Mediziner Alan Niederer einen Selbstversuch und vermittelt wichtige Informationen zu den Themen Übergewicht und Abnehmen.

Fakten und Zusammenhänge: Die Frage nach der besten Diät

Wer erfolgreich und nachhaltig abnehmen will, muss meist – mehr oder weniger stark – seine Ernährungsgewohnheiten umstellen. Es wird auch von Diät gesprochen. Will man meiner «Diät» einen Namen geben, könnte man sie als «low-carb mediterranean diet» bezeichnen. «Low-carb» steht für die reduzierte Menge an Kohlenhydraten («carb» ist die englische Kurzform von «carbohydrates»). Der zweite Teil des Namens verweist auf die als besonders gesund geltende traditionelle Ernährungsweise in den Mittelmeerländern – wobei der moderne Lifestyle mit Junk- und Fast Food auch in dieser Region längst Fuss gefasst hat.

Wie es viele Wege nach Rom gibt, gibt es auch viele Ernährungswege zum Idealgewicht. Die eine schraubt lieber den Fettgehalt des Essens etwas herunter, der andere macht längere Essenspausen im Sinne des Intervallfastens. «Alles ist gut und kann funktionieren», sagt der Stoffwechselspezialist Marc Donath vom Universitätsspital Basel. Und ergänzt: «Solange man mit seinem Ernährungsregime ein Kaloriendefizit aufrechterhalten kann.»

Was aber macht eine gesunde, ausgewogene Ernährung aus? Die Beantwortung dieser Frage hat schon kilometerweise Bücher gefüllt. Ich versuche es ganz einfach: Eine solche Ernährung versorgt den Körper mit genügend Energie und den benötigten Nährstoffen. Dazu gehören auch Vitamine, Spurenelemente, Ballaststoffe und vieles mehr.

Doch beginnen wir mit den grossen Brocken, den drei Makronährstoffen: Kohlenhydrate, Fette und Proteine. Sie bilden die Basis der Ernährung. Denn sie liefern dem Körper nicht nur die Energie, die er für seinen Stoffwechsel braucht. Sie erfüllen auch lebenswichtige Funktionen im Körper.

Die drei Makronährstoffe Kohlenhydrate, Fette und Proteine bilden die Basis der Ernährung

In welchem Verhältnis Kohlenhydrate, Fette und Eiweisse täglich gegessen werden sollten, hängt von so vielen Faktoren ab – etwa, ob jemand abnehmen, sein Gewicht halten oder Muskeln aufbauen will –, dass es wenig hilfreich ist, die Leute mit Richtwerten für die Makronährstoffverteilung zu belästigen. Ich jedenfalls wüsste nicht, wie ich eine Zahlenangabe wie beispielsweise 40 bis 50 Prozent Kohlenhydrate, 15 bis 25 Prozent Proteine und 20 bis 30 Prozent Fette im Alltag umsetzen sollte.

Zielführender ist der Ansatz der Lebensmittelpyramide. Hier sehe ich auf einen Blick, bei welchen Speisen ich bedenkenlos zugreifen kann (z. B. Gemüse, Früchte, Tee) und von was ich weniger bzw. nicht täglich essen sollte.

Meine Erfahrung mit der Ernährung im Experiment (Woche 2)

Ein weiteres Kilogramm ist gefallen (siehe Resultate-Infografik am Schluss des Beitrags). Entsprechend zufrieden bin ich. Es geht mir gut, und ich habe ausreichend Energie für meine täglichen Verpflichtungen. Aber es gibt schon Einschränkungen. So habe ich diese Woche an einem Apéro auf der Redaktion mit Wasser statt mit Prosecco angestossen. Und vom leckeren Buffet habe ich mir nur ein paar Trauben gegönnt . . .

Damit sind wir mitten im Thema Essen. Ich sage bewusst nicht Diät, denn das Wort weckt bei vielen negative Assoziationen. Zu Recht, gibt es doch viel zu viele angebliche Wunderdiäten, mit denen man schnell und bequem abnehmen können soll. Beides ist falsch. Um den gefürchteten Jo-Jo-Effekt zu vermeiden, sollte man nicht schnell abnehmen, sondern langsam, dafür aber nachhaltig. Und ja, es braucht schon ein bisschen Anstrengung. Oder wie der Volksmund sagt: Von nichts kommt nichts.

Übrigens: In der Medizin hat das Wort «Diät» keinen negativen Beigeschmack. Es wird als Synonym für Ernährung verwendet. Und diese soll in erster Linie gesund sein, also ausgewogen und nicht einseitig wie bei vielen einschlägigen «Diäten». Wenn ich also einen Tipp geben darf: Finger weg von obskuren Ernährungsempfehlungen! Buchen Sie lieber einen Termin bei einer anerkannten Ernährungsberaterin.

Das habe ich getan: bei Jolanda Arnold.

Jolanda Arnold arbeitet im Stoffwechselzentrum des Kantonsspitals Olten. An anderen Kliniken heisst diese Abteilung Adipositas-Sprechstunde. Bei unserem eineinhalbstündigen Termin hat sie mir keine konkreten Kalorienvorgaben gemacht. Dafür bin ich ihr dankbar, denn Kalorienzählen würde nicht zu meiner Vorstellung von einem guten Leben passen. Trotzdem ist ihre Beratung darauf angelegt, dass ich täglich rund 500 Kilokalorien weniger esse, als mein Körper verbraucht. Das ist der übliche Wert, mit dem eine Person gut und nicht zu schnell Gewicht verlieren sollte. Warum? Weil er oder sie dann eine negative Energiebilanz aufweist (siehe Text: Von Kalorien und Energiebilanzen – ein Selbstexperiment).

Jolanda Arnold hat mir auch keine Vorschriften gemacht, wann ich was essen darf oder soll. Stattdessen hat sie sich meine Essgewohnheiten im Detail schildern lassen und dann bei einigen Punkten Optimierungsvorschläge gemacht. Diese Art der individualisierten Beratung, die auf die Persönlichkeit und die Präferenzen der abnehmwilligen Person Rücksicht nimmt, ist für mich der Schlüssel zum Erfolg. Denn der Ansatz berücksichtigt, dass Übergewicht ganz unterschiedliche Ursachen hat. Ebenso individuell sollten Beratung und Therapie sein.

Was ich nun beim Essen konkret verändert habe, lässt sich grob in fünf Punkten zusammenfassen:

  1. Ich esse etwas mehr Proteine und weniger Kohlenhydrate. Das zeigt sich zum Beispiel beim Frühstück: Habe ich bisher ein Müesli plus ein bis zwei Brotschnitten mit Butter und Marmelade gegessen, muss ich mich jetzt zwischen den beiden Möglichkeiten entscheiden (weniger Kohlenhydrate). Um zu mehr Proteinen zu kommen, reichere ich mein Müesli nicht mehr mit Naturejoghurt an, sondern zum Beispiel mit Magerquark. An Brot-Tagen esse ich zusätzlich noch ein Stück Hartkäse, ein Ei, etwas Lachs usw.
  2. Ich esse mehr Gemüse. Das zeigt sich zum Beispiel beim Mittags- oder Abendessen. Da achte ich darauf, dass mein Teller zur Hälfte mit Gemüse gefüllt ist; ein Viertel des Tellers enthält die Proteinquelle (z. B. Fleisch, Fisch, Tofu), das letzte Viertel die Kohlenhydratbeilage (z. B. Nudeln, Reis, Kartoffeln).
  3. Früchte esse ich nicht mehr als Znüni oder Zvieri, sondern integriere sie zum Beispiel in mein Müesli am Morgen. Damit verhindere ich, dass dem Körper zwischen den Hauptmahlzeiten weitere Kohlenhydrate in Form von Fruchtzucker zugeführt werden.
  4. Beim Abendessen, meinem grössten Problempunkt, achte ich darauf, dass ich nicht wie bisher über mehrere Stunden «durchsnacke», sondern einmal «richtig esse». Nach 20 Uhr esse ich idealerweise nichts mehr.
  5. Auf problematische Nahrungsmittel wie Fast Food, industrielle Fertigprodukte (Schokolade, Chips usw.) sowie Alkohol verzichte ich vorerst vollständig; in einer späteren Phase will ich diese Genussmittel bewusster und in geringeren Mengen als bisher geniessen.

Beispiele für das Frühstück und das Mittag- oder Abendessen.

Meine Resultate im Experiment (Woche 2)

Aus Alans Blog (14. 1. 2023)

Aus Alans Blog (14. 1. 2023)

Mitarbeit an diesem Projekt – Medizinische Unterstützung: Prof. Dr. Marc Donath, Universitätsspital Basel (Stoffwechselspezialist), Prof. Dr. Arno Schmidt-Trucksäss, Universität Basel (Sportmediziner), Dr. Matthias Hepprich, Kantonsspital Olten (Stoffwechselspezialist), Jolanda Arnold BSc, Kantonsspital Olten (Ernährungsberaterin), journalistisch-technische Unterstützung: Frank Brunner, Nicolas Fröhner, Franco Gervasi, Reto Gratwohl, Jonas Holenstein, Alex Kräuchi, Marit Langschwager, Severin Pomsel, Annick Ramp, Roman Sigrist, Sven Titz.

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