Mittwoch, März 19

Die grosse Kammer hat einen Vorstoss angenommen, der die bilaterale Strategie mit der Volksrepublik verlängern will. Die Gegner befürchten, dies torpediere die Modernisierung des Freihandelsabkommens mit China.

Sie galt als ein wichtiger Schritt in der Schweizer Politik gegenüber Peking: die erste offizielle China-Strategie, welche Aussenminister Ignazio Cassis 2021 präsentierte. Sie sollte die Schweizer Interessen und Werte vertreten sowie einen konstruktiv-kritischen Dialog mit der Volksrepublik ermöglichen. Auch das Thema Menschenrechte kam zur Sprache. Die Rechte der ethnischen Minderheiten, «namentlich der Uiguren oder der Tibeter», seien «unter zusätzlichen Druck geraten», schrieb beispielsweise der Bundesrat darin diplomatisch.

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Doch das genügte für eine undiplomatische Reaktion von Chinas damaligem Botschafter in Bern. «Unwahrheiten, Fake News und schamlose Lügen» verbreite der Westen zur Menschenrechtslage in der Uiguren-Region Xinjiang, sagte Wang Shihting an einer höchst seltenen, gut einstündigen Online-Medienkonferenz. Die Schweiz solle akzeptieren, dass die Chinesen sich für ein anderes politisches System entschieden hätten, nämlich den «Sozialismus chinesischer Prägung».

Offenbar wurde dem Bundesrat die Sache zu heiss. Er will seine bilaterale China-Strategie in der jetzigen Form nicht weiterführen, wie im Sommer 2024 die «NZZ am Sonntag» publik machte. Stattdessen kündigte das EDA eine neue Strategie an, die auch andere asiatische G-20-Länder umfasst. Wichtige Industrie- und Schwellenländer sind in Asien neben China Indien, Japan, Südkorea und Indonesien. Doch die Aussenpolitische Kommission (APK) des Nationalrates pocht explizit auf die Verlängerung der separaten China-Strategie. Der Nationalrat hat am Mittwoch mit einer Mitte-links-Mehrheit das Anliegen angenommen.

Nationalrat Fabian Molina (SP) erklärte namens der Befürworter, dass «der Weg der ersten China-Strategie konsequent weitergegangen werden» solle. Eine Strategie, die China mit anderen asiatischen Staaten behandle, würde den Fokus «verwässern». So hätten beispielsweise Südkorea und China aussenwirtschafts- und aussenpolitisch «wenig gemeinsam».

Für die Gegner der Motion äusserte sich Hans-Peter Portmann (FDP). Er sprach davon, dass die Motion ein ideologisches «Bashing gegenüber China» stärken wolle. Gerade mit Blick auf die Modernisierung des Freihandelsabkommens mit China lasse das «aufhorchen». Mit der Annahme der Motion würden «Tür und Tor» geöffnet, die Bemühungen für das Abkommen zu torpedieren.

Doch auch der Bundesrat empfahl, die Motion anzunehmen. Dies jedoch nur, weil der Vorstoss von der «irrtümlichen Annahme» ausgehe, dass die China-Strategie nicht verlängert werden solle. Das sei ein «Missverständnis», sagte Aussenminister Ignazio Cassis am Mittwoch in der grossen Kammer. Die Strategie werde in die künftige Strategie für die asiatischen G-20-Länder eingebettet, «im Rahmen einer regionalen Einordnung des Ganzen». So handhabe der Bund dies mit allen Kontinenten. Allerdings verlangte ein Vorstoss 2021 eine solche regionale Asien-Pazifik-Strategie. Damals lehnte dies der Bundesrat ab mit der Begründung, dass eine solche Strategie «sehr allgemein ausfallen» und deshalb «wenig zur Konkretisierung der aussenpolitischen Strategie beitragen» würde.

Nach NZZ-Informationen soll China in der neuen Asien-Strategie nur auf ein paar Seiten abgehandelt werden, neben den anderen Fokusstaaten. Insbesondere für das Thema Menschenrechte dürfte dann weniger Platz sein. Cassis widerspricht mit seiner Argumentation im Nationalrat auch der Erklärung des Bundesrates von 2021, als die erste China-Strategie verabschiedet wurde. Damals hiess es, der Bundesrat verfolge «eine eigenständige China-Politik» und erachte «China als ein Schwerpunktland seiner Aussenpolitik». Darüber hinaus merkte Cassis in der grossen Kammer an, dass die Schweiz das einzige Land sei, das mit der Volksrepublik China einen diplomatischen Menschenrechtsdialog pflege.

Gegenwärtig dürfte es der Schweizer Regierung in erster Linie um wirtschaftliche Interessen gehen. Das Freihandelsabkommen zwischen den Ländern von 2014 soll ausgebaut werden. Noch können nämlich nicht alle Güter aus der Schweiz zollfrei nach China eingeführt werden. China ist für die Schweiz einer der wichtigsten Exportmärkte. Heute importiert die Volksrepublik von der Schweiz vor allem Gold – 2023 im Wert von rund 25 Milliarden Franken. Sonstige Importgüter wie Medikamente und Uhren machten gut 15 Milliarden Franken aus.

Wie wichtig der Handel mit China sei, betonte auch Christine Bulliard-Marbach (Mitte). Die Volksrepublik sei für die Schweiz «zum drittwichtigsten Handelspartner geworden», gerade dank dem bilateralen Freihandelsabkommen. Die Welt befinde sich in einer Zeit der grossen Veränderungen, Chinas Bedeutung als globale Grossmacht sei ein wichtiger Faktor. Es sei jedoch entscheidend, dass die Schweiz eine «klare und kohärente» Strategie verfolge für die Beziehungen zu China. Die Aussenpolitische Kommission plädiere deshalb für eine Verlängerung der bisherigen bilateralen China-Strategie.

Die grosse Kammer nahm den Vorstoss mit 101 zu 85 Stimmen bei 3 Enthaltungen an. Die Motion geht nun in den Ständerat.

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