Dienstag, Oktober 1

Wenn es um Krypto-Investments geht, schaut die traditionelle Finanzwelt vor allem auf Bitcoin und Ether. Warum seit Kurzem mit Solana eine dritte Kryptowährung das Interesse der Wallstreet auf sich zieht – und was Anleger beachten sollten.

An den Kryptomärkten herrscht Unruhe. Am Wochenende unterschritt Bitcoin erstmals seit Ende Februar die Marke von 55’000 $. In den vergangenen vier Wochen hat die wichtigste Kryptowährung knapp ein Fünftel ihres Werts verloren. Ether, die Nummer zwei am Kryptomarkt, wurde in Sippenhaft genommen und büsste ähnlich stark ein.

Beobachter geben ausgerechnet der deutschen Bundesregierung eine Mitschuld an der Kryptobaisse. Das Landeskriminalamt von Sachsen hatte im Januar rund 50’000 Bitcoin im Wert von 3 Mrd. $ von den Betreibern des illegalen Streamingportals «Movie2k» beschlagnahmt. Das Bundeskriminalamt macht die Bestände nun zu Geld und verkauft die Bitcoin an Kryptobörsen wie Coinbase und andere Market Maker.

Anfang Woche schien es den deutschen Behörden nicht schnell genug gehen zu können, als sie an einem einzigen Tag 16’000 Bitcoin auf den Markt warfen. Gemäss Zahlen des Kryptodatenanbieters Arkham befindet sich derzeit noch etwas mehr als die Hälfte der beschlagnahmten Bitcoin im Besitz des Bundeskriminalamts. Ihr Wert: 1,6 Mrd. $. Auch wenn die Summen im Vergleich zur gesamten Marktkapitalisierung von 1,2 Bio. $ gering erscheinen, können sie kurzfristig zu einem Verkaufsüberhang führen und die Stimmung trüben.

Es ist nicht der erste Schlag für den Markt, schon die Entschädigungszahlungen für Kunden von Mt. Gox verunsichern die Anleger. Die japanische Kryptobörse musste 2014 Insolvenz anmelden, als publik wurde, dass Hunderttausende von Bitcoin bei einem Hack gestohlen worden waren. Knapp 140’000 Bitcoin soll der Treuhänder der Börse noch halten und an die Gläubiger auszahlen – auch das schürt Sorgen vor Verkaufsdruck.

Genehmigung für Ether-ETF soll kommen – folgt Solana?

Vieles spricht dafür, dass es sich hier um vorübergehende Störgeräusche handelt. Zumal es auch nicht an Good News in der Branche mangelt. So stehen nach der Bewilligung der Bitcoin-Spot-ETF in den USA Anfang des Jahres die Anträge von BlackRock, Fidelity, VanEck und anderen Vermögensverwaltern für einen Ether-Spot-ETF offenbar kurz vor der Bewilligung. Gemäss Aussagen des gut informierten Analysten von Bloomberg Intelligence Eric Balchunas waren die Anpassungen der US-Börsenaufsicht SEC in den jüngsten Änderungsanträgen minimal, was es wahrscheinlich mache, dass die ETF in den nächsten Wochen an den Start gehen.

Doch nicht nur Bitcoin und Ether stehen derzeit im Fokus vieler Börsenbeobachter. Mit Solana könnte bald ein drittes Krypto-Asset in die traditionelle Finanzwelt vorstossen. Ende Juni hat mit VanEck der erste US-Vermögensverwalter einen Antrag für einen Spot-ETF auf den Ethereum-Konkurrenten bei der SEC eingereicht. Auch wenn eine allfällige Bewilligung laut Beobachtern frühestens Mitte 2025 erfolgen dürfte, hat der Antrag Signalwirkung. Kurz nach VanEck legte bereits 21Shares mit einem ETF-Antrag nach, weiterer dürften folgen. Am Montag beantragte der US-Börsenbetreiber CBOE eine SEC-Genehmigung für die Notierung von Solana-ETF.

Solana: Geschwindigkeit steht über allem

Es tut sich also was bei Solana. Der Name der Kryptowährung respektive der dahinter stehenden gleichnamigen Stiftung geht auf den Solana Beach im US-Bundesstaat Kalifornien zurück. Solana-Mitgründer und CEO, Anatoly Yakovenko, war dort zwölf Jahre lang beim Halbleiterhersteller Qualcomm beschäftigt, wo er nach eigener Aussage sowohl das Moore’sche Gesetz der stetig wachsenden Leistungsfähigkeit der Computertechnologie als auch das Jako Nielsen’sche Gesetz der stetig wachsenden Internetbandbreite verinnerlicht hat.

Nach der Veröffentlichung des Ethereum-Whitepapers 2014 und dem Start der Smart Contract-Blockchain 2015 störte Yakovenko vor allem eines: die fehlende Geschwindigkeit. Ethereum ist heute zwar die mit Abstand führende Blockchain für dezentrale Anwendungen und dezentralisierte Finanzen (DeFi), doch die Skalierbarkeit ist vergleichsweise gering – und die Kosten hoch.

Pro Sekunde kann das Netzwerk derzeit etwa zwischen fünfzehn bis dreissig Transaktionen abwickeln. Durch das Dencun-Upgrade im Frühling soll die Geschwindigkeit von Ethereum langfristig gesteigert werden – auch durch die wachsende Zahl sogenannter Layer-2-Blockchains, also zusätzlicher Netzwerke, die an das Ethereum-Netzwerk angeschlossen werden.

Doch mit 65’000 Transaktionen pro Sekunde (TPS) ist Solana in Sachen Geschwindigkeit bereits heute weit voraus. Der Ansatz von Solana zur Verarbeitung von Transaktionen ermöglicht zudem die parallele Verarbeitung von Smart Contracts (mehr dazu in diesem Beitrag), was das Netzwerk effizienter macht.

Möglich ist das vor allem durch den sogenannten Proof-of-History-Mechanismus, bei dem jeder Block mit einem Zeitstempel versehen wird, der die korrekte Reihenfolge der Transaktionen auf der Solana-Blockchain garantiert. Dieser Konsensmechanismus ist wesentlich effizienter als das Proof-of-Stake-Verfahren von Ether, bei dem die Nutzer ihre (Ether-)Coins als Sicherheit hinterlegen.

Solana kämpft um Akzeptanz

Solana und Ethereum befinden sich wie alle Netzwerke in einem Trilemma. Im Kampf um die Gunst der Nutzer sind bei einer Blockchain grundsätzlich drei Eigenschaften entscheidend: Dezentralisierung, Sicherheit und Skalierbarkeit (Geschwindigkeit). Das Problem: Gemäss der Theorie des Blockchain-Trilemmas ist es bisher nicht möglich, alle drei Kriterien gleichzeitig zufriedenstellend zu erfüllen. Wer zum Beispiel ein dezentrales und sicheres Netzwerk stellen will, muss auf eine hohe Skalierbarkeit verzichten – diesen Weg hat Ethereum eingeschlagen.

Yakovenko und Solana hingegen haben sich für Geschwindigkeit entschieden – auf Kosten der Dezentralität. So gibt es auf der Solana-Blockchain deutlich weniger Validatoren als bei Ethereum. Auch bei der Sicherheit wurden Abstriche gemacht, wie die zahlreichen Ausfälle des Netzwerks in den vergangenen Jahren zeigen. Daher gilt Solana als weniger vertrauenswürdig als sein Konkurrent Ethereum.

Zudem schrecken die vielen Abstürze grosse DeFi-Entwickler ab, da ihre Anwendungen auf eine hundertprozentige Zuverlässigkeit angewiesen sind. Dies führt dazu, dass Solana vor allem bei kleineren Akteuren wie privaten NFT-Entwicklern beliebt ist.

Kursrally durch Meme-Coin-Hype

Seit vergangenem Herbst hat Solana eine beachtliche Aufholrally hingelegt und dabei Bitcoin und Ether deutlich überflügelt. Allerdings hatte die Kryptowährung zuvor im Kryptowinter 2022 überdurchschnittlich verloren – vor allem wegen des FTX-Skandals. Die Kryptobörse des gefallenen «Kryptowunderkinds» Sam Bankman-Fried war damals als grosser Unterstützer von Solana bekannt und hielt hohe Bestände der Kryptowährung. Entsprechend ist der Solana-Coin nach der FTX-Pleite besonders unter die Räder gekommen.

Angetrieben wurde die jüngste Erholung unter anderem vom Meme-Coin-Hype. Bei Meme-Coins handelt es sich um Spasswährungen, hinter denen kein ernsthafter Anwendungsfall steckt. Diese schiessen seit einigen Monaten wie Pilze aus dem Boden. Im März hat sich der BCI Meme Coin Leaders Index von Bitpanda verdoppelt, seit Juni steht das Barometer – so wie der gesamte Kryptomarkt – aber unter Druck. Die Solana-Blockchain macht es Entwicklern besonders einfach und günstig, solche Meme-Coins zu erstellen, weshalb Solana bei Meme-Coin-Hypes meist mit von der Partie ist und entsprechend profitiert.

Firedancer Upgrade soll Geschwindigkeit weiter erhöhen

Was ist nach der Erholungsrally noch zu erwarten? Die Aussicht auf einen Spot-ETF dürfte sich langfristig positiv auf die Kursentsicklung auswirken. Die Entwicklung von Bitcoin hat jedoch gezeigt, dass der Kurs erst dann stärker anzog, als die Zulassung unmittelbar bevorstand – das wäre wohl frühestens in etwa einem Jahr der Fall.

Kurzfristig wichtiger dürfte das bevorstehende Firedancer-Upgrade sein, das für die zweite Jahreshälfte geplant ist. Dahinter verbirgt sich ein neuer Validator-Client, der die Leistungsfähigkeit der Blockchain von jetzt 65’000 auf bis zu 1 Mio. Transaktionen pro Sekunde erhöhen soll. Seit vergangenem November läuft das dazugehörige Testnetzwerk.

Neben der Leistungsverbesserung soll Firedancer zudem als zweiter grosser Client die Zuverlässigkeit des Netzwerks verbessern. Aufgrund der noch jungen Geschichte der Blockchain verfügt Solana bisher nur über einen einzigen Haupt-Validierungs-Client, was das Netzwerk anfällig macht. Fällt dieser aus, ist das gesamte Netzwerk gestört. Mit Firedancer würde dieses Problem zumindest entschärft – und die Attraktivität der Blockchain erhöht.

Grundsätzlich eignet sich Solana besonders für risikoaffine Anlegerinnen und Anleger. Die Blockchain erfreut sich bei Entwicklern zunehmender Beliebtheit, das anstehende Firedancer-Upgrade sowie langfristig die Spot-ETF-Thematik dürften der Kryptowährung Auftrieb verleihen. Dennoch bleibt der Fokus auf die Skalierbarkeit auf Kosten der Sicherheit ein grosser Unsicherheitsfaktor. Weitere Solana-Ausfälle, die den Kurs unter Druck setzen, wären keine Überraschung. Wer möglichst risikoarm in Krypto investieren möchte, fährt mit Bitcoin oder Ether besser.

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