Donnerstag, September 4

Fünf Schweizer Schiffe sind bei der Protestflotte dabei. Und mindestens zwei ehemalige SRG-Journalisten.

Am Sonntag um 15.30 Uhr legte die Flotte um Aushängeschild Greta Thunberg unter grossem Getöse ab: Rund 20 Schiffe mit 300 Aktivisten stiessen in Barcelona in See und nahmen Fahrt auf in Richtung Gaza. Tausende Sympathisanten hatten sich am Hafen eingefunden, um diesem Moment jubelnd beizuwohnen. Nach wenigen Stunden allerdings mussten die Schiffe wieder umkehren. Ein Sturm habe die kleineren Boote in Gefahr gebracht, teilten die Organisatoren mit.

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Andere Schiffe der Gaza-Flotilla legten in Italien und in Griechenland ab. Mit dabei sind auch fünf Boote unter Schweizer Flagge. «Die Schweizer Flotte gehört proportional zu den grössten», sagte Vanni Bianconi vor einigen Tagen stolz gegenüber dem Tessiner Gewerkschaftsblatt «Area». Der Schriftsteller und ehemalige Kulturchef vom Tessiner Radio und Fernsehen RSI ist Crew-Chef eines der Schiffe. Über 600 Schweizer haben sich laut seinen Angaben freiwillig gemeldet, etwas mehr als 40 fahren nun tatsächlich mit.

Wie bei vielen Aktivisten, die sich im Vorfeld geäussert haben, ist auch bei Bianconi eine gewisse Abenteuerlust festzustellen: «Ich werde eine vielfältige Crew leiten, wahrscheinlich unter extremen Bedingungen», sagt er. Zu seinem Team gehört noch ein anderer ehemaliger RSI-Journalist.

Aus der sicheren und wohlstandsverwöhnten Schweiz ins Kriegsgebiet zu reisen, um etwas gegen die vermeintliche Ungerechtigkeit und das Blutvergiessen zu tun, scheint ein weitverbreitetes Bedürfnis zu sein. Die frühere SRF-Kulturchefin Regula Bochsler, die vor einigen Wochen mit 5000 Aktivisten aus aller Welt in Ägypten an einem gescheiterten «Marsch nach Gaza» teilnahm, beschrieb ihre Motivation folgendermassen: «Ich war dermassen empört über das Schweigen von Politikern und Regierungen, dass ich zig Mal phantasierte, wie ich nach Tel Aviv fliege und mich mit einem kleinen Protestschild am Grenzübergang Erez postiere, wo radikale Israeli immer wieder versuchten, Lieferungen von Hilfsgütern zu behindern.» Dann habe sie vom Protestmarsch gehört: «Mir war klar, da will, da muss ich mitmachen.»

Eidgenössischer Freiheitskampf für Palästina

Die Schweizer Delegation fällt nicht nur durch ihre Grösse auf, sondern auch durch die Namen zweier ihrer Schiffe: «Wilhelm Tell» und «Heidi». Eine bewusste Wahl: Der mythische Kampf der Eidgenossenschaft für Unabhängigkeit und gegen die Tyrannei soll auf Gaza und Israel übertragen werden. Ob sich der eigenbrötlerische Alpenrebell Tell und das heimwehgeplagte Bergmädchen Heidi als Symbolfiguren für die Befreiung des fernen Gazastreifens tatsächlich eignen, spielt keine Rolle.

Leiter der Schweizer Delegation ist Hicham El Ghaoui, ein in Frankreich aufgewachsener, marokkanischstämmiger Arzt, der seit vielen Jahren in Verbier tätig ist. Letztes Jahr war er dreimal für humanitäre Einsätze in Gaza. Reiche Touristen nach Skiunfällen zu verarzten und sich zugleich für Kriegsopfer in Gaza einzusetzen, sei zwar ein grosser Spagat, «aber dies reflektiert das Leben», sagt er.

In Interviews werden die Teilnehmer meistens auch gefragt, ob sie nicht Angst hätten vor der israelischen Armee, die bereits angekündigt hat, die Schiffe abzufangen. «Wir nehmen dieses Risiko auf uns», lautet die gängigste Antwort. Das tönt so, als rechne man nicht nur damit, sondern hoffe auch ein bisschen darauf, von den Israeli auf möglichst spektakuläre Art festgenommen zu werden. Die Kameras, um dies aufzunehmen und um die Welt zu schicken, stehen wahrscheinlich schon bereit.

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