Mittwoch, Oktober 9

Der Konzern spaltet sich in zwei gleich grosse Teile auf. Das Management will das kriselnde Autozuliefergeschäft loswerden.

Continental stand schon immer für Gummi. In den Anfängen, vor gut 150 Jahren, produzierte die Firma noch viele Teile aus Weichgummi, etwa Puffer für Pferdehufe. Weltberühmt wurde «Conti» später mit seinen Reifen für Autos und Lastwagen. Ende der 1990er Jahre begann der Aufstieg in den Kreis der grössten Autozulieferer der Welt. Das Management verwandelte die Firma aus Hannover durch mehrere Zukäufe in einen Systemzulieferer für die Autobranche.

Damit ist es nun vorbei. Seit drei Jahren läuft die Rückabwicklung, die nun noch einmal forciert werden dürfte. Und so wird Conti am Ende des Jahres 2025 voraussichtlich wieder nur für das stehen, wofür das Unternehmen von Anfang an stand: Gummi.

Gummisparte subventioniert die Autozulieferung

Die jüngste Ankündigung des Konzernchefs Nikolai Setzer glich einem Offenbarungseid: Continental prüfe die Aufspaltung in zwei etwa gleich grosse Teile mit jeweils gut 20 Milliarden Euro Umsatz und je rund 100 000 Mitarbeitern. Das ist zum einen das traditionelle Reifen- und Gummigeschäft und zum anderen das Automotive-Business.

Damit läuft nun alles darauf hinaus, dass das Spin-off vollzogen wird, das Setzer in den vergangenen zwei Jahren stets abgelehnt hat. Der Vorstand nimmt offenbar den strategischen Notausgang. Die Aktionäre werden nach der Abspaltung mit ihrem jeweiligen vorherigen Anteil zwei Unternehmen besitzen.

Der Grund für den harten Strategiewechsel ist banal: Das Management bekommt die kriselnde Automobilzuliefersparte, dazu gehören Elektronik, Software, Sensorik für das autonome Fahren, Bremssysteme und Ersatzteile, nicht in den Griff. Trotz hohen Investitionen ist die Einheit in den vergangenen Jahren kaum vorangekommen, oft schrieb sie Verluste und verbrannte Geld. Die nötigen Investitionen haben Conti dem Vernehmen nach an finanzielle Grenzen gebracht. Kenner des Konzerns sind der Meinung, die Sparte benötige dringend einen Partner.

Immerhin dürfte der Bereich im Jahr 2024 in die schwarzen Zahlen kommen. Die Marge wird jedoch niedrig einstellig sein, wogegen die Reifensparte um die 14 Prozent erreicht. Im Konzern ist jedoch schon länger davon die Rede, dass die Gummisparte die Autozuliefereinheit subventioniere.

Externe und hausgemachte Probleme

Conti kämpft besonders bei der Autozulieferung mit mehreren grossen Problemen. Der Umstieg vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität, die Digitalisierung des Automobils mit den zahlreichen Bordcomputern und Steuerungssystemen sowie die Technologie für das automatisierte und irgendwann autonome Fahren kosten enorm viel Geld. Zugleich sind Management und Mitarbeiter in dieser neuen Welt noch nicht heimisch. Tausende Angestellte mussten schon gehen.

Ferner hat sich die Autokonjunktur nie wieder auf das Niveau der guten Jahren vor Ausbruch der Corona-Pandemie erholt. Die Fahrzeugverkäufe liegen teilweise immer noch 20 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2019, zum Beispiel in Europa. Seit anderthalb Jahren kommt hinzu, dass sich auch der Absatz von reinen Elektrofahrzeugen nicht so gut entwickelt, wie manche optimistischen Prognosen vorhergesagt haben.

Mit diesen Problemen kämpfen auch grosse Konkurrenten wie Bosch oder ZF sowie viele der kleineren Autozulieferer in Deutschland und Europa. Die Entwicklung hat dazu geführt, dass die Automobilzulieferer nach und nach Zehntausende Stellen abbauen. Bei Conti kommt erschwerend hinzu, dass die beiden verbliebenen Bereiche Conti Tires (Reifen) und Conti Tech (Gummiprodukte für die Autobranche und andere Industriezweige) auf der einen Seite sowie Automotive auf der anderen Seite laut Beobachtern kaum Synergien aufweisen.

Zugleich sind in der Autozulieferung offenbar die Kosten für Investitionen sowie Forschung und Entwicklung stark gestiegen. Kritisiert wird immer wieder auch die Führungsstruktur mit dem starken Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Reitzle, der diese Position bereits seit dem Jahr 2009 innehat. Reitzle soll schon seit längerem die Abspaltung des Automotive-Geschäfts favorisieren, wogegen sich der Konzernchef Setzer wehrte.

Im Hintergrund dürften auch die Besitzverhältnisse eine wichtige Rolle spielen. An Conti ist nämlich der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler aus Herzogenaurach mit 46 Prozent als Grossaktionär beteiligt. Schaeffler ist eine Familienfirma, die der 83-jährigen Maria-Elisabeth Schaeffler und ihrem Sohn Georg gehört. Langjähriger Chef ist mit Klaus Rosenfeld ein sehr erfahrener Manager und Vertrauter der Familie. Die Interessen von Schaeffler dürften also bei jedem Schritt von Conti im Hintergrund von erheblicher Bedeutung sein.

1998 begannen die entscheidenden Zuläufe

Das hat sich bereits beim ersten Rückbau des Conti-Konzerns gezeigt, der noch vor vier Jahren auf drei Säulen stand. Die Hannoveraner hatten im Jahr 2019 ihre Antriebssparte Powertrain in einer Tochtergesellschaft gebündelt und diese in Vitesco Technologies umbenannt. 2021 wurde Vitesco schliesslich abgespalten und an die Börse gebracht. Im Herbst vergangenen Jahres kündigte dann Schaeffler an, Vitesco zu übernehmen. Die Transaktion ist nahezu abgeschlossen. Finanzanalytiker loben die ehemalige Conti-Sparte inzwischen als einen der erfolgreichen Zulieferer für die Elektromobilität. Schaeffler attestieren sie hingegen, beim Umstieg auf das E-Auto spät dran gewesen zu sein.

Mit den Verkäufen wickelt Conti nun die vergangenen gut 25 Jahre Firmengeschichte ab. Das Gummi- und Kautschukgeschäft war zwar finanziell attraktiv, galt aber als bieder und langweilig, weil es wenig Wachstumsperspektiven aufwies. Mitte 1998 kaufte Conti daher einer amerikanischen Firma für umgerechnet knapp 2 Milliarden Euro den Bremsenhersteller Alfred Teves GmbH ab, und im Sommer 2007 erwarb Conti für gut 11 Milliarden Euro den Autoelektronikspezialisten Siemens VDO. Damit stieg der Konzern in die Top 5 der globalen Autozulieferindustrie auf. Daneben gab es immer wieder auch kleinere Übernahmen, etwa des Elektronikanbieters Temic oder des Autoelektronikgeschäfts von Motorola.

Die Entwicklung beflügelte teilweise den Aktienkurs. Dieser stieg von rund 20 Euro im Jahr 1998 auf einen Höchststand von gut 220 Euro im Jahr 2018. Rückschläge gab es vor allem im Rahmen von allgemeinen Flauten an der Börse, zum Beispiel durch das Platzen der New-Economy-Blase und die Finanzkrise. Doch seit 2018 ist der Kurs fast kontinuierlich gefallen und notiert nun bei 60 Euro. Darin spiegeln sich auch die herrschenden operativen Probleme.

Inzwischen berichten Medien über interne Zweifel am Konzernchef Setzer, der seine Karriere überwiegend in der Reifensparte verbracht hat. Wie es mit ihm weitergeht, scheint offen zu sein. Die verselbständigte Zuliefersparte soll offenbar der heute dafür zuständige Vorstand Philipp von Hirschheydt übernehmen. Derzeit zweifeln Finanzanalytiker noch, ob der Bereich ohne Partner überlebensfähig ist. Manche trauen dem Reifengeschäft ohne den Ballast des Automotive-Business mehr Potenzial zu als der eigenständigen Automotive-Sparte.

Vor- und Nachteile von Konglomeraten

Bei Konglomeraten stellt sich immer die Frage, ob die Summe der Einzelteile mehr wert ist und diese ein besseres Entwicklungspotenzial haben als der Konzern als Ganzes. Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Während kleinere Einheiten oft agiler, flexibler und freier sind, sprechen für Konglomerate oft Synergien und grössere Stabilität.

Ein jedes hat seine Zeit, heisst es. Manager müssen Entwicklungen antizipieren und die Unternehmen danach ausrichten. Entscheide unter Unsicherheit können sich dabei als falsch oder nur temporär richtig erweisen. Oft weiss man das erst im Nachhinein.

Continental steht nur wieder vor einer Weggabelung. Während die abzutrennende Einheit im Rhein-Main-Gebiet ihren Sitz haben soll, kann sich Conti in Hannover wieder auf das alte und neue Kerngeschäft fokussieren: Gummi.

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