Donnerstag, Januar 9

Die Frauenorganisation der Mitte fordert eine Frauenquote für die Findungskommission. Diese schlägt Kandidaten für das Parteipräsidium vor.

Die Mitte-Frauen sind in Bern gut vertreten. Sie stellen 40 Prozent der Ständeratssitze ihrer Partei und 31 Prozent der Mitte-Nationalratssitze. Die Partei konnte ihren Frauenanteil bei den letzten Wahlen steigern, obwohl er über alle Parteien gesehen im Vergleich zu den Wahlen 2019 abgenommen hat. Auch der verbliebene Bundesratssitz der Mitte ist seit 2006 in Frauenhänden: Auf Doris Leuthard folgte im Jahr 2019 Viola Amherd.

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Trotzdem sind die Mitte-Frauen nicht zufrieden. Die Präsidentin Christina Bachmann-Roth hat am Dienstag ein Communiqué verschickt: «Haben wir als Gesellschaft immer noch Angst vor erfolgreichen, starken Frauen?», steht darin. Anlass für die rhetorische Frage sind die Diskussionen über das neue Parteipräsidium. Seit Gerhard Pfister Anfang Woche seinen Rücktritt angekündigt hat, werweissen Politiker und Journalisten, wer ihn beerben wird.

Bachmann-Roth findet, ihre Kolleginnen kämen bei diesen Diskussionen zu kurz. Obwohl es «zahlreiche hervorragende Frauen» gebe, würden «vor allem Männernamen ins Spiel gebracht», heisst es im Communiqué. Die Mitte Frauen Schweiz fordern deshalb, dass die Findungskommission für das neue Präsidium zu 50 Prozent mit Frauen besetzt wird. Dieses Gremium wird eine Vorauswahl an Kandidaten treffen und sie den Delegierten vorschlagen.

Wo liegt das Problem?

Die Kritik erstaunt. Zwar wird als Kronfavorit tatsächlich ein Mann gehandelt: der Walliser Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy. Dem konservativen Walliser mit seiner integrativen Art und seinen Dossierkenntnissen wird zugetraut, die häufig gespaltene Mitte zu einen. Doch auch Frauen sind im Gespräch, unter anderen die erfahrenen Ständerätinnen Isabelle Chassot und Marianne Binder oder die Nationalrätinnen Nicole Barandun und Elisabeth Schneider-Schneiter.

Wo liegt also das Problem? Auf Anfrage der NZZ bestätigt Bachmann-Roth, dass mittlerweile auch Frauennamen genannt würden, «am Montag sah das noch anders aus». Auch treffe es zu, dass die Mitte-Frauen gestärkt aus den letzten Wahlen hervorgegangen seien. Doch «trotzdem oder gerade deswegen» sei das Klima im Parlament rauer geworden. «Für Frauen ist es schwieriger geworden, politische Lösungen durchzubringen», sagt Bachmann-Roth. Vorstösse von Männern hätten bessere Chancen.

Tatsächlich waren Mitte-Frauen in den letzten Monaten teilweise in der Kritik, beispielsweise Marianne Binder. Die Sicherheitspolitikerin wollte im Mai zusammen mit linken Politikerinnen einen 15-Milliarden schweren Spezialfonds für die Armee und die Unterstützung der Ukraine einrichten. Die hohen Ausgaben an der Schuldenbremse vorbei stiessen bei bürgerlichen Finanzpolitikern – auch aus der Mitte – auf Widerstand.

Die Vorwürfe seien teilweise nicht nur inhaltlich gewesen, sagt Bachmann. Binder selbst sagte danach zu Journalisten: «Man ist hier drin offenbar der Meinung, man müsse erst ein Gewehr laden können, um eine Sicherheitslage richtig einschätzen zu können.» Für Bachmann-Roth zeigt das Beispiel, dass die Mitte am Thema Gleichstellung dranbleiben müsse, «sonst fällt man in alte Muster zurück».

Ein Mann als Bundesrat wäre legitim

Es ist nicht das erste Mal, dass Mitte-Frauen Kritik an der Partei üben. 2017 warf die damalige CVP-Frauen-Präsidentin Babette Sigg Frank Parteikollegen Doppelmoral vor. Sie bezog sich unter anderem auf das konservative Familienbild, das die Partei vordergründig vertrete, während zwei Exponenten gleichzeitig aussereheliche Affären hätten. Sigg Frank nannte den ehemaligen Parteipräsidenten Christophe Darbellay mit seinem ausserehelichen Kind und den ehemaligen CVP-Vizepräsidenten und Nationalrat Yannick Buttet, der wegen sexueller Belästigung verurteilt wurde.

Ein paar Monate später trat die Zürcher CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer mit einem Knall zurück. Die sozial-liberale Politikerin kritisierte die Ausrichtung der CVP, welche das urbane Wählerpotenzial verschenke. Damals versuchte Gerhard Pfister noch, die CVP auf einen konservativen Kurs zu trimmen. Mittlerweile hat Pfister die Partei bekanntlich mit der BDP fusioniert und wieder mehr nach links gedreht.

Die Konflikte zwischen Partei und Mitte-Frauen sind geblieben. Heute verläuft die Konfliktlinie nicht mehr vordergründig zwischen den Frauen und dem Präsidium, sondern zwischen den urbaneren Kräften und den einflussreichen konservativen Ständeräten. Das zeigt sich nicht nur in der Sozial-, der Sicherheits- oder der Gleichstellungspolitik, sondern auch in der Beziehung zu Europa. Bereits die CVP-Frauen nahmen früher eine tendenziell proeuropäische Haltung ein, das ist bis heute so geblieben.

Die Verhandlungen mit der EU werden die nächsten Monate und Jahre prägen. Es wird am Präsidenten oder an der Präsidentin liegen, zu vermitteln und die Partei zusammenzuhalten. Das ist Pfister wenig gelungen. Die Mitte-Frauen wünschen sich offenbar eine Veränderung. Kommende Woche wird das Mitte-Präsidium die Findungskommission für den neuen Parteichef konstituieren. Dabei werden diverse Vorschläge diskutiert, sicher auch derjenige für eine Frauenquote, sagt Gianna Luzio, die Generalsekretärin der Partei.

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