Freitag, Januar 10

Die ehemaligen Häuser von Thomas Mann und Lion Feuchtwanger sowie das Getty-Museum sind von den Feuerstürmen in Pacific Palisades betroffen.

Die Feuerstürme nordwestlich von Santa Monica breiten sich rasend schnell aus. Betroffen von den Flammen sind auch die einstigen Wohnsitze der beiden deutschen Schriftsteller Thomas Mann und Lion Feuchtwanger. Sie lebten hier in den Jahren ihres Exils, Thomas Mann und Familie ab 1942, der Erfolgsautor Feuchtwanger mit seiner Frau ab 1943. Es ist unklar, wie weit die Häuser betroffen sind. Derzeit weiss man nur, dass alle Mitarbeiter und Stipendiaten rechtzeitig evakuiert werden konnten. Die Geschäftsführung der Villa Aurora des Ehepaars Feuchtwanger teilte am Mittwochabend (Ortszeit) mit, man müsse mit dem Schlimmsten rechnen.

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Weniger dramatisch sieht es für die Getty-Villa aus. Das Haus umfasst die bedeutende Antikensammlung des Ölmagnaten und Kunstsammlers J. Paul Getty. Zwar brannten einige Bäume auf dem weitläufigen Grundstück, das Haus selber sei aber mit guten Brandschutzeinrichtungen versehen, heisst es. Doch die Lage ist schwierig einzuschätzen, die Brände können jederzeit von den Winden wieder angefacht werden.

Getty-Villa

phi. Die Getty-Villa ist in neblige Schwaden gehüllt. Auf Bildern sieht man, wie die verheerenden Brände in Kalifornien das Grundstück erreicht haben. Das prominent auf einem Hügel bei Malibu und nordwestlich der Küstenstadt Santa Monica thronende Gebäude ist einer römischen Villa nachempfunden. Der weitläufige Garten ist teilweise bereits ein Opfer der Flammen geworden. Niemand weiss, wie sicher die rund 44 000 Kunstschätze aus der römischen, der griechischen und der etruskischen Antike in den kommenden Stunden oder Tagen sein werden.

Die Behörden gaben bisher Entwarnung. Die Getty-Villa, einer der beiden Standorte des Getty Center, sei bisher nicht von den Flammen erfasst worden. Ganz ausser Gefahr ist der von Richard Meier entworfene und 1997 eröffnete Komplex des Getty Trust mit einem weiteren Museum und kunsthistorischen Instituten in Brentwood über Los Angeles, wo es zurzeit keine Brände gibt.

Massnahmen zur Brandbekämpfung

Im Rahmen der Massnahmen zur Brandbekämpfung habe man in den vergangenen Jahren beide Anlagen von leicht entzündlichem Gestrüpp befreit, heisst es in einer Mitteilung der J.-Paul-Getty-Stiftung, einer der vermögendsten Kunstinstitutionen der Welt. Ausserdem wurden auf dem Areal Wasserspeicher errichtet.

Aus diesen Gründen habe das Feuer nicht auf das Gebäude überspringen können, obwohl die Brände einen Teil der Vegetation auf dem Grundstück erreicht hätten, erklärte die Stiftungspräsidentin Katherine E. Fleming. Die Ausstellungsräume, die Archive und die Bibliothek werden überdies durch hochmoderne Belüftungssysteme vom Rauch abgeschottet. Die doppelwandige Konstruktion der Gebäudehülle biete zusätzlichen Schutz für die Sammlungen.

Bedeutende Skulpturen

Die Getty-Villa beherbergt einen bedeutenden Teil des europäischen Kulturerbes, darunter der berühmte Lansdowne-Herakles oder der Athlet von Fano. Der Ölmagnat und Kunstsammler J. Paul Getty kaufte im letzten Jahrhundert Objekte auf dem weltweiten Antikenmarkt an. Nach seinem Tod 1976 sollen auch Kunstwerke aus Raubgrabungen in die Sammlung gelangt sein.

Für seine rasch wachsende Antikensammlung liess J. Paul Getty 1954 auf seinem Grundstück eine freie Nachschöpfung der bis heute nicht komplett ausgegrabenen Villa dei Papiri in Herculaneum errichten. Das villenartige Museum wurde 1974 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zurzeit sind die Tore der Getty-Villa allerdings geschlossen.

Villa Aurora

rbl. Die Villa Aurora in Pacific Palisades gehörte dem vor Hitler geflohenen Schriftsteller Lion Feuchtwanger und seiner Frau Marta. Seit 1995 dient das Haus als Künstlerresidenz, wo Stipendiaten aus allen Sparten während längerer Aufenthalte arbeiten können. Heute steht es mitten in einem der heftigsten Feuerstürme, die Los Angeles und seine Umgebung je heimgesucht haben.

Da ein rund zehn Kilometer breiter Streifen entlang der Küste westlich von Santa Monica zum Sperrgebiet erklärt und evakuiert worden ist, wissen die Verantwortlichen derzeit nur wenig über den Zustand des Hauses. Auf der Website von Villa Aurora und Thomas Mann House hiess es am Donnerstagmorgen, man habe erste Anzeichen dafür, dass «Teile der Villa den zerstörerischen Bränden standhalten konnten. Nach wie vor befindet sich das Gebäude in der Gefahrenzone.»

Ob daraus zu schliessen ist, dass andere Teile der Villa zerstört oder beschädigt sind, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. In der Zone wüten noch immer starke Feuer, die Situation ist darum sehr dynamisch. Für eine Schadensbilanz sei es zu früh, heisst es weiter in der Mitteilung.

Die 1927 erbaute Villa Aurora ist einem historisierenden spanischen Baustil nachempfunden. Der Bauherr Arthur Weber hatte sich in Andalusien von der Kathedrale in Teruel unweit von Sevilla inspirieren lassen. Für den Innenausbau brachte er Holzdecken aus Spanien nach Kalifornien, im Garten stellte er einen Renaissancebrunnen aus der Toskana auf. Als die Feuchtwangers das Haus 1943 erwarben, befand es sich allerdings in desolatem Zustand. Ihre ersten Nächte, so berichtete Marta Feuchtwanger, hätten sie in Schlafsäcken im Garten verbracht.

«Ein wahres Schloss am Meer» nannte Thomas Mann das Haus später. Noch vor den Feuchtwangers war es ihm zum Kauf angeboten worden. Sein Zustand wird den Schriftsteller abgeschreckt haben. Nachdem Lion und Marta Feuchtwanger schon früh aus Berlin emigriert und später aus ihrem zeitweiligen Exil in Frankreich 1940 zu Fuss über die Pyrenäen geflohen waren, wurde die Villa Aurora zu ihrem letzten repräsentativen Wohnsitz.

Sie machten das Haus zu einem Treffpunkt für die exilierten Schriftsteller, Künstler und Intellektuellen in Kalifornien. Dank Tantiemen wohlhabend geworden, baute Feuchtwanger wieder eine riesige Bibliothek auf. 30 000 Bände umfasste der Bücherschatz, der bis vor wenigen Tagen den wechselnden Bewohnern des Hauses zum grössten Teil zur Verfügung stand.

Thomas Mann House

rib. Tom Hanks wohnt hier. Reese Witherspoon und Steven Spielberg auch: im Riviera-Viertel von Pacific Palisades im Westen von Los Angeles. Und Thomas Mann hat hier gelebt. Im Februar 1942, vier Jahre nachdem er in die USA emigriert war, zog er in das grosszügig angelegte zweistöckige Haus mit der Adresse 1550 San Remo Drive, zusammen mit seiner Frau Katia und dem Sohn Golo. Später auch mit der Tochter Erika.

«Seven Palms» nannte Thomas Mann die Villa, nach sieben grossen Palmen, die auf dem Grundstück standen. Der Entwurf des Hauses stammte vom Architekten Julius Ralph Davidson. Mann war kein Freund moderner Architektur. Obwohl Davidson ein prominenter Vertreter der kalifornischen Moderne war, vertraute Mann ihm den Bau an. Wenigstens was das Äussere und den Grundriss betrifft. Zur Innenausstattung und zur Möblierung hatte der Architekt nichts zu sagen.

«So wohnen wir nun in einem modernen Haus. Wir mögen es dennoch», sagte Mann 1948 der «Los Angeles Times». Platz gab es in «Seven Palms» jedenfalls genug, vor allem für das Wichtigste: ein grosses Arbeitszimmer. In den zehn Jahren, in denen die Manns hier wohnten, vollendete Thomas Mann den letzten Teil der «Joseph»-Tetralogie, schrieb die Romane «Doktor Faustus» und «Der Erwählte» und führte seinen publizistischen Krieg gegen Hitlerdeutschland. Mit Essays, Vorträgen und Radioansprachen.

Auch Gäste wurden empfangen. Das Haus Mann war ein Treffpunkt für Exilanten und Künstler. Der Dirigent Bruno Walter und der Komponist Arnold Schönberg waren oft zu Gast. Lion Feuchtwanger, Franz Werfel, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer kamen zum Tee.

1952 verliess Thomas Mann die USA und zog in die Schweiz. Danach wurde «Seven Palms» von einem Anwalt bewohnt. 2016 kam die Liegenschaft auf den Markt, mit der Option, dass das Haus abgerissen und das Grundstück neu bebaut wird. Nachdem Kulturschaffende eine Petition gestartet hatten, kaufte der deutsche Staat das Haus. Seit 2018 ist es ein Ort der kulturellen Begegnung. Stipendiaten wohnen und arbeiten dort, es gibt Konferenzen, Lesungen, Konzerte. Das Thomas Mann House befindet sich mitten in der Gefahrenzone. Stipendiaten und Mitarbeiter seien evakuiert, meldet die Geschäftsführung des Hauses. Doch die Gefahr sei noch nicht abgewendet.

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