Freitag, April 18

Eine exklusive Villa wird auf Sylt angeboten. Die Makler preisen das Anwesen als Juwel, verschweigen jedoch die Vergangenheit der Immobilie. Hier verbrachte einst Hitlers Stellvertreter seine Ferien.

In Wenningstedt auf der deutschen Insel Sylt steht ein aussergewöhnliches Haus zum Verkauf. Es stammt aus dem Jahr 1937, ist zweigeschossig, besitzt ein hohes Reetdach aus Schilfrohr, weisse Fensterrahmen und eine terracottafarbene Ziegelfassade. Auf den Bildern der Verkaufsanzeige parkiert ein Porsche auf der Kiesauffahrt, im Garten steht ein Strandkorb mit Blick auf das Meer. Umgeben von einer typischen nordfriesischen Strandhaferlandschaft, liegt das Anwesen inmitten der Dünen und direkt am Nordseestrand.

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Die Maklerfirma Sotheby’s bezeichnet das Domizil als «einzigartiges Juwel». Den Kaufpreis nennt sie nicht, ebenso bleibt unklar, wem das Haus einst gehörte. Zwar ist das Anwesen idyllisch gelegen mit einem atemberaubenden Ausblick, das Haus trägt jedoch eine schwere Vergangenheit.

Der «Lametta-Heini» mit dem Hang zum Luxus

Das Strandhaus gehörte laut Angaben der Denkmaldatenbank Schleswig-Holstein einst Hermann Göring, einem Vertrauten Hitlers und Kriegsverbrecher. Es gilt als das einzige Haus aus Görings Besitz, das heute noch erhalten ist. Göring war eine der zentralen Figuren im Nationalsozialismus. Als Chef der Luftwaffe und Hitlers Stellvertreter beging er zwischen 1933 und 1945 unzählige Kriegsverbrechen und spielte eine entscheidende Rolle beim Völkermord an den europäischen Juden.

Göring führte ein dekadentes Leben. Er galt als der extravaganteste Führer des «Dritten Reichs», trug massgeschneiderte Uniformen und liess sich eigene Medaillen prägen. Sein Hang zum pompösen Auftritt brachte ihm den Beinamen «Lametta-Heini» ein. Diese Liebe zum Luxus spiegelte sich auch in seinen Anwesen. Er wohnte in seiner Prunkresidenz Carinhall bei Berlin – einem Komplex aus mehreren Gebäuden, den er auf Staatskosten aufwendig erbauen liess und nach seiner ersten Ehefrau Carin benannte. Dort gab es riesige Empfangssäle, ein eigenes Kino, eine grosse Kunstsammlung, eine Bibliothek mit geraubten Büchern.

Ab 1937 verbrachte Göring seine Ferien auf Sylt. Zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Emmy liess er das Haus «Min Lütten» nach Plänen eines Sylter Architekten errichten.

Göring liess alle anderen Anwesen zerstören

Die Villa umfasst 200 Quadratmeter, mit drei Schlafzimmern und drei Bädern. Das gesamte Grundstück misst über 7700 Quadratmeter. Laut Medienberichten liess Göring das Dach mit Betonplatten gegen Brandbomben verstärken – der Teppich soll ein Hakenkreuz-Muster getragen haben. Davon ist heute jedoch nichts mehr zu sehen.

Laut Angaben der Makler ist das Haus in den letzten Jahren vollständig saniert worden, unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes. «Alle vorhandenen Details erstrahlen in neuem Glanz, während modernste Gebäudetechnik und eine exklusive Innenausstattung das Haus in ein zeitgemässes Feriendomizil verwandelt haben», schreibt Sotheby’s.

Die Denkmaldatenbank Schleswig-Holstein betont hingegen den historischen Wert des Hauses. Das Feriendomizil auf Sylt sei das einzige erhaltene Privathaus von Göring, was es zu einem einzigartigen Zeitdokument mache. «Es stellt ein wichtiges Zeugnis der nationalsozialistischen Macht dar und erhält dadurch einen besonderen geschichtlichen Stellenwert.» Den Gebäudekomplex Carinhall bei Berlin liess Göring kurz vor dem Eintreffen sowjetischer Truppen im April 1945 zerstören, um zu verhindern, dass die Sowjets die Anwesen plündern.

Kaufpreis: 15 bis 18 Millionen Euro

Nach dem Zusammenbruch des Nazireichs wurde Hermann Göring 1946 im Nürnberger Prozess zum Tode verurteilt. Der Vollstreckung entzog er sich wenige Stunden vor der Hinrichtung durch Suizid. Seine Witwe Emmy verkaufte das Strandhaus 1958 für 60 000 Mark an die Kölner Unternehmerfamilie Birkenstock, bekannt für die gleichnamigen Sandalen.

Die Familie habe das Anwesen fast vierzig Jahre lang genutzt, wie der Filmemacher Philip Birkenstock jüngst dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag sagte. Zuletzt stand die Immobilie laut Medienberichten 2019 zum Verkauf. Damals wurden als Kaufpreis 12 Millionen Euro verlangt. Durch die Restaurierung hat die Villa nochmals an Wert gewonnen. Experten schätzen den heutigen Preis auf 15 bis 18 Millionen Euro.

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