Mittwoch, März 12

Weiblichkeit war bei den Pariser Schauen für die Herbst/Winter-Kollektionen 2025 das Kernthema. Aber keine Sorge: Klischees wurden subtil eingesetzt oder hinterfragt.

Sie ist so beschäftigt! So «busy». Keine Zeit für nichts. Hetzt von einem Termin zum nächsten. Aber halt: Wann kauft sie sich eigentlich all die Designerkleider?

Das war die grosse Frage an dieser Paris Fashion Week, die am Dienstag, dem 11. März, nach neun Tagen zu Ende ging. Denn überall war die Rede von vielbeschäftigten Frauen (und sporadisch Männern). Sie sind es, die die Designerinnen und Designer laut ihren Pressemitteilungen und Backstage-Interviews mit ihren neuen Kollektionen einkleiden wollen. Laut Nadège Vanhée bei Hermès schlingen sie ihren wolkenweichen Kaschmirpullover in der Zeitnot als Schal um den Hals und unter die schwarze Lederjacke.

Die Herbstkollektion 2025 für Hermès der Designerin Nadège Vanhée, mit ledernen Hotpants und cleverem Schichtenlook.

Laut Demna bei Balenciaga tragen sie ihre Anzüge zerknittert und ihr iPhone als Accessoire zur asymmetrischen Abendrobe. Und laut Albert Kriemler bei Akris sind sie in einen dunkelblauen Mantel aus Double-Face-Cashmere gehüllt, der über einen abnehmbaren Federbesatz verfügt. Er wird sachte im Wind flattern, wenn die Frauen besonders zielstrebig unterwegs sind, stellt man sich vor.

Nachwuchsdesigner zieht es nach Paris

Es ist einfach, das häufig bekundete Interesse von Luxuslabels und ihren Kreativdirektoren an vielbeschäftigten und darum «echten» Frauen ins Lächerliche zu ziehen. «Busy» sind wir alle, reich nicht. Doch es ist offensichtlich auch ein wahres Bedürfnis, das sie beschreiben, in diesem Moment von Zurück-ins-Büro-Mandaten. Es ist auch eines, das sich zu bedienen lohnt. Die sinkenden Umsätze in der Luxusbranche (mit einigen Ausnahmen, darunter Hermès) hat auch der grosszügig ausgeschenkte Champagner an Anlässen in diversen Pariser Palais während der Fashion Week nicht zu vertuschen vermocht. Es schien ein leichter Drang zur Rechtfertigung zu grassieren.

Kann daraus gute Mode entstehen? Zumindest war vieles von dem, was in Paris gezeigt wurde und für Herbst/Winter 2025 in den Verkauf kommen wird, aufregend und dennoch tragbar. Vor allem dort, wo man es am wenigsten erwartet: bei den Nachwuchsdesignern. Siehe die Karojupes mit gerafftem Bund von Stefan Cooke, die Filzmäntel mit ausladenden Schultern von Marie Adam-Leenaerdt oder die Hemden mit kontrastierenden, um den Hals geknoteten Kragen von Meryll Rogge. Alle stammen diese Designerinnen und Designer aus Belgien und Grossbritannien, alle zeigten sie in Paris. Von den grossen Modewochen gibt die dortige derzeit den Ton an.

Die Mode ist kein Vakuum

Die Paris Fashion Week existiert aber nicht in einem Vakuum. Während am Samstagnachmittag, dem 8. März, Designer wie Elie Saab und Rei Kawakubo ihre Mode präsentierten, demonstrierten in den Strassen von Paris anlässlich des Weltfrauentags Zehntausende Menschen für gleiche Rechte. Dass kurz danach wie so oft in den vergangenen zwei Jahren eine freie Stelle an der Spitze eines Modehauses mit einem (talentierten!) Mann besetzt wurde, blieb nicht unbemerkt. Ob sich darum so viele der Designerinnen und Designer in ihrer Arbeit mit Weiblichkeit beschäftigten?

Zuerst aber gaben zwei Neuankömmlinge ihre Debüts, beide gutgeheissen von den Designern, die ihrem Haus einst den Namen gaben: Haider Ackermann bei Tom Ford und Julian Klausner bei Dries Van Noten. Es waren gute Kollektionen, die den Geist ihrer Vorgänger aufnahmen und weiterdrehten, mit cleveren Schnitten und sinnlichen Farben.

Der Ruf der Silhouette

Das grösste Debüt der Saison gehörte aber Sarah Burton bei Givenchy. Fast dreissig Jahre lang war die Britin bei Alexander McQueen tätig, zuerst als rechte Hand des Designers und nach seinem Suizid 2010 als seine Nachfolgerin. Ihrem neuen Zuhause, dem 1952 gegründeten Pariser Couture-Haus Givenchy, fehlt heute aufgrund zahlreicher Designerwechsel eine klare Identität. Burton soll diese dem Haus zurückgeben. Mit ihrer ersten Kollektion ist sie auf dem besten Weg dahin. Ihr präzisestes Merkmal ist die Silhouette: eine weiche, schmal zulaufende Taille, breite Schultern, leicht gerundete Arme und ausladende Hüften.

Sarah Burtons erste Kollektion für Givenchy: ein wenig Zitronengelb und viel Tailliertes.

Kurven und Klischees

«Die Identifizierung des Weiblichen ist gleichbedeutend mit der Kurve», beschrieben es die Show-Notes von Miu Miu trocken. Wie schon bei Prada in Mailand enthielt Miuccia Pradas Kollektion für ihr erfolgsverwöhntes Zweitlabel Kleider, Anzüge und Mäntel, deren weiblich gelesene Formen übergross und ausgebeult waren und damit leicht vom Körper abstanden. Konische BH stachen unter glitzernden Strickpullovern hervor. Natürlich ist das konzeptionelle Mode, die mit Klischees spielt, sie bald liebkost und bald hinterfragt. Tradwives werden bei Miu Miu nicht fündig. Aber es ist auch formgebende Kleidung, die nicht einengend ist.

Konische BH und übergrosse Zweiteiler bei Miu Miu.

Das zog sich durch die ganze Woche. Korsette waren lediglich angedeutet (Dior, Akris) oder als weiche, gesteppte Daunenjacke gefertigt (Balenciaga). Die präzisen Jacken bei Schiaparelli kurvten entlang der Taille und dann dramatisch wieder nach aussen. Bei Louis Vuitton sah man eine entspanntere Version derselben Silhouette.

Bei McQueen sei es «immer um eine Taille gegangen», sagte dessen Designer Seán McGirr. Der junge Designer, der dort langsam seinen Rhythmus findet, folgte diesem Mandat mit einer romantischen Note. Bei Valentino und Chloé dekorierten Schösschen – so üppig, dass sie den Diminutiv eigentlich nicht verdienen – aus Spitze oder Seide die Kleider und betonten so die Mitte des Oberkörpers.

Körperkult

Bei all diesen Kurven konnte man nicht anders, als an die Academy Awards zu denken, die unmittelbar vor Beginn der Paris Fashion Week stattgefunden hatten. Auf dem dortigen roten Teppich wurde der weibliche Körper durch Couture-Mode, operative Eingriffe, Ozempic oder alles zusammen an seine Extreme gebracht. Viele der Kleider dort waren hautfarben, hauteng und schimmernd; sie existierten anscheinend nur, um die Form ihrer Trägerinnen zu betonen.

Einige Designerinnen und Designer in Paris spielten mit dieser Idee und setzten auf Verzerrung. Duran Lantink stattete seine Kleider mit steifen Kurven aus. Bei Ottolinger schlangen sich Stoffwulste um den Körper, die zeitweise an hervorstechende Hüftknochen erinnerten. Bei Alaïa wirkten üppige Polsterungen wie Kokons und Skulpturen. «Körperbewusstsein» nannte es der Designer Pieter Mulier.

Das war in allen Belangen interessanter als das, was man bei den Oscars sah. Dass viele Labels in kleinem Rahmen zeigten und ihre Gäste möglichst nah am Catwalk platzierten, verstärkte diese Körperlichkeit weiter. Man spürte die mal gemächlichen, mal stampfenden Schritte der Models und sogar den Wind, den sie beim Gehen verursachten.

Viel Glück und viel Pelz

Eine Diversität, was eigentliche Körperformen angeht, war aber auch auf den Laufstegen von Paris kaum vorhanden. Und wo waren diese Saison eigentlich die sonst so tüchtigen Peta-Protestierenden? Sie hätten allen Grund gehabt für einen Auftritt, waren tierische Felle und alles, was danach aussieht, in Paris doch allgegenwärtig. Anders als in Mailand war deren Präsenz aber weniger ein Ausdruck von Glamour. Stattdessen zeugte sie von einem Fokus auf Materialität. Wie etwa bei Gabriela Hearst, deren Kleider manchmal so wirken, als seien sie direkt der Natur entliehen und auf den Laufsteg platziert worden.

Anderswo stand Pelziges als Glücksbringer ein, wie bei Chloé, wo falsche Hasenfüsse und Fuchsschwänze neben Amuletten und Anhängern von Hälsen und Taschen baumelten. Damenhafte Accessoires schmückten auch die Models bei Miu Miu, von Cloche-Hüten über pelzige Stolen bis hin zu dramatischen Broschen. Etwas Glück können wir alle brauchen, schien die Botschaft. Umso besser, wenn es uns faszinierender aussehen lässt.

Freiheit in Tweed

Doch was ist eine modische Auseinandersetzung mit Weiblichkeit ohne Coco Chanel? Der neue Kreativdirektor des von ihr gegründeten Modehauses, Mathieu Blazy, wird seine erste Kollektion im Herbst präsentieren. In der Zwischenzeit bezieht sich das Haus Chanel deshalb noch stärker als sonst auf seine einflussreiche Gründerin.

Tweed-Zweiteiler bildeten eine Konstante in der Chanel-Kollektion.

Dramatische Taillen suchte man in der vom Designstudio entworfenen Kollektion vergebens. Stattdessen dominierten die klassischen, kastig geschnittenen Bouclé-Jacken, mal kürzer und mal länger, mal glitzernd und mal matt. Bei ihrer Erfindung vor über hundert Jahren waren sie ein Paradebeispiel für Kleidung, die Frauen – vielbeschäftigt oder nicht – Bewegungsfreiheit verschaffte. Was wohl die Zukunft für sie bereithält?

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