Sonntag, November 24

Das Auto der Zukunft ist eine Flachbatterie mit vier Rädern und Radnabenmotoren. Und es existiert bereits. Die Idee hatte Porsche vor 125 Jahren schon. Einige Hersteller haben das Skateboard in die Gegenwart zurückgeholt.

Eine Batterie, vier Räder, an jedem Rad ein Motor: Mehr braucht es nicht mehr, um mit Allradantrieb loszufahren. Denn erst die Entwicklung von Batterieautos hat den Fahrzeugbau deutlich vereinfacht. Früher mussten Antriebswellen Vorder- und Hinterachse miteinander verbinden, Differenziale den Antrieb zwischen den Rädern regeln und Getriebe die Kräfte einleiten. Ein Audi Quattro war für seine Zeit ein technisches Wunderwerk, doch strotzte das Auto vor mechanischen Gussteilen, Wellen und Zahnrädern. Entsprechend aufwendig war die Herstellung, ein hoher Neuwagenpreis das Resultat.

Mit der Einführung des batterieelektrischen Autos entfallen bei allradangetriebenen Fahrzeugen viele Mechanik-Komponenten zugunsten elektronischer Regelungen. Die Kraftverteilung des E-Antriebs erfolgt entweder per Kabel, Glasfaserverbindung oder gar Funk an jedes einzelne Rad. Daraus ergibt sich eine weniger komplexe Montage des Fahrwerks und eine Gewichtseinsparung der Mechanikteile.

Die ist allerdings auch erforderlich, denn die Antriebsbatterie des E-Autos ist im heutigen Entwicklungsstand schwer – der Akku eines Tesla Model Y etwa wiegt gut 770 Kilogramm, dies entspricht knapp 39 Prozent des gesamten Fahrzeuggewichts. Zudem sind Batterien von Stromautos heute noch gross. Aufgrund des Gewichts und der Grösse werden sie meist im Unterboden des Fahrzeugs untergebracht, dort können sie flach verbaut werden und senken den Schwerpunkt des Autos, was die Fahrdynamik begünstigt.

Platz braucht dann noch der Elektromotor, allerdings deutlich weniger als ein Verbrennungsmotor. Bei Allradautos mit E-Antrieb arbeiten in der Regel zwei oder mehr Elektromaschinen, jeweils mindestens eine pro Achse. Für die E-Motoren findet sich Platz zwischen den Rädern jeder Achse, allerdings geht dadurch oft etwas Kofferraum verloren.

Die Idee entstand vor 125 Jahren

Um auch dieses Problem zu eliminieren, blickten einige Hersteller von Elektroautos in die Vergangenheit. Ferdinand Porsche hatte 1897 als Ingenieur bei den Wiener Lohner-Werken die Idee, ein Fahrzeug zu bauen, das über Elektromotoren direkt an den Radnaben verfügte. Der als «Lohner-Porsche» in die Geschichte eingegangene erste Wagen aus Porsches Feder hatte noch einen Hybridantrieb.

Ein Jahr später entstand als Auftragsarbeit für einen britischen Kunden ein Fahrzeug mit vier Radnaben-Motoren. Das erste Allradauto war entstanden, noch dazu mit Elektroantrieb. Von einem Rollbrett konnte damals noch keine Rede sein, denn die Aufbauten mit grosser Batterie und weiteren Komponenten nahmen noch viel Platz weg.

Dem Beispiel folgte als einer der ersten Konstrukteure der Neuzeit der israelische Hersteller Ree Automotive, der seit 2013 dank modularen Plattformen Elektrofahrzeuge jeder Grösse und Form baut. Seit 2019 stellt Ree eine Fahrzeugplattform mit Antriebsbatterie und Radnabenmotoren an allen vier Rädern her.

Der Vorteil dieser rollbrettartigen Struktur: Das Design der über der Plattform aufgebauten Fahrzeuge ist weitgehend frei wählbar. Zudem sind wichtige Fahrzeugkomponenten wie Lenkung, Bremsen, Aufhängung, Antriebsstrang und Antriebssteuerung in einem einzigen kompakten Modul zusammenfasst, das zwischen Fahrgestell und Rad positioniert ist. Das Skateboard-System ist flach und einfach zu bewirtschaften. Daraus ergeben sich für Grossserienhersteller niedrige Gesamtkosten, und die Entwicklung für neue elektrische Modelle dauert weniger lang.

Besonders interessant ist eine Skateboard-Plattform für emissionsfreie Nutzfahrzeuge, deren Innenraum für maximale Laderaumgrössen optimiert werden soll. Ree Automotive lancierte 2023 mit dem P7-C einen Lieferwagen auf der eigenen Rollbrettplattform, die mittlerweile auch über Allradlenkung verfügt, und hofft auf den kommerziellen Durchbruch.

Doch schon 2011 brachte Volkswagen mit dem E-T ein Versuchsfahrzeug auf den Markt, das mit Radnabenmotoren operierte. Der gemeinsam mit der Deutschen Post entwickelte Kastenwagen verfügte dank dem Wegfall von Antriebswellen über einen flachen Ladeboden – ideal für leichte Nutzfahrzeuge im Bereich der emissionsfreien Postzustellung. Das Projekt ging jedoch nie in Serie.

Skateboards gibt es auch ohne Radnabenmotoren

Eine zweite Variante der Rollbrett-Idee profitiert von den immer kleineren Elektromotoren, die in der jüngeren Entwicklungsphase entstanden sind. Anstelle von Radnabenmotoren werden an Vorder- und Hinterachse flache E-Motoren eingebaut. Sie sind weiter innen montiert und so vor äusseren Einflüssen besser geschützt.

Bekanntestes Beispiel für diese Interpretation der Skateboard-Technik ist die vom koreanischen Hyundai-Konzern entwickelte Fahrzeugplattform E-GMP (Electric Global Modular Platform). Sie ermöglichte die Einführung von E-Autos mit 800-Volt-Bordnetz und ein deutlich schnelleres Aufladen der Batterie. Der Hersteller verspricht beim Nachladen für 100 Kilometer Reichweite eine Zeit von nur fünf Minuten.

Auch bei der E-GMP ermöglicht die Rollbrett-Architektur eine grössere Freiheit bei der Gestaltung von Elektroautos, sowohl bei der Karosserie als auch im Innenraum. Fehlt etwa bei der aktuellen Volkswagen-Architektur der ID-Modelle ein Kofferraum unter der Fronthaube, ist in den Hyundai-Modellen wie dem Ioniq 5 genügend Platz für einen solchen oft «Frunk» genannten Laderaum hinter den Vorderrädern, etwa zum Verstauen von Ladekabeln.

Der chinesische Geely-Konzern arbeitet ebenfalls mit einer Skateboard-Architektur für Elektrofahrzeuge und profitiert von enormen Skaleneffekten, da sich verschiedenste Fahrzeugarten und -grössen auf derselben Plattform realisieren lassen. Auf dieser Basis lanciert sind bereits Autos der Marken Lotus, Polestar, Volvo, Zeekr und Smart. Einige dieser neuen Rollbrettautos aus China sind bereits auf dem europäischen Markt erhältlich.

Das 20 000-Euro-Auto wird möglich

Kombiniert man die neuen Skateboard-Plattformen mit dem Herstellungsverfahren für komplexe Gussteile, dem Mega-Casting, ergeben sich immer mehr Einsparungen bei der Fahrzeugherstellung. Auf diese Weise lassen sich kleine und kompakte Elektroautos für den Alltagsgebrauch fertigen, die nicht nur günstig im Unterhalt sein, sondern beim Neupreis auch die Schallgrenze von 20 000 Euro unterschreiten dürften.

Die Prognosen für Autohersteller aus Korea und China stehen entsprechend gut, genauso wie für das Tesla-Unternehmen, das ebenfalls mit Skateboard-Technologie und Mega-Casting operiert. Wenn die kleinen und kompakten Stromer zum günstigen Preis anrollen, dürften sie also in erster Linie nicht von europäischen Autobauern kommen, wenn man einmal von den Avancen des Renault-Konzerns bei der Entwicklung batterieelektrischer Autos absieht. Der Renault 5 könnte die europäische Speerspitze bilden.

Grosse Konzerne wie Volkswagen und Stellantis hinken bei den Fortschritten im Bereich der modernen Rollbrett-Plattformen und Herstellungsverfahren noch hinterher. Immerhin droht ihnen vonseiten der japanischen Konzerne wie Toyota und Honda noch keine Gefahr – auch sie sind im Rennen ums günstige Elektroauto für jedermann noch im Hintertreffen.

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