Mittwoch, Januar 22

Die neuen Möbel aus Keramik sind in ihrer Optik zeitgenössisch, gleichzeitig aber eine Rückbesinnung aufs Handwerk. Und auch mit neuen Materialien wird experimentiert.

Die Töpferscheibe hat schon so manchem tastaturgeschädigtem Händepaar als meditativer Ausgleich gedient. Wird die Keramikmasse erst von Profis präpariert, entstehen Alltagsgegenstände, welche die Grenzen ästhetischer und praktischer Möglichkeiten ausloten. Mit ihren Arbeiten beweisen zeitgenössische Designerinnen und Designer, dass sich Ton für weit mehr als nur zur Herstellung von Kaffeetassen eignet. Selbst Stühle, Tische oder Lampen können aus Keramik gefertigt werden.

Mit Keramikmöbeln hat sich die New Yorker Designerin Eny Lee Parker international einen Namen gemacht. Bunte Leuchten in Blumen- oder Donut-Form zieren ihr Portfolio. Es sind freudvolle Objekte, die trotz der Härte des Materials auch eine gewisse Verspieltheit in eine Wohnung bringen. Eny Lee Parkers Möbelstücke sind Gebrauchsgegenstände, sehen aber vielmehr wie Kunstwerke aus.

Dasselbe gilt für die Kreationen des ebenfalls in New York ansässigen Designers Danny Kaplan. Seine ersten Entwürfe waren Leuchten, Vasen und Schalen. Heute fertigt Kaplan auch Beistelltische und Stühle.

Inspiriert seien seine Möbelstücke vom Zuhause seiner Kindheit, so erzählte es Kaplan vor einigen Jahren dem Magazin «T» der «New York Times». Aufgewachsen in Südfrankreich, in Aix-en-Provence, lebten er und seine Familie in einer Wohnung aus dem 18. Jahrhundert, die im minimalistischen Stil des französischen Designers Jean-Michel Frank (1895–1941) eingerichtet war. «Ich habe immer versucht, diese Ästhetik in meinen Stücken nachzubilden», sagt Danny Kaplan. Viele seiner Werke kommen in einem hellen Crème-Ton daher, dazu kombiniert er als Kontrast Elemente aus dunklem Holz – etwa indem er auf Keramiktischbeine eine Holzplatte stellt.

Keramikmöbel stehen im diametralen Gegensatz zu den kuschelig weichen Materialien, die im Interior-Design derzeit auffallend oft zu sehen sind. Doch beliebt sind sie vermutlich aus demselben Grund: In einer digitalisierten Welt gehe die Haptik immer mehr verloren. Fabio Hendry, Kreativdirektor und Gründer des Schweizer Labels Hot Wire Extensiona, sagt: «Unsere heutige Materiallandschaft ist zu einem grossen Teil stark sanitisiert.» Das habe einerseits mit dem Wechsel zu digitalen Welten zu tun, andererseits auch mit der Verwendung gewisser Materialien und glänzender Oberflächen aus Gesundheits- und Hygienegründen. Die globalisierte Produktion verstärke diese Entwicklung, weil alles hypereffizient, standardisiert und in zentralen Fabriken hergestellt und weltweit verschickt werde.

«Für mich bedeutet das, dass wir uns immer mehr davon entfernen, wie Dinge gemacht werden», sagt Fabio Hendry. Seine Möbel und Objekte lassen sich zwischen Handwerk und industrieller Produktion verordnen. Statt mit Keramik arbeitet der Designer mit einem eigens entwickelten Material, das aus Nylonpulver, einem Überschussprodukt des 3-D-Drucks, und 80 Prozent Sand besteht.

«Nylon ist ein Abfallnebenprodukt, das derzeit verworfen wird und keine zusätzliche Verwendung hat», erklärt Hendry. Es handelt sich also um lokal produzierten Abfall. Der beigegebene Sand stammt aus lokalen Kieswerken. Auch der Herstellungsprozess gestaltet sich ressourcenschonender: Geformt wird das Material mit einem heissen Draht, anschliessend werden die Objekte 30 bis 40 Minuten «gebacken», während die Dauer bei Keramik wesentlich länger ist und mehrere Zyklen benötigt werden.

Obwohl die Objekte von Hot Wire Extensions auch aus Kunststoff bestehen, ist das im Endprodukt nicht mehr erkennbar. «Durch den hohen Sandanteil haben die Stücke eine taktile Wärme und eine Textur, die an Sandstein erinnert.» Und sich so als Alternative zu herkömmlichen Materialien wie etwa Keramik eignet.

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