Die Importzölle, die Donald Trump einführen will, verunsichern die Märkte. Sind sie aber ein Bluff, dann bieten sich Kaufgelegenheiten.
Für den amerikanischen Präsidenten Trump und seine Anhänger ist der kommende Mittwoch «Liberation Day», der Tag der Befreiung. Am 2. April sollen Zölle gegen wichtige Handelspartner eingeführt werden, welche die USA bis anhin vermeintlich übervorteilen. So kündigte Donald Trump diese Woche Importzölle von 25 Prozent auf Autos und Autoteile an. Ziel der protektionistischen Politik ist es, das Handelsbilanzdefizit zu senken und die heimische Industrie zu stärken.
Die Einfuhrzölle sollen langfristig gelten und nicht bloss ein Verhandlungsinstrument sein, wie er klarmachte. Angesichts der Verflechtungen der Autoindustrie und ihrer globalen Lieferketten löste die Ankündigung Schockwellen an den Kapitalmärkten aus. Insbesondere Aktien von deutschen und amerikanischen Autobauern verloren jüngst deutlich. Das sorgt für Verunsicherung und schürt die Angst vor einem Börseneinbruch am «Liberation Day».
Zudem ist die wirtschaftliche Kulisse trüb: Wegen der Zölle steigt in den USA die Angst vor Inflation, die Ungewissheit hält die Amerikaner beim Konsumieren zurück. Zudem sind die Investoren besorgt, dass die Wirtschaft in eine Ära der Stagflation eintreten könnte, also in ein Umfeld, in dem Inflation und wirtschaftliche Stagnation herrschen.
Was bedeuten die Trump-Zölle nun für Anleger? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie wirken sich die Zölle auf die US-Wirtschaft aus?
Mit seiner Zollpolitik möchte Trump das Land reindustrialisieren, die Staatskassen füllen und die industrielle Basis stärken. Sie könnte das Gegenteil bewirken. Gemäss Sandro Merino, Anlagechef bei der Basler Kantonalbank, kommen die Autozölle einer Besteuerung des amerikanischen Konsumenten gleich. Autos könnten in den USA durchschnittlich um 7 bis 10 Prozent teurer werden. Insofern seien Trumps Zölle «ökonomisch idiotisch». Wenn er sein Vorhaben aber stur durchziehe, führe er die Wirtschaft der USA in eine Rezession, glaubt Merino.
Eine baldige Reindustrialisierung ist nicht in Sicht. Auch wenn Unternehmen die lokale Produktion in den USA priorisieren, dauert es mehrere Jahre – insbesondere in der Autoindustrie –, um neue Fabriken zu errichten. Damit sich Lieferketten nachhaltig veränderten, müsste Trump mit graduellen Zöllen arbeiten, die den Standort USA favorisierten, sagt Merino.
Die unmittelbaren Konsequenzen sind wirtschaftlich schädlich. Kommen die Zölle wie angekündigt, werde es mehr Inflation und weniger Wachstum geben, sagt Norman Villamin, Chefstratege bei der Privatbank UBP. «Die Gewinnerwartungen der Unternehmen müssen dann sinken.» Das bedeutet, dass auch die Aktienkurse fallen dürften. Sie sind ein Abbild der künftig erwarteten Gewinne der Unternehmen.
Was bedeutet das für Aktien-Investments?
An den amerikanischen Börsen hat eine Neubewertung bereits stattgefunden. Nach einem anfänglichen Kursschub nach der Wahl Trumps hat der S&P 500 seit einem Höchststand im Februar rund 7 Prozent verloren. «Die Unsicherheit ist nicht eingepreist», sagt der Stratege Villamin. Amerikanische Aktien hätten einen schlechten Lauf gehabt, aber die Bewertungen seien immer noch hoch, die Gewinnerwartungen sind nur wenig zurückgegangen.
Auf dem heutigen Stand wäre die amerikanische Börse auf fortgesetztes, moderates Wirtschaftswachstum angewiesen, bei rückläufiger Inflation. Das ist nicht zu erwarten. Die Börse geht von einem Szenario aus, das angesichts der drohenden Zölle bald überholt sein könnte. Wie stark eine Börsenkorrektur ausfallen würde, entscheide sich kommende Woche, sagt Villamin. Fest stehe jedenfalls, dass viele Anleger nicht vor einem möglichen Einbruch geschützt seien.
Besser als die Märkte der USA schnitten dieses Jahr die europäischen Börsen ab: Der DAX hat seit Jahresanfang mehr als 12 Prozent gewonnen, der SMI fast ebenso viel, der breit abgestützte Stoxx Europe 600 immerhin rund 7 Prozent. Doch die massiven Stimuli in Form hoher staatlicher Sonderausgaben für Rüstung und Infrastruktur sind mittlerweile eingepreist. So werden nun auch an den europäischen Aktienmärkten die Auswirkungen der Trumpschen Zollpolitik auf die Bewertungen ausgehandelt – was derzeit für rückläufige Kurse sorgt.
Ist eine Konfrontation unausweichlich?
Aussagen der Trump-Regierung deuten zwar auf eine mögliche Bereitschaft hin, «Deals» zur Senkung von Zöllen zu finden. Doch die Rhetorik bleibt überaus angriffig: So drohte Trump in einer Social-Media-Nachricht der EU und Kanada. Wenn sie zusammenarbeiteten, «um den USA wirtschaftlichen Schaden zuzufügen», würde beiden hohe Zölle auferlegt, die weit über die derzeit geplanten hinausgehen würden.
Die Portfoliomanagerin Kirstie Spence von Capital Group erinnert solches Gebaren an Schwellenländer. Geopolitische Risiken und makroökonomische Schocks seien dort oftmals nichts Aussergewöhnliches. Neu sei allerdings, dass diesmal die USA die Quelle der Unsicherheit seien. Früher gingen Krisen oft von Entwicklungsländern aus. Die politische Verankerung der USA verändere sich gerade – das beunruhige viele Investoren.
Der Anlageexperte Merino erwartet, dass eine Konfrontation unausweichlich ist. Die Europäer müssten aber mit anderen betroffenen Nationen Trumps «Bluff» aufdecken und mit scharfen Gegenmassnahmen antworten. Angesichts ihrer exorbitant steigenden Staatsverschuldung könnten sich die USA eine Eskalation des Zollstreits gar nicht leisten.
Denn die USA können sich gemäss Merino nicht nachhaltig refinanzieren. Das bedroht langfristig den Wert des Dollars und von US-Staatsanleihen. Dies macht die USA verwundbar. Nationen wie Japan und deren Autoindustrie wären Leidtragende der Zölle. Gleichzeitig hält Japan am meisten US-Staatsanleihen und ist Amerikas grösster Gläubiger. Das gibt Verhandlungsmacht. Ministerpräsident Shigeru Ishiba sagte bereits, dass als Reaktion auf die Zölle «alle Optionen auf dem Tisch» lägen.
Trump dürfte deshalb offen für einen «Deal» sein, auch nach dem «Liberation Day». Könnten die grossen Industrienationen Trump die Undurchführbarkeit seines Kurses demonstrieren, dann würden sich die Märkte erholen, glaubt Merino. Sollte der Widerstand gegen Trump hingegen bröckeln, werden die Börsen das Zollregime einpreisen. Dann werden die Aktienkurse weiter nachgeben.
Was sollen Anleger jetzt machen?
In unsicheren Zeiten sei «abwarten und nichts tun die beste Strategie», sagt Merino. Doch glaubt man, dass Trump kompromissbereit sein wird, kann sich punktuell der Kauf abgestrafter Aktien lohnen, zum Beispiel in Deutschland. Auch der US-Tech-Index Nasdaq ist ab einem bestimmten Niveau wieder attraktiv. Und Gold bewegt sich zwar auf einem Allzeithoch, doch ein Zukauf könne immer noch sinnvoll sein. «Wir gehen von einer weiteren Verteuerung des Edelmetalls aus», sagt der Anlageprofi.
Für die Analysten der UBS ist die kurzfristige Volatilität eine Chance, um sich langfristig in KI-Titeln zu engagieren. So haben etwa beliebte Tech-Aktien wie Nvidia seit Anfang Jahr rund einen Fünftel an Wert verloren. Sich nach einem Rückgang von 10 Prozent im S&P 500 einzukaufen, berge potenziell höhere Renditen, als wenn man auf grössere Rückgänge setze. Wartet man, verpasst man rasche Markterholungen. Zudem glaubt man bei der UBS, dass die US-Zentralbank im Juni die Zinsen senken wird. Das wirkt sich in der Regel positiv auf Aktien aus.
Gemäss Villamin sind Prognosen seit der Trump-Wahl schwierig. Es sei deshalb wichtig, erwartete Schwankungen bei Aktien und Zinsen abzufedern. Genügende Anteile in Cash, Gold, aber auch Hedge-Funds könnten helfen, das Risiko – also die Schwankungsanfälligkeit – eines Portfolios zu mindern.
«Bei Aktien achten wir auf verlässliche Gewinne», sagt Villamin. Dabei dürften Bankaktien von einer europäischen Wachstumsbeschleunigung profitieren, zudem seien sie relativ günstig. Bei Rüstungsaktien, die jüngst einen eindrücklichen Lauf hatten, ist der Anlagestratege vorsichtiger. Der Markt habe die Investitionen in die Aufrüstung vorweggenommen. Nun müssen sie aber noch getätigt werden. Mittelfristig bleiben die Wachstumsaussichten attraktiv, derzeit seien diese aber «gut eingepreist».