Sonntag, September 8

Zum ersten Mal seit dem 7. Oktober äussern sich die höchsten Repräsentanten des Judentums und des Islams gemeinsam. Ralph Lewin und Önder Günes sind schockiert über die Welle des Hasses – und schauen aus verschiedenen Perspektiven auf den Gaza-Konflikt.

Herr Lewin, empfinden Schweizer Juden die Muslime als Gefahr für ihre eigene Sicherheit?

Ralph Lewin: Was am vergangenen Samstag geschah, ist sehr einschneidend. Ein Anschlag von dieser Brutalität ist eine ganz neue Dimension. Dass er einen islamistischen Hintergrund hat, ist beunruhigend. Es wäre aber nicht richtig, deshalb Muslime generell als Bedrohung wahrzunehmen. Wir haben mehrere hunderttausend Muslime in der Schweiz, von denen keinerlei Gefahr ausgeht. Antisemitismus ist nicht in erster Linie ein muslimisches Problem. Er kommt in vielen Kreisen vor.

Herr Günes, was war Ihr erster Gedanke, als Sie von dem Angriff gehört haben?

Önder Günes: Ich habe mir vor allem Sorgen um den Mann gemacht. Mir tut er extrem leid. Man muss sich das vorstellen: Er steht vor seiner eigenen Haustüre. Und dann kommt ein Fremder und sticht ihn grundlos ab. So etwas war für mich bisher unvorstellbar. Wir Muslime betrauern dieses Leid gemeinsam mit der jüdischen Gemeinschaft.

Was hat der Umstand, dass die Tat antisemitisch motiviert war und durch einen Muslim begangen wurde, in Ihnen ausgelöst?

Günes: Wir sind darüber schockiert und identifizieren uns mit dem Opfer. Minderheiten identifizieren sich mit Minderheiten. Es hätte auch einen Muslim oder eine Muslima treffen können.

Teilen Sie die Ansicht, dass es auch einen Muslim hätte treffen können, Herr Lewin?

Lewin: Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein radikalisierter jüdischer Bürger mit dem Messer auf einen Muslim losgeht. Aber zu hundert Prozent ausschliessen kann man das natürlich nicht.

Günes: Das sehe ich genauso – sehr unwahrscheinlich. Und so habe ich das auch nicht gemeint. Aber es könnte irgendjemand auf einen Muslim losgehen und ihn niederstechen.

Lewin: Ja, das ist wahr. Es ist unbestritten, dass auch Muslime einer Gefährdung ausgesetzt sind. Bei uns in der Schweiz ist es meines Wissens kaum zu solchen Vorfällen gekommen, aber im Ausland ist dies teilweise anders.

Wie gross ist zurzeit die Angst unter den Jüdinnen und Juden?

Lewin: Die Angst ist da, aber nicht erst seit dem Wochenende. Antisemitische Übergriffe und Tätlichkeiten haben seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober massiv zugenommen. Das Sicherheitsempfinden hat eindeutig nachgelassen. Vielleicht wird die Angst jetzt noch grösser. Es ist zentral, dass das Gefühl, hier sicher zu sein, zurückkommt.

Und wie soll das geschehen?

Lewin: Es ist jetzt wichtig, dass es nicht zu einer Nachahmer-Tat kommt. Gerade bei islamistischen Anschlägen ist das nicht ausgeschlossen. Die Sicherheitsbehörden müssen das unbedingt verhindern. Die Polizei hat das Sicherheitsdispositiv bereits nach dem 7. Oktober erhöht. Das ist der richtige Weg. Manche Jüdin, mancher Jude will nicht mehr als das erkennbar sein, verzichtet in der Öffentlichkeit darauf, einen Davidstern oder eine Kippa zu tragen. Das darf nicht sein.

Herr Günes, Sie gehören auch zu einer religiösen Minderheit. Was empfinden Sie, wenn Sie hören, dass sich Juden nicht mehr getrauen, ihre Religionszugehörigkeit zu zeigen?

Günes: Jeder und jede muss ohne Angst zu seinem Glauben stehen können. Ich fühle da ganz mit den Juden, gerade weil wir als Muslime ebenfalls Anfeindungen kennen.

Wie hat sich das Verhältnis zwischen Juden und Muslimen seit dem 7. Oktober verändert?

Lewin: Der interreligiöse Dialog ist auf allen Ebenen anspruchsvoller geworden. Es gab seither und gibt weiterhin schwierige Situationen. Gleichzeitig ist aber auf allen Seiten der Wille spürbar, den Dialog auch in schwierigen Zeiten weiterzuführen. Wenn ich höre, wie dies im Ausland zum Teil läuft, ist das keine Selbstverständlichkeit.

Wie sieht der Dialog aus?

Lewin: Ich habe es zum Beispiel sehr geschätzt, dass Önder mich am Tag nach dem Mordversuch in Zürich angerufen und sich nach unserem Befinden erkundigt hat. Dass wir besprechen konnten, was wir nun tun. Solche Dinge sind sehr wichtig, weil es keinesfalls so weit kommen darf, dass die Situation im Nahen Osten zu uns hinüberschwappt und das Klima hier vergiftet wird.

Günes: Es wäre kontraproduktiv, wenn wir uns hier in der Schweiz wegen des Konfliktes in einiger Ferne nicht mehr verständigen könnten. Wir leben hier. Was im Nahen Osten geschieht, können wir nicht beeinflussen.

Dennoch beschäftigt die jüngste Eskalation in und um Gaza die Muslime wohl auch hierzulande stark.

Günes: Es beschäftigt nicht nur die Muslime. Bilder von Unschuldigen, die sterben, erzeugen Mitgefühl – egal, ob die Opfer Muslime oder Juden sind.

Fühlt man sich als Muslim automatisch solidarisch mit den Palästinensern?

Günes: Man sieht das Leid natürlich aus einem spezifischen Blickwinkel. Viele fragen sich: Sterben die Menschen in Gaza, weil sie Muslime sind? Mir selbst ist bewusst, dass der Konflikt nicht religiös, sondern politisch getrieben ist. Aber das ist nicht allen klar.

Herr Lewin, wie kann man Israel kritisieren, ohne in den Verdacht zu geraten, ein Antisemit zu sein?

Lewin: Man darf die israelische Regierung kritisieren, wie man jede andere Regierung kritisieren darf. Israel muss sich der Frage stellen, ob es verhältnismässig handelt. Eines aber darf man bei aller Kritik nicht vergessen. Am Anfang stand ein schreckliches Attentat mit weit über tausend Toten. Über hundert Geiseln sind noch immer in der Gewalt der Hamas.

Und wo überschreitet man bei der Israelkritik die Grenze?

Lewin: Schon die Begrifflichkeit ist bemerkenswert. Man spricht von Israelkritik, aber nie von Frankreichkritik oder Deutschlandkritik. Problematisch wird es, sobald man bei Israel andere Standards anwendet. Sich also beispielsweise auf den Standpunkt stellt, Israel dürfe sich nicht wehren. Und ich finde, es wird tatsächlich nicht immer mit gleichen Ellen gemessen. Das führt dazu, dass Kritik ins Antisemitische kippt – nicht unbedingt der Definition gemäss, aber gefühlt.

Günes: Man soll Israel kritisieren dürfen. Aber es muss klar sein, dass sich die Kritik nicht gegen die Juden richtet. Und du triffst natürlich einen Punkt, Ralph. Weshalb demonstriert man gegen Israel, aber nicht gegen Asad, obwohl in Syrien Zehntausende gestorben sind?

Ja, wieso?

Günes: Wahrscheinlich, weil solche Demos völlig aussichtslos wären: Es hat niemand die Hoffnung, dass ein solcher Diktator sich von Demonstrationen irgendwo in Europa beeindrucken lässt.

Ist es nur das – oder vielleicht doch auch, weil unterschwellig antiisraelische oder gar antisemitische Ressentiments vorhanden sind?

Günes: Es werden sicher viele Leute getriggert, weil sie der Ansicht sind, dass es sich um einen Krieg zwischen Muslimen und Juden handle. Damit wird ja auch mobilisiert. Und das ist problematisch. Man muss das Leid, das durch den Anschlag der Hamas entstand, genauso beklagen wie jenes in Gaza.

Lewin: Die Bilder der Zerstörung nehmen mich natürlich auch mit. Ich habe Empathie mit den Opfern im Gazastreifen. Der Unterschied zu den israelischen Opfern ist allerdings, dass diese von der Hamas wahllos abgeschlachtet wurden. Wenn die israelische Armee nun gezielt Zivilisten töten würde, wäre das ein absolutes Kriegsverbrechen. Für mich steht der Schutz vor weiteren Anschlägen im Vordergrund – und damit das Ziel, die Hamas unschädlich zu machen. Das sieht auch der überwiegende Teil der Bevölkerung in Israel so.

Günes: Ja, man muss Wege finden, um künftig Angriffe der Hamas zu verhindern. Aber für uns Muslime, in der Schweiz und anderswo, ist der Waffenstillstand ein tief ersehntes Ziel. Damit ist kein Votum gegen das israelische Volk verbunden. Es ist einfach der Wunsch, dass das unerträgliche Sterben und das grosse Leid von Zivilisten ein Ende hat.

Wenn Demonstranten Transparente mit dem Slogan «From the river to the sea» hochhalten, ist das aber eine andere Botschaft.

Günes: Ich habe anfänglich nicht gewusst, dass die Juden damit die Forderung nach der Auslöschung von Israel verbinden. Jetzt ist für mich klar: Man soll diesen Spruch nicht mehr verwenden.

Lewin: Auch vielen Juden war dieser Slogan nicht geläufig. Und er geht ja noch weiter: «From the river to the sea – Palestine will be free». Wie soll denn das gehen, wenn nicht dadurch, dass die Leute beseitigt werden, die dort leben? Gewisse Leute und Organisationen haben dieses Motto bewusst eingesetzt. Das passt übrigens zu einer anderen Beobachtung, die ich bei diesen Demonstrationen gemacht habe.

Nämlich?

Lewin: Mir ist aufgefallen, dass die Menschen gar nicht in erster Linie für Palästina und die Palästinenser demonstrieren. Sondern gegen Israel. Gerade aus diesem Grund war es für uns enorm wichtig, dass die Veranstalter klarmachen, dass die Demos nicht zu einem Ort für ungebremsten Hass und Antisemitismus werden dürfen.

Günes: Alles andere wäre auch fatal. Wenn sich Demonstrationen gegen einen Teil der Bevölkerung richten, erreichen sie ihr Ziel nicht. Nämlich Aufmerksamkeit für die Sache zu erzeugen, für die man eintreten will.

Lewin: Ich muss ohnehin festhalten: So gross diese Demos mit ein paar Tausend Teilnehmern auch sind, es ist doch nur ein sehr kleiner Teil der Muslime, der auf die Strasse strömt. Da haben unsere Religionsgemeinschaften in der Schweiz schon eine andere Qualität des Umgangs miteinander als in gewissen Nachbarländern.

Günes: Ich habe kürzlich eine Führung durch das frühere Judenquartier in Zürich gemacht. Da wurde mir einmal mehr bewusst, welches Leid die Juden in ihrer Geschichte erlebt haben. Diese jahrhundertealten Traumata sind schon fast in eure DNA eingeschrieben. Wir Muslime erleben diese Diskriminierung und Ausgrenzung in Europa auch, aber erst seit vielleicht fünfzig Jahren.

Sie haben erwähnt, dass die Muslime seit dem 7. Oktober noch mehr Anfeindungen erleben. Wie äussert sich das?

Günes: Muslime in der Schweiz werden teilweise für Massaker der Hamas direkt verantwortlich gemacht. Mir kommt ein konkretes Beispiel in den Sinn: Eine Frau mit Kopftuch wartet kurz nach dem Anschlag der Hamas auf den Bus und will einsteigen. Da sagt der Chauffeur: «Jemanden wie dich nehme ich sicher nicht mit» – und fährt davon. Solche Dinge gab es vor allem im vergangenen Herbst. Die Situation hat sich dann wieder etwas beruhigt, bis . . .

. . . zur Messerattacke vom Samstag. Diese bringt den Muslimen einen Reputationsschaden.

Günes: Ja. Bei einem Anlass mit gebildeten Leuten fragte mich kürzlich jemand ernsthaft: «Sind Sie ein Extremist?» Dies, obwohl ich in der Schweiz geboren bin, hier Familie habe, mich für den Dialog der Religionen und den Frieden einsetze. Das ist enorm verletzend. Solche Klischees kommen immer wieder auf, wenn es terroristische Attacken gibt.

Lewin: Auch wir wollen nicht, dass man von einer kleinen Gruppe von Extremisten auf das Gros der Muslime schliesst, die völlig friedlich hier leben. Es wäre auch nicht gut, wenn Juden denken würden: «Oh, da kommt eine Gruppe von Muslimen, lasst uns schnell die Strassenseite wechseln.»

Herr Günes, der Extremismusforscher Dirk Baier sagt, die muslimischen Gemeinschaften müssten sich kritisch hinterfragen, ob sie genug tun würden gegen den radikalen Islamismus. Tun Sie das?

Günes: Die muslimische Gemeinschaft hat, wie jeder Teil der Gesellschaft, eine Verantwortung für das friedliche Zusammensein. Und wir kümmern uns darum, nicht erst seit dem 7. Oktober. Wir haben im Herbst eine Stellungnahme gegen Antisemitismus veröffentlicht. Wir sagen unseren Jungen, dass sie sich selbst ins Bein schiessen, wenn sie auf Hassbotschaften hören, statt ein anständiges Leben zu führen. Es wollen doch alle eine gute Zukunft, mit Familie, Erfolg im Beruf. Und nicht eine Zukunft im Gefängnis. Einem IS-Kommandanten, der unsere Jugend aufstachelt, mag das egal sein. Uns ist es nicht egal.

Herr Lewin, tun die Muslime genug gegen den Extremismus?

Lewin: Man muss auf jeden Fall mehr machen.

Wer ist «man»?

Lewin: Es ist entscheidend, dass die Hintergründe der Tat vom vergangenen Samstag genau ausgeleuchtet werden. Es sieht ja bis jetzt so aus, dass es sich, wie so oft bei solchen Anschlägen, um einen «einsamen Wolf» handelt, der durch Social Media radikalisiert wurde. Wir fordern schon lange, solche Kanäle, auf denen ungefiltert Hass verbreitet und zu Gewalt aufgerufen wird, zu unterbinden. Das ist eine polizeiliche Aufgabe. Doch Antisemitismus ist ein Problem der ganzen Gesellschaft. Aus den Gedanken entstehen Worte, und aus den Worten entstehen Taten. Es braucht deshalb eine systematische Strategie, da ist der Bundesrat gefordert.

Die neue Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider kündigte diese Woche nach einem Treffen mit Ihnen einen nationalen Aktionsplan gegen Antisemitismus an.

Lewin: Ja, Gott sei Dank. Ich erwarte nicht, dass ein Wunder passiert und der Antisemitismus plötzlich verschwindet, den es seit Jahrhunderten in unserer Gesellschaft gibt – lange, bevor der erste Muslim hier aufgetaucht ist. Aber es wäre wichtig, das Problem zu durchdringen. In manchen Familien werden antisemitische Einstellungen weitergegeben. Dann müsste man in den Schulen oder Sportvereinen genauer hinschauen. Und prüfen, welche Strategien gegen Antisemitismus in anderen Ländern erfolgreich sind. Das meine ich mit systematisch.

Zur Rolle der Muslime haben Sie nichts gesagt. Nochmals: Tun diese genug gegen den Antisemitismus?

Lewin: Das kann ich nicht wirklich beurteilen. Ich lese zwar immer wieder von Moscheen als Hotspots der Radikalisierung, von Hasspredigern aus dem Ausland. Aber es scheint mir, als ob auch in diesem Bereich eine systematische Analyse der Lage fehlt.

Haben die Moscheen und andere islamische Institutionen überhaupt eine Möglichkeit, solche «einsamen Wölfe» zu erreichen?

Günes: Falls wir solche Irregeleiteten erkennen, müssen wir versuchen, sie zurückzuholen. Wenn ein Jugendlicher auf Tiktok dauernd Videos anschaut, die vor Hass triefen, dann will er das doch mit anderen Leuten reflektieren, sie fragen, ob sie das auch so sehen. Das sind Gelegenheiten, um ihm klarzumachen, dass er auf eine Schiene zu geraten droht, die ins Verderben führt.

Lewin: In Zürich haben Passanten Zivilcourage gezeigt, ihr Eingreifen hat dem Opfer möglicherweise das Leben gerettet. Es braucht auch mehr von dieser Zivilcourage, wenn es nicht gerade um physische Gewalt geht. Beispielsweise, dass man den Mut zum Widerspruch aufbringt, wenn jemand im Netz Verschwörungstheorien verbreitet – ob es nun gegen Juden, Muslime oder andere Minderheiten geht.

Günes: Ja, alle Muslime, die so etwas sehen, müssen aufstehen und sagen: So geht das nicht.

Inwiefern ist Judenhass, der zu Gewalttaten führen kann, etwas genuin Islamisches?

Günes: Unschuldige Menschen anzugreifen oder sie gar zu töten, entspricht in keiner Weise der Religion, wie ich sie verstehe und lebe.

Lewin: Ich bin kein Islam- oder Koranexperte. Aber was die radikalen Organisationen wie Hamas, al-Kaida oder IS verbindet, ist der Wille, Andersdenkende zu vernichten. Wohl aus religiösem Irrglauben heraus gibt es in diesen Kreisen eine verheerende Idee von Märtyrertum. Eine Vorstellung, dass ein Attentäter in den Himmel kommt, falls er dabei stirbt. Und dass die Angehörigen stolz sein sollen auf so jemanden. Das zeigt sich ja auch in den Bekennervideos.

Günes: Das ist sicher ein Element des Problems. Mir ist es völlig schleierhaft, wie jemand in den Himmel kommen soll, der Unschuldige abschlachtet.

Lewin: Ich verurteile es auch, wenn es auf jüdischer Seite zu Gewalt kommt, etwa durch die radikale Siedlerbewegung. Aber da sind die Motive andere, es geht darum, dass sie sich bedroht fühlen – ob zu Recht oder nicht. Oder dass sie anderen etwas wegnehmen wollen.

Gibt es solche jüdischen Extremisten auch in der Schweiz?

Lewin: Ich glaube nicht. Die Jüdinnen und Juden leben meistens seit vielen Generationen hier, sie sind Schweizer Staatsbürger. Strenggläubige sind vielleicht weniger nah bei der Mehrheitsgesellschaft als zum Beispiel ich. Das heisst aber nicht, dass sie Gesetze missachten oder in radikale Positionen abdriften würden. Anders sieht es vielleicht in der israelischen Gesellschaft aus. Grundsätzlich stehen Gewalttaten jedoch völlig im Widerspruch zu den Zehn Geboten.

Die Juden bekommen Unterstützung von der islamkritischen Rechten, nach der Logik: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Was können Sie mit dieser Unterstützung anfangen?

Lewin: In schwierigen Zeiten neigt man dazu, jede Unterstützung anzunehmen, die man kriegen kann. Aber wir schauen schon sehr genau hin, was die Motive sind. Wenn sich jemand sonst gegen alle Minderheiten wendet und sich nun als Judenfreund inszeniert, wenn uns jemand umgarnt, weil er damit vor allem einer anderen Gruppe schaden will: Dann stört mich das. Aber es gibt in den Reihen der SVP auch Exponenten, die aufrichtig eine positive Beziehung zu Israel und zum Judentum haben. Und die eine Erinnerungsstätte für die Opfer des Nationalsozialismus unterstützten, obwohl eine solche auch die problematische Flüchtlingspolitik der Schweiz im Zweiten Weltkrieg thematisieren wird.

Und was halten Sie von Linksextremen, die sich auf die Seite der Muslime schlagen, weil diese Opfer des weissen Kolonialismus seien, Herr Günes?

Günes: Das sehe ich auch kritisch. Gerade wenn es sich um Leute handelt, die sonst die Religion ablehnen – dann ist es scheinheilig. Wir wehren uns gegen die Instrumentalisierung der Muslime.

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