Sonntag, September 8

Emmanuel Macron hat diese Woche seinen Ukraine-Besuch kurzfristig abgesagt – aus Sicherheitsgründen. Wolodimir Selenski soll die Ermordung des Präsidenten in Auftrag gegeben haben. Über die Folgen eines gefälschten Videos.

Frankreich ist einmal mehr Ziel einer Desinformationskampagne geworden. In verschiedenen sozialen Netzwerken machte in den vergangenen Tagen ein Video die Runde, das eine gefälschte Nachrichtensendung des Senders France 24 zeigt.

Julien Fanciulli, der in der Regel die Nachmittagssendung des Senders moderiert, berichtet dort über die Gründe für die Absage einer Reise Emmanuel Macrons in die Ukraine. Demnach hätte sich der französische Präsident «gezwungen» gesehen, seinen Besuch abzusagen. Seine Geheimdienste hätten ein «Mordrisiko» aufgedeckt, heisst es weiter.

Der Bericht suggeriert, dass die ukrainische Staatsführung hinter dem Mordkomplott steckte. Die Ukrainer hätten vorgehabt, die Verantwortung für den Anschlag Russland in die Schuhe zu schieben. Damit hätten sie sich mehr Waffenlieferungen aus dem Ausland erhofft, heisst es weiter. Unterlegt ist der Beitrag unter anderem mit Bildern, die Macron und Selenski zeigen, wie sie sich umarmen.

Medwedew mischt mit

Emmanuel Macron hat am vergangenen Wochenende tatsächlich eine für Mitte dieser Woche vorgesehene Reise in die Ukraine abgesagt. Der Élysée-Palast gab Sicherheitserwägungen als Grund an, nannte aber darüber hinaus keine Details. Die Macher des France-24-Videos haben die Gründe frei erfunden. Mithilfe von künstlicher Intelligenz haben sie die Lippenbewegungen von Julien Fanciulli manipuliert und ihm die schockierenden Worte in den Mund gelegt.

Das Video tauchte erstmals am Dienstagabend auf dem russischen Telegram-Kanal Kotreal auf, der für Desinformation bekannt ist. Es zeigt einen Fernsehbildschirm, auf dem die besagte Nachrichtensendung läuft. Der Fernseher wurde mit etwas Abstand mit einem iPhone gefilmt.

Das Video verbreitete sich zunächst vor allem auf den russischen Kanälen wie dem sozialen Netzwerk V-Kontakte, das ähnlich funktioniert wie Facebook. Später wurde es auch auf X, dort vor allem via englisch-, spanisch- und französischsprachige Konten, geteilt. Am Mittwoch verlieh der frühere russische Regierungschef Dimitri Medwedew dem Video weiteres Gewicht, indem er dessen Inhalt als fast beiläufigen Fakt in einem Post auf seinen Social-Media-Konten wiedergab.

Auch das von den französischen Behörden zu Beginn der Woche entlarvte Propagandamedium «Prawda», das neben einer französischen auch eine englische, eine deutsche und eine polnische Website hat, hatte die Nachricht übernommen. «Prawda» gibt zum Teil gefälschten oder verdrehten Nachrichten Gewicht, die der russischen Aussenpolitik dienen und die Unterstützer der Ukraine diskreditieren.

Als für das westliche Europa direkt bedrohlich betrachtet der Bericht die Online-Plattform «Prawda», die auf Französisch, Deutsch, Polnisch und Englisch existiert. Dort wird in seriös anmutender Weise verbreitet, was man in Moskau bezüglich der «militärischen Sonderoperation» in der Ukraine als «Wahrheit» (die Übersetzung des russischen Worts «prawda») verstanden haben möchte.

In etablierten Medien Frankreichs wurde der Deepfake von der Redaktion von France 24 thematisiert, und es wurde auch auf dessen Schwächen hingewiesen. Neben den nicht perfekt synchronisierten Lippenbewegungen fällt auch auf, dass die Krawatte von Julien Fanciulli bisweilen mit seinem Kinn verschmilzt. Zudem fielen seinen Kollegen die zum Teil roboterhafte Stimme sowie die etwas holprigen Formulierungen aus dem Munde des routinierten Journalisten auf. Über die Urheberschaft kann wie in den meisten Fällen von Deepfakes nur spekuliert werden.

Gefälschte Websites

Das Video zeigt nicht nur, wie schnell die Macher von Deepfakes auf die Aktualität reagieren. Es ist auch ein Beispiel dafür, wie täuschend echt sie zum Teil sind. Frankreich scheint ein beliebtes Ziel der Fälscher zu sein. Im vergangenen Sommer waren in Frankreich etwa auch kopierte Websites von etablierten Medien wie «Le Figaro,» «Le Monde» oder «Le Parisien» aufgetaucht, die vor allem Falschnachrichten in Bezug auf den Ukraine-Krieg verbreitet hatten.

Des Weiteren wurde eine falsche Website des Aussenministeriums gefunden, auf der über eine angeblich neue «Sicherheitssteuer» informiert wurde. Sie werde auf allen Geldtransfers erhoben und diene dazu, Waffenkäufe für die Ukraine zu finanzieren. Die französischen Behörden hatten damals Russland für die Desinformationskampagne verantwortlich gemacht.

Emmanuel Macron wird Wolodimir Selenski diese Woche ausserdem doch noch treffen. Der ukrainische Präsident wird am Freitagabend in Paris erwartet.

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