Russland will seine Expansion in Afrika auf Tschad ausweiten. Angesichts des jahrzehntelangen Bündnisses der Déby-Dynastie mit Frankreich hielt man dies für ein unvorstellbares Szenario – bis vor kurzem.
Für den Staatsbesuch von Tschads Übergangspräsidenten Mahamat Idriss Déby hatte der Kreml Anfang Woche seinen Fuhrpark weit geöffnet. Das russische Propagandamedium «Sputnik» verbreitete auf dem Kurznachrichtendienst X ein Video, das angeblich die Fahrt Débys durch das verschneite Moskau dokumentiert. Der Konvoi umfasste vierzehn Autos, neun Motorräder und drei Kleinlastwagen – ein bemerkenswerter Aufwand für das demokratisch nicht legitimierte Oberhaupt eines wirtschaftlich schwachen afrikanischen Staates mit 17 Millionen Einwohnern.
Russland versucht, Frankreich auch den letzten verbliebenen Verbündeten im Kampf gegen die Jihadisten in der Sahel-Region abzuwerben. Es ist eine Entwicklung, die auch die USA mit Sorge betrachten, die mit dem Déby-Clan ebenfalls eine langjährige Militärkooperation pflegen. Anders als in Mali, Burkina Faso und zuletzt Niger hielt die Hinwendung zu Frankreich bislang. In Tschad, einem Land, das 31 Mal so gross ist wie die Schweiz, durfte Frankreich 1000 Soldaten stationieren und revanchierte sich schon mit dem ein oder anderen Einsatz zum Schutz der Regierung gegen Rebellen. Noch immer ist Frankreich Tschads wichtigster Handelspartner und die grösste Quelle für Haushaltshilfe.
Frankreich fürchtet um Investitionen
Unter der jahrzehntelangen Herrschaft von Débys Vater funktionierte dieses symbiotische System, das Kritik an Menschenrechtsverletzungen weitgehend ausschliesst, hervorragend. Als Idriss Déby 2021 von Rebellen ermordet wurde, zeigte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nur drei Tage später händeschüttelnd bei der Vereidigung des Nachfolgers, des bislang als General agierenden Sohnes Mahamat. Dabei ignorierte Macron die Verfassungswidrigkeit dieser Machtübernahme – auch, weil Frankreich umfangreich in das Netzwerk der Déby-Dynastie investiert hatte.
Als Mahamat Idriss Déby eine Frist für die Abhaltung einer Wahl nach der staatsstreichartigen Machtübernahme ignorierte, überliess Paris die Rolle des öffentlichen Kritikers stillschweigend dem deutschen Botschafter, der dafür prompt ausgewiesen wurde. Frankreichs Doppelmoral – die Verurteilung von Putschen in weniger loyalen Ländern wie Mali, während in Tschad Dutzende Protestierende getötet wurden – stärkt das rasant wachsende Heer der Kritiker von Macron in Westafrika.
Doch dem Vernehmen nach hat Frankreich Anfang Januar auf diplomatischer Ebene deutliche Kritik an der Nominierung Débys für die Wahl geäussert, die nun in diesem Jahr mit zweijähriger Verspätung stattfinden soll. Offenbar teilt Paris die Bedenken der lokalen Opposition, dass der 39-jährige Déby mit einem Verfassungsreferendum im letzten Dezember die Weichen für eine ähnlich lange Regentschaft wie sein Vater gestellt hat. Idriss Déby hatte das Präsidentenamt 1990 übernommen.
Ohnehin hatte wie fast überall in der Sahelzone die antifranzösische Stimmung auch in Tschad zugenommen, spätestens ab September, als ein französischer Militärsanitäter einen verletzten tschadischen Soldaten erschossen hat – in Notwehr, wie er sagte. Der Soldat habe während der Behandlung auf ihn einzustechen begonnen. Wütende Bürger versuchten daraufhin, die französische Militärbasis zu stürmen. 2023 gab es mindestens sechs Proteste gegen die französische Militärpräsenz in Tschad, einige schon vor diesem Vorfall. Inzwischen machen Gerüchte über einen Rückzug des französischen Energiekonzerns Total Energies die Runde.
Deutliche Offerte Putins
Der Zeitpunkt für eine Umgarnung Débys ist also günstig für Russland. Präsident Wladimir Putin lobte ihn denn auch für die «Stabilisierung des Landes» und äusserte sich «besorgt» über die Sicherheitslage. Man beobachte das genau. «Wir sind bereit, in jeder Hinsicht zu helfen», sagte Putin.
Deutlicher kann man eine Einladung für ein Militärbündnis mit günstigen Konditionen nicht aussprechen. Dieses Szenario galt angesichts von Tschads enger Frankreich-Anbindung bislang als ausgeschlossen. Das zentralafrikanische Land hatte bei den Uno-Resolutionen zum Ukraine-Krieg konstant gegen Russland gestimmt und verfügt über wenig historisch gewachsene Verbindungen nach Moskau.
Doch als ähnlich unvorstellbar galt lange auch eine derartige Kooperation mit Niger, das bis zum Putsch im vergangenen August vom Westen als regionaler Stabilitätsanker gepriesen wurde. Nur eine Woche vor Débys Besuch sprach der von den Militärs eingesetzte nigrische Premierminister bei Putin vor – und unterzeichnete ein Militärabkommen.