Freitag, Oktober 4

Die österreichische Raiffeisen Bank International scheitert vorerst mit dem Rückzug aus Russland. Damit kann sie die Vorgaben der Europäischen Zentralbank nicht erfüllen.

Die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI) muss ihre Bemühungen, sich aus dem russischen Markt zurückzuziehen, vorläufig auf Eis legen. Das Finanzinstitut gab am Donnerstagabend in einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt, dass ein russisches Gericht alle Aktien der dortigen Tochtergesellschaft mit einer Verfügungsbeschränkung belegt habe. Die RBI kann damit die Anteile vorläufig nicht übertragen. Das erschwere den Verkaufsprozess und werde unweigerlich zu weiteren Verzögerungen führen, heisst es in der Mitteilung weiter. Man plane, die Entscheidung anzufechten.

Für die in Wien ansässige Bank ist das ein weiterer Rückschlag. Seit sich mit Russlands Grossangriff auf die Ukraine viele Unternehmen zurückgezogen haben, ist sie das grösste verbliebene westliche Finanzinstitut in dem Land. Weil russische Firmen die Bank zur Abwicklung von Zahlungen in den Westen nutzen, ist Russland der mit Abstand lukrativste Markt der RBI: Seit Kriegsausbruch hat sich der Gewinn vervielfacht. 2023 betrug er rund 1,3 Milliarden Euro, 2022 sogar 2 Milliarden Euro. Davor hatte er bei rund 500 Millionen jährlich gelegen.

Ein Deal zur Rückholung der Gewinne ist geplatzt

Vom erwirtschafteten Geld hat die RBI aber nicht viel, weil Moskau den Transfer nach Wien blockiert. Zudem ist die Tätigkeit in Russland schlecht für die Reputation der Bank. Im Mai war etwa bekanntgeworden, dass sie letztes Jahr fast 500 Millionen Euro Steuern an den russischen Fiskus entrichtet hatte – mehr als alle anderen westlichen Banken zusammen. Dieses Geld fliesst direkt in den verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Die RBI will die Russland-Tochter deshalb abspalten oder verkaufen. Sie hat das Kreditgeschäft seit Kriegsbeginn um fast 60 Prozent zurückgefahren und auch den Zahlungsverkehr erheblich eingeschränkt, wie es im jüngsten Halbjahresbericht heisst. Der Europäischen Zentralbank (EZB) geht dies allerdings zu langsam. Sie ermahnte die RBI im Frühling, den Rückzug zu beschleunigen, und verlangte, die Kundenkredite und die internationalen Zahlungen aus Russland bis im Jahr 2026 im Vergleich zum Herbst 2023 um 65 Prozent zu reduzieren.

Im Mai liess die RBI aber eine Ende letzten Jahres geschlossene Vereinbarung platzen, mit der sie Zugriff auf die in Russland blockierten Gewinne hatte erlangen wollen. Dafür hätte die Tochter der Bank ein rund 28 Prozent umfassendes Aktienpaket des österreichischen Baukonzerns Strabag von einer Gesellschaft erworben, die dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska zuzurechnen ist. Als Vertrauter von Präsident Wladimir Putin ist dieser mit westlichen Sanktionen belegt. Das Aktienpaket wäre sodann als Sachdividende an die RBI in Wien übertragen worden.

Die RBI hielt den Deal für zulässig, die sanktionsrechtlichen Vorschriften würden eingehalten. Europäische und vor allem amerikanische Aufsichtsbehörden meldeten aber von Anfang an Bedenken an und drohten mit Strafen für den Fall eines Verstosses gegen die Strafmassnahmen. Die RBI nahm deshalb von dem Vorhaben Abstand.

Die Bank wird zum Druckmittel für Russland

In der Mitteilung vom Donnerstag schreibt die Bank, die gerichtliche Verfügungsbeschränkung stehe im Zusammenhang mit dem juristischen Vorgehen einer russischen, Deripaska zugeordneten Gesellschaft gegen die Strabag. Der Oligarch erhält wegen der Sanktionen keine Dividenden auf seine Anteile. Die RBI werde in der Klage genannt, obwohl sie keine Partei in dem Verfahren sei, heisst es. Es entsteht damit der Eindruck, die Russland-Tochter der Bank werde als Druckmittel benutzt im Streit zwischen dem Oligarchen und dem österreichischen Konzern. Die russische Justiz ist nicht unabhängig.

Diese Vermutung insinuiert auch die österreichische Zeitung «Die Presse», laut der es mehrere Interessenten für die Russland-Tochter der RBI geben soll. Möglicherweise haben die Russen aber kein Interesse an einem Verkauf. Dann ist der Rechtsweg, den die Bank beschreiten will, schwierig. Was das für die Vorgaben der EZB heisst, ist derzeit unklar. Die RBI-Aktie gab am Freitag stark nach.

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