Freitag, Oktober 18

Vom «Brangelina»-Original bleibt am Ende wenig ausser dem Titel. Aber das ist gut so.

Ein Job-Interview in Zeiten von KI: Klappstuhl und Computer – wesentlich mehr braucht es nicht. Die Kandidatin, Jane (Maya Erskine), sitzt aufrecht vor einem Gerät, das über eine kleine Öffnung ihre Nagelprobe zur DNA-Analyse verlangt. Sämtliche Anweisungen erhält Jane über einen Monitor. Der Cursor blinkt wartend. Small-Talk gibt es keinen.

Die Software ist auf Matchmaking programmiert. Gesucht werden zwei Menschen, Partner, mit Bereitschaft zum Ortswechsel und Mut zum Risiko. Die Maschine stellt Fragen nach Körpergrösse, Kontostand, sozialer Kompatibilität.

Dann geht’s ans Eingemachte: «Haben Sie schon einmal einen Menschen getötet?», will die KI wissen. John (Donald Glover), auch ein Kandidat, überlegt kurz. Offen gibt er zu, bisher 14 Menschen auf dem Gewissen zu haben, darunter ein Arbeitsunfall. In seiner Branche kommt das vor.

Spätestens hier wird klar, dass «Mr. & Mrs. Smith» keine Dating-Show fürs neue Jahrtausend ist. Darsteller und Ideengeber Glover hat die achtteilige Serie gemeinsam mit Francesca Sloane als Action-Komödie angelegt (verfügbar auf Amazon Prime). Die Parallelen zum gleichnamigen Kinofilm aus dem Jahr 2005, bei dessen Dreharbeiten Brad Pitt und Angelina Jolie zu Hollywoods Traumpaar wurden, liegen auf der Hand: Es geht um Spionage, Geschlechterkampf und Mord. Es gibt Leichen. Es fliesst Blut.

Spione in der Paartherapie

Der entscheidende Unterschied liegt in der bewussten «Unsexiness» der Neuauflage. Im Film, der in erster Linie die Anziehungskraft der Marke «Brangelina» fürs Kino testete, wurden die beiden Eheleute von ihren konkurrierenden Auftraggebern darauf angesetzt, einander zu töten. In der Serie sitzen die beiden Spione stattdessen in der Paartherapie.

Denn nach Auswertung ihrer Persönlichkeitsprofile macht ein Algorithmus aus Jane und John ein Einsatzteam. Sie ist zur Hälfte japanischer Abstammung und zugeknöpft, er Afroamerikaner und eher der umgängliche Typ. Mit falschen Eheringen am Finger beziehen sie eine gemeinsame Wohnung, spielen nach aussen ein Tech-Paar, die Tarnung ist perfekt. Aber Liebe auf den ersten Blick ist es nicht.

Aus dem anfänglichen gegenseitigen Fremdeln der Spione entwickelt die Serie ihren Antrieb. Das Tempo ist allerdings langsamer, als man es vom Genre gewohnt ist. Die Aufträge erhalten Jane und John per Textnachricht von «Mr. HiHi». Dahinter steckt dasselbe anonyme Unternehmen, das sie rekrutiert hat. Mit jeder Episode wartet ein neuer Fall. Die Missionen wirken zunächst oft harmlos und enden dann mit grossem Knall. Über die Alltagsprobleme ihrer zerbrechlichen Ehe hinaus werden Jane und John im Job vor knifflige Herausforderungen gestellt: die Beseitigung einer ungeplanten Leiche etwa oder ein Bespitzelungsauftrag in den Dolomiten. Zu dumm für John, der nicht Ski fahren kann.

Der erste Kuss

Dass sich aus ihrer gefährlichen Arbeitsgemeinschaft trotzdem bald mehr entwickelt, ist absehbar, aber deswegen nicht störend. Der erste Kuss findet zudem unter so bizarren Umständen statt, dass ihre Leidenschaft füreinander in dem Moment gefühlsmässig schlüssig erscheint.

Die Action spielt sich zumeist an luxuriösen Orten ab. Die Ausstattung ist edel, am Budget wurde nicht gespart. Aber nicht nur die Schauplätze sind gewählt. Auch Gastauftritte von Grössen wie Paul Dano, Parker Posey, John Turturro oder Alexander Skarsgård sitzen.

Das Faszinierendste an «Mr. & Mrs. Smith» ist jedoch die Dynamik zwischen Glover und Erskin. Kaum zu glauben, dass der kreative Kopf hinter der Erfolgsserie «Atlanta» erst «Fleabag»-Star Phoebe Waller-Bridge für die Rolle als sein Pendant vorgesehen hatte. Erskin, die mit ihrer trockenen Art eine angenehme Pragmatik ins Spiel bringt, erweist sich als hervorragende Wahl.

Ehe man es sich versieht, fühlt man sich in die bizarre Welt von John und Jane hineingezogen. Vom «Brangelina»-Original bleibt am Ende kaum mehr als der Titel. Aber wie aus den platonischen Kollegen, die ein verheiratetes Paar vortäuschen, echte Lebenspartner werden, ist ein kleines darstellerisches Bravourstück.

Exit mobile version