Montag, Oktober 7

Ein St. Galler Polizeichef ist betrunken verunfallt. In diesem Beruf gehöre die Vorbildfunktion zum Pflichtenheft, sagt ein Experte.

Ein Kadermitglied der St. Galler Kantonspolizei hat in der Nähe von Sargans betrunken einen Unfall verursacht. Der Mann, 63-jährig, hielt vergangene Woche zunächst auf einem Firmenareal in der Gemeinde Wartau, um ein entgegenkommendes Auto passieren zu lassen. Danach beschleunigte er laut Mitteilung der Kantonspolizei seinen Wagen und prallte gegen zwei auf dem Areal abgestellte Anhänger. Ein Atemalkoholtest ergab einen erhöhten Wert. Wie viel der Autofahrer intus hatte, ist nicht bekannt. Hanspeter Krüsi, Leiter Kommunikation bei der Kantonspolizei St. Gallen, bestätigte am Sonntag eine Meldung des «Blick», wonach es sich beim Verunfallten um den Chef der St. Galler Regionalpolizei handelt.

Bei jedem zehnten Verkehrsunfall mit Personenschaden ist in der Schweiz Alkohol im Spiel. Doch wenn Polizisten oder Politiker ein Delikt begehen, also jene, die für Gesetz und Ordnung im Land stehen, sorgt das für Spott, Kopfschütteln, Schlagzeilen. Davon zeugen etliche Fälle in der Vergangenheit. Besonders Politikern sind Blaufahrten schon öfters zum Verhängnis geworden. So verursachte etwa der langjährige CVP-Ständerat Filippo Lombardi 2005 mit 0,6 Promille einen Unfall. SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz hatte 2016 sogar 1,92 Promille im Blut und rief, was für zusätzliches Aufsehen sorgte, mitten in der Nacht vom Polizeiposten aus Bundesrat Guy Parmelin an. Auch die SVP-Nationalräte Erich Hess und Alfred Heer mussten wegen Alkohols am Steuer schon ihre Fahrausweise abgeben.

Es stellt sich die Frage: Müssen Polizisten oder Politiker vorbildlicher sein als der Durchschnittsbürger?

Öffentliche Ämter brauchen einen guten Ruf

Fritz Sager ist Politikwissenschafter am Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern. Er sagt: «Öffentliche Ämter sind auf einen guten Ruf angewiesen.» Zum einen, damit die staatlichen Aufgaben – auch die unbeliebten Tätigkeiten wie Bussen ausstellen – von der Bevölkerung akzeptiert werden.

Zum anderen, damit die Ämter ihre Anliegen bei der Politik durchbringen, etwa die Forderung nach Ressourcen. Der Wettbewerb um staatliche Mittel sei härter geworden, die Effizienzfrage eminenter. «Das Reputationsmanagement der öffentlichen Verwaltung ist heute viel wichtiger als früher, als die staatlichen Institutionen grundsätzlich weniger infrage gestellt wurden», sagt Sager. Eine Folge davon sei, dass Verwaltungseinheiten im Vergleich zu früher mehr Ressourcen in die Kommunikation investierten.

Vorbildfunktion gehört zum Stellenprofil

Bei Polizisten gehöre die Vorbildfunktion zum Pflichtenheft. Politologieprofessor Fritz Sager relativiert allerdings die Bedeutung des Vorfalls in St. Gallen. Es handle sich um ein individuelles Versagen. Das wiege viel leichter als etwa die strukturellen Missstände in der Basler Kantonspolizei, wo ein Bericht kürzlich Angstkultur, Sexismus und rassistische Ausfälle im Korps nachwies.

Im Gegensatz dazu lässt sich in St. Gallen nicht vom Einzelfall auf die gesamte Regionalpolizei schliessen. «Es hat natürlich eine gewisse Ironie, wenn ein Polizeikader betrunken verunfallt», sagt Fritz Sager. Aber für die kantonale Sicherheit habe der Vorfall kaum Relevanz.

Für den betroffenen Polizisten hat der Unfall gleichwohl Konsequenzen. Gegen den Mann läuft ein Strafverfahren, ebenso wurden ein personalrechtliches Verfahren sowie ein Administrativverfahren eingeleitet. Der Kaderangestellte hat sich laut dem St. Galler Polizeisprecher Hanspeter Krüsi beim Unfall leicht verletzt und sei krankgeschrieben. Als Chef der Regionalpolizei steht er rund der Hälfte aller Mitarbeitenden der Kantonspolizei St. Gallen vor.

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