Als 18-Jähriger half der Beschuldigte seiner Mutter, kriminell an Geld zu kommen. Nun erhält er eine Massnahme für junge Erwachsene und darf eine Lehre absolvieren.

Es klingt nach einem schlechten Drehbuch, ist aber ein realer Gerichtsfall am Bezirksgericht Dietikon: Laut Anklage kamen ein heute 21-jähriger Schweizer und seine Mutter auf die Idee, «ein verabredetes Treffen für sexuelle Handlungen gegen Entgelt» dafür zu nutzen, dem Freier in arbeitsteiligem Zusammenwirken «ohne Erbringen der sexuellen Gegenleistung» Geld zu entwenden.

Die Mutter traf den Freier in seiner Wohnung. Der Plan war, ihn dort im Schlafzimmer zu fesseln. Dann würde sich der Sohn Zutritt zur Wohnung verschaffen, sie würden das Geld stehlen und sich zusammen wieder aus dem Staub machen.

Am 11. September 2021 kam es zur Tatausführung in Schlieren. Die Frau fesselte den Freier zwar «zumindest teilweise», wie in der Anklage steht. Der Mann schöpfte aber Verdacht und konnte sich befreien. Als der Sohn in der Wohnung auftauchte, kam es zu einer gewaltsamen Konfrontation zwischen ihm und dem Freier, und der Sohn schlug dem Freier mehrfach gegen den Kopf. Dieser erlitt eine Fraktur des Augenhöhlenbodens und ein Schädel-Hirn-Trauma.

Smartphone in Wohnung liegen lassen

Das innerfamiliäre Gaunerduo konnte trotzdem Bargeld entwenden und verliess damit die Wohnung. Die Höhe des Betrags blieb laut Anklage aber unbekannt. Draussen merkte der Sohn, dass er sein Smartphone in der Wohnung liegen lassen hatte. Durch die inzwischen geschlossene Türe verlangte er es zurück. Der Freier dachte allerdings nicht im Traum daran, die Türe wieder zu öffnen. Der Sohn trat darauf die Türe ein. Es entstand Sachschaden.

Das Opfer alarmierte die Kantonspolizei. Mutter und Sohn erzählten wahrheitswidrig, der Freier habe die Mutter sexuell genötigt, der Sohn habe nur Notwehrhilfe geleistet. Gegen den Freier wurde daraufhin eine Strafuntersuchung wegen sexueller Nötigung eröffnet.

Die 19-seitige Anklageschrift des Sohnes umfasst noch zehn andere Dossiers und insgesamt fünfzehn verschiedene Straftatbestände: Entwendung eines Motorrads, eines E-Bikes und eines Töfflis. Fahren ohne Führerausweis unter THC-Einfluss. Diebstahl von Geld und einer Spielkonsole aus einer Bar, in der er als Aushilfe gearbeitet hat, Drohung gegen seinen Vermieter, Hehlerei mit einem iPhone, Betrug mit einem iPhone und einem iPad auf Facebook Marketplace und Tutti.

Alle Delikte beging der Beschuldigte zwischen September 2021 und Dezember 2022. Er ist vollumfänglich geständig. Sein Verteidiger hat sich mit der Staatsanwaltschaft auf ein abgekürztes Verfahren geeinigt. Die Sanktion: eine vollziehbare Freiheitsstrafe von 24 Monaten wegen Raubes, falscher Anschuldigung und weiterer Delikte; 500 Franken Busse und eine Massnahme für junge Erwachsene. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird dafür aufgeschoben. 331 Tage hat der Beschuldigte schon im Gefängnis abgesessen.

Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung

Vor Gericht erklärt der Beschuldigte, alles, was in der Anklage stehe, stimme. Auf die Frage, wie er seine Taten heute sehe, gibt er auffallend eloquent Auskunft. Es sei jetzt drei Jahre her. Im Alltag sei es nicht mehr präsent, aber im Kopf. «Ich konnte reflektieren und sehe Muster und Fehler.» Als er jünger gewesen sei, habe er eine andere Denkweise gehabt, nun seien seine Perspektiven anders. Er könne jetzt in der Massnahme eine Lehre beginnen. Seine Priorität sei Automobilfachmann. Seit Februar befindet er sich in der Massnahme.

Mit der Diagnose des Gerichtspsychiaters, der eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und eine Abhängigkeit von verschiedenen Substanzen diagnostizierte, sei er nicht zufrieden. «Aber es ist, wie es ist.» Drogen nehme er keine mehr. Seit 15 Monaten sei er clean. Er werde wöchentlich kontrolliert. Mit seiner Mutter habe er nur noch ab und zu schriftlichen Kontakt. Er sei bewusst auf Distanz gegangen.

Das Bezirksgericht Dietikon erhebt den Vorschlag zum Urteil. Der Beschuldigte erfülle alle Voraussetzungen für die Massnahme. Jetzt, wo er Struktur und Stabilität habe, blühe er auf und sei auf dem richtigen Weg. Die vorsitzende Richterin wünscht ihm, dass es klappt mit der Lehre. Man habe bisher von ihm zwar noch nichts darüber gehört, dass ihn interessiere, was seine Taten bei den Opfern ausgelöst hätten. Er habe jetzt aber Zeit, dieses Thema zu vertiefen.

Urteil DH240004 vom 4. 4. 2024, abgekürztes Verfahren.

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