Eines ist nach drei Monaten im Amt klar: Donald Trump bleibt auch mit 78 Jahren ein unermüdlicher Kommunikator. In einem TV-Interview, an einer Rally und einer öffentlichen Kabinettssitzung verteidigte der Präsident seine Agenda – auch seine umstrittene Zollpolitik.
Auch Donald Trumps grösste Kritiker müssen anerkennen: Im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Joe Biden ist der neue amerikanische Präsident stets auf Sendung. Nach 100 Tagen im Amt gab der 78-Jährige am Dienstag dem Fernsehsender ABC ein 40-minütiges Interview und flog dann für eine Rally nach Michigan. Am Mittwoch pries er seine bisherige Bilanz vor laufenden Kameras an einer zweistündigen Kabinettssitzung und traf sich danach mit den CEO grosser Unternehmen.
Während Biden seine öffentlichen Auftritte auf ein Minimum reduzierte, scheint Trump sie zu maximieren. Er liebt diese Momente. «Ich vermisse euch», sagte er zu seinen Fans bei der Rally nördlich von Detroit am Dienstag. «Ich vermisse den Wahlkampf.»
Eindämmung der Zuwanderung im Vordergrund
Wie schon vor der Wahl stellte Trump auch jetzt das Thema Migration in den Vordergrund. Eines seiner wichtigsten Wahlversprechen hat der Präsident nach 100 Tagen bereits grösstenteils eingelöst: «Für zwei Monate in Folge haben wir Allzeitrekorde für den tiefsten Stand illegaler Grenzübertritte aufgestellt», verkündete er in Detroit unter dem Jubel seiner Anhänger. Trump übertreibt gerne, aber in diesem Fall war das nicht nötig. Im März 2024 griffen die Grenzschützer an der Südgrenze zu Mexiko noch 137 000 Migranten auf, die illegal ins Land gelangten. Im vergangenen März waren es nur noch rund 7200.
Dass seine Regierung dabei hart vorgeht, verheimlichte Trump in Michigan nicht – im Gegenteil, er zelebrierte es: Während der Rally liess er das Video von der Ausschaffung mutmasslicher Gangmitglieder in ein Gefängnis in El Salvador abspielen. Begleitet von dramatischer Musik zeigt es, wie die Migranten mit gefesselten Füssen und Händen aus einem Flugzeug geführt, in Fahrzeuge verfrachtet und im Gefängnis kahl geschoren werden. Die Menge feierte die Bilder.
An der Rally in Michigan zeigte Trump wieder einmal sein Talent als Bühnenkünstler: Die hohe Zuwanderung unter seinem Amtsvorgänger habe eine existenzielle Gefahr für die USA dargestellt, raunte er. Viele Migranten seien «Kriminelle», «Mörder» und «Verbrecher der absolut übelsten Sorte». Hätten die Demokraten die Wahlen im November gewonnen, hätten sich die USA in kurzer Zeit in ein «gescheitertes Drittweltland» verwandelt, malte er mit grossen Pinselstrichen ein bedrohliches Szenario.
Dass mindestens eine der Abschiebungen illegal war, kam in Detroit nicht zur Sprache: Im Fall des ebenfalls nach El Salvador ausgeschafften Kilmar Abrego Garcia hat der amerikanische Supreme Court die Regierung angewiesen, Garcias sofortige Freilassung zu erwirken. Doch Trump ignoriert die Anweisung bis jetzt hartnäckig. In einem Interview mit dem Fernsehsender ABC gestand Trump am Dienstag zwar ein, dass er Garcia zurückholen könnte. Doch der in den USA nicht vorbestrafte Familienvater sei kein «unschuldiger, wunderbarer Gentleman», erklärte der Präsident. «Ich sage nicht, dass er ein guter Typ ist. Aber es geht um den Rechtsstaat. Das Urteil des Supreme Court gilt», hakte der ABC-Journalist nach. Garcia sei illegal in die USA eingereist, rechtfertigte sich Trump.
«Unser Land wird boomen»
Etwas weniger klar ist Trumps Bilanz, wenn es um das zweite grosse Wahlversprechen geht: eine Wirtschaftspolitik, die auch für die Arbeiterklasse ein «goldenes Zeitalter» einläutet. Die Einführung und Androhung von massiven Zollerhöhungen haben die Börsen erschüttert und das Wirtschaftswachstum gebremst. Gemäss einer aktuellen Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters sind nur 36 Prozent der Amerikaner mit Trumps Wirtschaftspolitik zufrieden und 56 Prozent lehnen sie ab.
Trump versuchte am Mittwoch die Schuld für den Kurszerfall an den Börsen ebenfalls Biden in die Schuhe zu schieben und bat um Geduld. Die Zölle würden bald ihre Wirkung zeigen und Unternehmen würden in Rekordzahlen in die USA umsiedeln, schrieb der Präsident in einem Post auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. «Unser Land wird boomen, aber wir müssen zuerst Bidens ‹Überhang› loswerden.»
Nicht alle Wirtschaftszahlen sind jedoch schlecht. Der durchschnittliche Preis für eine Gallone Benzin ist im Vergleich zum Vorjahr um 50 Cent gefallen. Die Inflation lag im Februar bei 2,7 Prozent und sank im März weiter auf 2,3 Prozent. Um die eigenen Wähler optimistischer zu stimmen, leitete Trump am Mittwoch eine öffentliche Kabinettssitzung, in der alle Minister nur Positives zu berichten hatten. Wie bestellt lobten sie den Präsidenten für seine «epischen», «wahrlich historischen» und «präzedenzlosen» ersten 100 Tage im Amt. Auf dem langen Tisch waren Baseballmützen mit der Aufschrift «Gulf of America» drapiert, um an die von Trump angeordnete Umbenennung des Golfs von Mexiko zu erinnern.
Die ersten 100 Tage hätten dazu gedient, die Dinge neu zu ordnen, sagte Finanzminister Scott Bessent. «In den nächsten 100 Tagen geht es darum, zu ernten.» Trump will seine angedrohten Zollerhöhungen nutzen, um mit verschiedenen Ländern vorteilhaftere Handelsbedingungen auszuhandeln. Am Mittwoch versprach er gewohnt bombastisch: «Es wird finanziell der grösste Deal der Weltgeschichte sein.»
CEO versprechen grosse Investitionen
Trump gab sich zuversichtlich, dass die USA auch den Wirtschaftskrieg mit China gewinnen werden. Seine Regierung hat chinesische Produkte mit einem Zoll von 145 Prozent belegt. Amerikanische Medien berichteten kürzlich darüber, dass die Regale in den Spielwarengeschäften vor Weihnachten leer stehen könnten. Aber Trump sagte am Mittwoch, China werde stärker unter dem Handelskrieg leiden. Die USA brauchten viele chinesische Produkte nicht. «Vielleicht werden die Kinder zwei Puppen anstatt dreissig haben. Und die zwei Puppen werden ein paar Dollar mehr kosten.»
Um zu zeigen, dass seine Politik funktioniert, empfing Trump am Mittwochnachmittag die Geschäftsführer grosser Unternehmen im Weissen Haus. Ganz der Showman rief Trump die einzelnen CEO namentlich auf und nannte die Summen, die ihre Unternehmen jeweils in den USA investieren wollen – als seien diese Preisgelder in einem Gewinnspiel. Gemäss dem Präsidenten haben private Konzerne wegen seiner Zölle bereits Investitionen im Gesamtwert von 8 Billionen Dollar in den USA angekündigt.
Zu den Anwesenden gehörten die CEO von Hyundai, Siemens oder Novartis. Jensen Huang, der Geschäftsführer des Chip-Herstellers Nvidia, lobte den amerikanischen Präsidenten: «Ohne die Führungskraft des Präsidenten, seine Politik, Unterstützung und nachdrückliche Ermutigung hätte sich die Produktion in den USA nicht derart beschleunigt.»
Wie viele der versprochenen Gelder am Ende wirklich investiert werden, muss sich allerdings noch zeigen. Eine Studie des hoch angesehenen Wirtschaftsforschungsinstituts NBER kam vor einem Jahr zu dem Resultat, dass Trump mit seiner Zollpolitik in seiner ersten Amtszeit nicht viele neue Arbeitsplätze geschaffen habe. Politisch allerdings sei diese ein Erfolg gewesen. In amerikanischen Gliedstaaten, die in den vergangenen Jahrzehnten stark unter der chinesischen Konkurrenz gelitten hätten, hätten sich die Wähler Trump zugewandt. Trotz der Kosten der Zollpolitik.