Mittwoch, Januar 15

An einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen verletzte in dieser Woche ein Schüler mehrere Mitschüler schwer. Das ist nicht der erste Fall dieser Art in den vergangenen Monaten.

An deutschen Schulen ereignen sich immer häufiger Messerangriffe auf Schüler. Erst am Mittwoch verletzte in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) ein Jugendlicher bei einer von der Polizei als Amoktat eingestuften Attacke fünf Mitschüler. Auch in anderen Teilen Deutschlands kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Angriffen mit Schwerverletzten.

Bei dem Tatverdächtigen in Wuppertal handelt es sich um einen 17-jährigen Oberstufenschüler, der sich nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft in einer psychischen Krise befunden haben soll. Die Hintergründe des Amoklaufs sind noch unklar. Regionale Medien zitieren eine Lehrkraft, die berichtete, der Angreifer sei mit einer Schere und einem Messer unvermittelt auf umstehende Schüler losgegangen. Dabei verletzte er zwei von ihnen schwer, drei andere leicht. Am Ende habe er auch sich viermal in die Brust gestochen. Ein Lehrer habe ihn überwältigen können.

Während es über das Tatmotiv noch keine behördlichen Aussagen gibt, gibt es über einen Angriff Anfang Februar an einer Schule in Pforzheim (Baden-Württemberg) mehr Informationen. Damals hatte ein 18-Jähriger im Schulgebäude auf zwei 17-jährige Schüler eingestochen und sie schwer verletzt. Nach Angaben der Polizei soll es sich bei dem Täter nicht um einen Mitschüler gehandelt haben. Opfer und Tatverdächtiger hätten sich jedoch gekannt. Die Polizei geht daher von einer Beziehungstat aus.

Zahl der Messerangriffe deutlich gestiegen

Kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres hatte in Cuxhaven (Niedersachsen) eine 16-jährige Jugendliche eine 15-jährige Mitschülerin in einem Klassenraum vor den Augen anderer Kinder mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Hintergrund sei eine Auseinandersetzung zwischen der Tatverdächtigen und dem Opfer gewesen, hiess es von der Polizei.

Generell ist die Zahl der Messerattacken in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Immer wieder handelte es sich dabei um minderjährige Jugendliche, die auf andere Altersgenossen in Schulen oder im schulischen Umfeld einstachen und sie mitunter schwer verletzten. Im sächsischen Bischofswerda verletzte zudem im vergangenen Sommer ein 16-Jähriger mit einem Messer einen 8-jährigen Jungen und versuchte anschliessend, sich selbst anzuzünden. Die Flammen konnten gelöscht und der Jugendliche festgenommen werden.

Für Aufsehen sorgte ausserdem der Angriff eines 39-jährigen Mannes auf zwei 7 beziehungsweise 8 Jahre alte Mädchen im Vorjahr auf einem Schulhof in Berlin. Das Leben der Mädchen konnte nur durch Notoperationen gerettet werden. Zum Prozessauftakt vor dem Berliner Landgericht Anfang Dezember 2023 hatten die Anwälte des Täters erklärt, Auslöser für den Angriff sei eine psychische Erkrankung ihres Mandanten gewesen.

Differenzierter Blick notwendig

Nach dem Messerangriff eines 13-jährigen Schülers auf einen 12-jährigen Jungen in Harsewinkel (Nordrhein-Westfalen) im August 2023 berichtete der Westdeutsche Rundfunk von einer allgemein gestiegenen Zahl von Straftaten am «Tatort Schule» in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsstärksten deutschen Bundesland. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 sei die Zahl der Straftaten auf einem Schulgelände oder in der unmittelbaren Umgebung im Jahr 2022 um rund 19 Prozent auf 24 500 gewachsen. Darunter fielen allerdings auch Einbrüche an Schulen, die von Erwachsenen begangen wurden.

Statistiken der Polizei bestätigen, dass bei der Entwicklung von Straftaten an Schulen ein differenzierter Blick notwendig ist. Unter dem Stichwort «Ereignis Schule» dokumentiert die Polizei in Nordrhein-Westfalen Straftaten, die ausschliesslich in einem engen Verhältnis zu Schule und Unterricht stehen, aber nicht zwingend auch dort stattgefunden haben. Dazu zählen etwa Schlägereien zwischen Schülern auf dem Schulweg oder bei Klassenfahrten. Laut den Angaben hat es hier im Jahr 2019 fast 15 000 Fälle gegeben, während die Zahl drei Jahre später auf 9000 gesunken ist.

Ereignisse wie der Messerangriff in Harsewinkel kündigten sich in der Regel im Vorfeld an, sagte der Soziologe Stefan Piasecki damals dem Westdeutschen Rundfunk. Oft würden sie dadurch begünstigt, dass vor der Tat Probleme und Vorzeichen ignoriert worden seien, etwa wenn ein späterer Täter bereits durch extrem aggressive verbale Attacken auf Mitschüler auffällig geworden sei. Wenn Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter frühzeitig informiert würden, könnten sie gezielt auf den problematischen Schüler zugehen und ihre Hilfe anbieten, sagte Piasecki.

Schüler verschanzten sich in Klassenräumen

Amoktaten an einer Schule wie die Messerattacke am Mittwoch in Wuppertal sind in Deutschland trotz der in letzter Zeit gestiegenen Zahl von Angriffen vergleichsweise selten. In der Vergangenheit ragen zwei Ereignisse besonders heraus. Am 26. April 2002 tötete der 19-jährige ehemalige Schüler Robert Steinhäuser an einem Gymnasium in Erfurt (Thüringen) 16 Menschen und sich selbst. Gut sieben Jahre später erschoss der 17-jährige Tim Kretschmer an einer Schule in Winnenden (Baden-Württemberg) neun Schüler, drei Lehrerinnen und auf der anschliessenden Flucht drei Passanten. Nach einem Schusswechsel mit der Polizei nahm er sich selbst das Leben.

Spätestens seitdem gibt es an vielen Schulen in Deutschland Regeln, wie sich Schüler und Lehrer im Fall eines Amoklaufs verhalten sollen. Beim Angriff von Wuppertal etwa haben sich die Schüler des Gymnasiums in ihren Klassenräumen verschanzt, bis die Polizei Entwarnung gab. An diesem Freitag waren die meisten Schüler zwar in der Schule, es fand aber kein Unterricht statt. Die Jugendlichen sollten vielmehr gemeinsam mit Psychologen die Geschehnisse aufarbeiten.

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