Montag, Dezember 23

Nach dem Anschlag in Magdeburg fordert die CDU ein umfassendes Paket für mehr Befugnisse der Behörden im Kampf gegen den Terror. Innenministerin Nancy Faeser wiederum wirft der Opposition eine Blockade der bereits vorliegenden Gesetzesentwürfe vor.

Nach dem Terroranschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt mit fünf Toten und mehr als 200 Verletzten ist in Deutschland eine Debatte über mögliche Sicherheitslücken entbrannt. Der CDU-Politiker Thorsten Frei forderte an diesem Montag ein «grosses Sicherheitspaket».

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«Viele Menschen in unserem Land fühlen sich nicht länger sicher», sagte er der NZZ. Bis heute fehlten den Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Terror zentrale Befugnisse, besonders im digitalen Raum. «Allzu oft können Journalisten wie im Fall der untergetauchten RAF-Terroristin Daniela Klette Dinge tun, die unserer Polizei versagt sind», kritisierte Frei.

Es sei deshalb vollkommen unverständlich, dass die Bundesregierung immer noch nicht den Vermittlungsausschuss angerufen habe. Dabei handelt es sich um ein Gremium, in dem bei strittigen Themen zwischen dem Bundestag und der Länderkammer Bundesrat ein Kompromiss gesucht wird.

Innenministerin wirft Union Blockade vor

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht ihrerseits die Union in der Bringschuld. «Klar ist, dass wir alles tun müssen, um die Menschen in Deutschland vor solchen entsetzlichen Gewalttaten zu schützen», sagte die SPD-Politikerin dem «Spiegel». Nach dem islamistischen Anschlag in Solingen habe man bereits das Waffenrecht verschärft und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden gestärkt.

Weitergehende Gesetzesänderungen seien vor allem von Union und der FDP blockiert worden. «All diese Gesetzentwürfe von uns könnten sofort beschlossen werden, wenn Union und FDP sich dem nicht verweigern», sagte Faeser.

Am Freitagabend war ein 50-jähriger Mann aus Saudiarabien mit einem Mietwagen in eine Menschenmenge auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Unter den Todesopfern ist auch ein neunjähriges Kind. Der mutmassliche Täter, der seit 2006 als Arzt in Deutschland lebte, wurde noch am Tatort festgenommen.

Sondersitzung im Bundestag

Die politische Aufarbeitung des Anschlags hat bereits begonnen. So haben sich die Innenpolitiker von Union, SPD, Grünen und FDP im Bundestag auf eine Sondersitzung des Innenausschusses am 30. Dezember geeinigt. In Magdeburg selbst kommt an diesem Montag der Ältestenrat des Landtags zusammen, um sich als Führungsgremium des Parlaments ein Bild zu machen.

Der Deutsche Landkreistag warnte indes vor überzogenen Erwartungen an neue Sicherheitsmassnahmen. «Es gibt überall eine höhere Präsenz von Polizei- und Ordnungskräften, und auch in Magdeburg sind die Zugänge polizeilich kontrolliert und Taschen durchsucht worden», sagte der Landkreistags-Präsident Achim Brötel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Es wird aber einen absoluten Schutz nicht geben können.» Weihnachtsmärkte müssten Orte der Begegnung und des Miteinanders bleiben.

Im Fokus steht auch die Frage, ob der Anschlag hätte verhindert werden können. Saudiarabien hatte die deutschen Behörden nach eigenen Angaben vor dem Täter Taleb A. gewarnt, weil dieser auf seinem X-Account extremistische Ansichten gepostet habe. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestätigte, im Spätsommer 2023 einen entsprechenden Hinweis erhalten zu haben.

Täter wurde 2015 erstmals aktenkundig

Doch bereits viel früher war der Mann bei deutschen Sicherheitsbehörden aktenkundig geworden. Wie das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern mitteilte, informierten Vertreter des nordostdeutschen Landes im von Bund und Ländern getragenen Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum das Bundeskriminalamt am 6. Februar 2015 über mögliche Anschlagsabsichten des Mannes.

Anlass für die Meldung seien dessen Drohungen gegenüber der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern im April 2013 und ein Jahr später auch gegen eine Kommunalbehörde in Stralsund gewesen, Handlungen vorzunehmen, die internationale Beachtung fänden.

Nach Angaben von Landesinnenminister Christian Pegel (SPD) lebte Taleb A. von 2011 bis Anfang 2016 in Mecklenburg-Vorpommern und absolvierte in Stralsund Teile seiner Facharztausbildung. Mit der Landesärztekammer habe es Streit um die Anerkennung von Prüfungsleistungen gegeben. Gegenüber der Sozialbehörde in Stralsund habe er versucht, mit Drohungen die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt durchzusetzen.

Laut Pegel hatte das Amtsgericht Rostock Taleb A. wegen der Drohungen gegenüber der Ärztekammer zu einer Geldstrafe verurteilt. Die vorhergehenden Ermittlungen hätten jedoch keine Hinweise auf reelle Anschlagsvorbereitungen ergeben und auch keine islamistischen Bezüge offenbart. Nach dem Vorfall in Stralsund sei der Mann im Rahmen einer sogenannten Gefährderansprache von der Polizei auf Konsequenzen hingewiesen worden. Ihm sei gesagt worden, dass man einen sehr viel genaueren Blick auf ihn haben werde. Als Gefährder sei der Mann aber nicht eingestuft worden, sagte Pegel.

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