Montag, November 17

Am Sonntag ist die israelische Armee in die Pufferzone zwischen den besetzten Golanhöhen und Syrien vorgestossen. Zudem bombardierten Kampfjets Waffenlager im Nachbarland. Derweil schreibt Netanyahu den syrischen Regimewechsel auch sich selber zu.

Von einem «historischen Tag» sprach Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, als er am Sonntag die von Israel besetzten Golanhöhen besuchte und den Blick über das benachbarte Syrien schweifen liess – nur Stunden nach dem Fall des Asad-Regimes. Doch nicht nur Netanyahu markierte auf dem Golan Präsenz. Am Sonntag rückten auch die israelischen Streitkräfte (IDF) in die dortige Pufferzone zu Syrien vor, nachdem sich die syrischen Truppen zurückgezogen hatten.

Zum ersten Mal seit 1974 operieren die IDF wieder offiziell in dieser eigentlich demilitarisierten Zone. Diese war nach dem Ende des Jom-Kippur-Kriegs vor 50 Jahren im Rahmen eines Abkommens zwischen Israel und Syrien eingerichtet worden. Im Krieg hatte Israel die syrischen Golanhöhen besetzt. Im Jahr 1981 annektierte der jüdische Staat sie, was allerdings von den meisten Staaten nicht anerkannt wird.

Die IDF betonten am Sonntag, dass es sich bei ihrem Vormarsch in die Pufferzone lediglich um eine begrenzte und temporäre Massnahme handle, die angesichts der chaotischen Zustände in Syrien nötig geworden sei. Laut der Armee war der Einsatz mit der Beobachtermission der Vereinten Nationen auf dem Golan abgesprochen, die die Einhaltung des Abkommens überwacht. Gemäss einem Bericht des Nachrichtenportals «Axios» war auch Washington über den Schritt informiert worden.

Israel greift Lager für Chemiewaffen an

«Unser Handeln zielt in erster Linie darauf ab, unsere Grenze zu schützen», sagte Netanyahu am Sonntag. Allerdings beschränkt Israel sein Handeln bei weitem nicht nur auf das Grenzgebiet. So hatte die israelische Luftwaffe in der Nacht auf Samstag begonnen, Dutzende Ziele in ganz Syrien zu beschiessen. Am Montag bestätigte Israels Aussenminister Gideon Saar, dass mehrere Waffenlager des Asad-Regimes angegriffen worden seien, darunter auch solche für chemische Waffen und Raketen mit grosser Reichweite. Diese Waffen sollten nicht in die falschen Hände fallen, sagte Saar. «Unser einziges Interesse ist die Sicherheit Israels.»

Zwar weint in Israel dem gefallenen Diktator Asad niemand eine Träne nach, war sein Regime doch ein zentrales Element der von Iran geführten «Achse des Widerstands». Doch die Tatsache, dass nun eine unter islamistischer Führung stehende Rebellenallianz weite Teile des Landes kontrolliert, hat im jüdischen Staat Besorgnis ausgelöst. Israel will offensichtlich verhindern, dass sich die neuen syrischen Machthaber allzu schnell mit den Beständen des Asad-Regimes bis an die Zähne bewaffnen können.

Unter den am Sonntag beschossenen Zielen war laut Medienberichten auch ein Forschungszentrum der syrischen Regierung, wo mit iranischer Hilfe unter anderem Lenkflugkörper entwickelt wurden. Auch die USA nutzten am Wochenende die Gunst der Stunde und griffen mehrere Stellungen der Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) in der syrischen Wüste an. Nach Angaben der US Army wurden dabei mehr als 75 Ziele getroffen. In Washington scheint man zu befürchten, dass Gruppen wie der IS das nun entstandene Machtvakuum in Syrien füllen könnten.

Die Nachschublinien des Hizbullah sind gekappt

Bei seinem Besuch auf dem Golan klopfte sich Benjamin Netanyahu derweil auch selber auf die Schulter. Der Fall des Asad-Regimes sei ein «direktes Resultat der Schläge, die wir Iran und dem Hizbullah versetzt haben, den wichtigsten Unterstützern des Asad-Regimes», sagte der Ministerpräsident. Tatsächlich dürfte die massive Dezimierung der libanesischen Schiitenmiliz durch Israel in den vergangenen Wochen zumindest teilweise zur Schwächung des syrischen Diktators beigetragen haben. So hatte der Hizbullah nach Beginn des Bürgerkriegs mit seiner Waffenhilfe massgeblich dazu beigetragen, dass sich Asad an der Macht halten konnte.

Aus israelischer Sicht ist es eine gute Nachricht, dass mit dem Umsturz in Syrien die Nachschublinien zwischen Teheran und dem Hizbullah zumindest fürs erste gekappt sind. Dennoch stellen die neuen Realitäten im Nachbarland den jüdischen Staat vor grosse, vorerst kaum abzuschätzende Herausforderungen. Zwar sind Israel und die syrischen Rebellen in ihrer Feindschaft zu Iran geeint, doch das ist auch schon das Ende der Gemeinsamkeiten. In der Rebellenallianz dürfte es nicht allzu viele Israel-Freunde geben.

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